Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

bildet, was kann sie bewegen, sich diesen ro-
hen Gefährten zu wählen? Gehört sie etwa
auch zu jenen Zarten, die sich bloß an die
äußere Erscheinung der Energie halten? --
Nicht ganz so hart! fiel ihm jener ein; es
ist ihm gelungen sie zu fesseln, oder viel-
mehr sie in einem Moment der Hingebung
sich eigen zu machen. Es ist nicht gewiß,
ob sie ihn noch liebt, ja ob sie ihn jemals
liebte. Jst es die schöne wachsende Treue
eines unverdorbnen weiblichen Herzens? Jst
es Reue, oder Stolz? Genug sie hält sich
für unauflöslich gebunden, obgleich die Grä-
fin, der sie sich ohne Rückhalt anvertrau-
te, ihre Vermählung immer weiter hinaus
zu schieben sucht. Walter weiß sehr wohl,
wie übel er bey der Gräfin angesehen ist,
daher sein Haß gegen diese unvergleichliche
Frau. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
alles von ihm aus Liebe zu ihrem ansehnli-
chen Vermögen angelegt ward; und nur zu wohl
ist ihm sein Plan gelungen! -- So muß
denn die Arme aus Schwachheit um Schwach-

bildet, was kann ſie bewegen, ſich dieſen ro-
hen Gefaͤhrten zu waͤhlen? Gehoͤrt ſie etwa
auch zu jenen Zarten, die ſich bloß an die
aͤußere Erſcheinung der Energie halten? —
Nicht ganz ſo hart! fiel ihm jener ein; es
iſt ihm gelungen ſie zu feſſeln, oder viel-
mehr ſie in einem Moment der Hingebung
ſich eigen zu machen. Es iſt nicht gewiß,
ob ſie ihn noch liebt, ja ob ſie ihn jemals
liebte. Jſt es die ſchoͤne wachſende Treue
eines unverdorbnen weiblichen Herzens? Jſt
es Reue, oder Stolz? Genug ſie haͤlt ſich
fuͤr unaufloͤslich gebunden, obgleich die Graͤ-
fin, der ſie ſich ohne Ruͤckhalt anvertrau-
te, ihre Vermaͤhlung immer weiter hinaus
zu ſchieben ſucht. Walter weiß ſehr wohl,
wie uͤbel er bey der Graͤfin angeſehen iſt,
daher ſein Haß gegen dieſe unvergleichliche
Frau. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß
alles von ihm aus Liebe zu ihrem anſehnli-
chen Vermoͤgen angelegt ward; und nur zu wohl
iſt ihm ſein Plan gelungen! — So muß
denn die Arme aus Schwachheit um Schwach-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0338" n="330"/>
bildet, was kann &#x017F;ie bewegen, &#x017F;ich die&#x017F;en ro-<lb/>
hen Gefa&#x0364;hrten zu wa&#x0364;hlen? Geho&#x0364;rt &#x017F;ie etwa<lb/>
auch zu jenen Zarten, die &#x017F;ich bloß an die<lb/>
a&#x0364;ußere Er&#x017F;cheinung der Energie halten? &#x2014;<lb/>
Nicht ganz &#x017F;o hart! fiel ihm jener ein; es<lb/>
i&#x017F;t ihm gelungen &#x017F;ie zu fe&#x017F;&#x017F;eln, oder viel-<lb/>
mehr &#x017F;ie in einem Moment der Hingebung<lb/>
&#x017F;ich eigen zu machen. Es i&#x017F;t nicht gewiß,<lb/>
ob &#x017F;ie ihn noch liebt, ja ob &#x017F;ie ihn jemals<lb/>
liebte. J&#x017F;t es die &#x017F;cho&#x0364;ne wach&#x017F;ende Treue<lb/>
eines unverdorbnen weiblichen Herzens? J&#x017F;t<lb/>
es Reue, oder Stolz? Genug &#x017F;ie ha&#x0364;lt &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r unauflo&#x0364;slich gebunden, obgleich die Gra&#x0364;-<lb/>
fin, der &#x017F;ie &#x017F;ich ohne Ru&#x0364;ckhalt anvertrau-<lb/>
te, ihre Verma&#x0364;hlung immer weiter hinaus<lb/>
zu &#x017F;chieben &#x017F;ucht. Walter weiß &#x017F;ehr wohl,<lb/>
wie u&#x0364;bel er bey der Gra&#x0364;fin ange&#x017F;ehen i&#x017F;t,<lb/>
daher &#x017F;ein Haß gegen die&#x017F;e unvergleichliche<lb/>
Frau. Es i&#x017F;t &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich, daß<lb/>
alles von ihm aus Liebe zu ihrem an&#x017F;ehnli-<lb/>
chen Vermo&#x0364;gen angelegt ward; und nur zu wohl<lb/>
i&#x017F;t ihm &#x017F;ein Plan gelungen! &#x2014; So muß<lb/>
denn die Arme aus Schwachheit um Schwach-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0338] bildet, was kann ſie bewegen, ſich dieſen ro- hen Gefaͤhrten zu waͤhlen? Gehoͤrt ſie etwa auch zu jenen Zarten, die ſich bloß an die aͤußere Erſcheinung der Energie halten? — Nicht ganz ſo hart! fiel ihm jener ein; es iſt ihm gelungen ſie zu feſſeln, oder viel- mehr ſie in einem Moment der Hingebung ſich eigen zu machen. Es iſt nicht gewiß, ob ſie ihn noch liebt, ja ob ſie ihn jemals liebte. Jſt es die ſchoͤne wachſende Treue eines unverdorbnen weiblichen Herzens? Jſt es Reue, oder Stolz? Genug ſie haͤlt ſich fuͤr unaufloͤslich gebunden, obgleich die Graͤ- fin, der ſie ſich ohne Ruͤckhalt anvertrau- te, ihre Vermaͤhlung immer weiter hinaus zu ſchieben ſucht. Walter weiß ſehr wohl, wie uͤbel er bey der Graͤfin angeſehen iſt, daher ſein Haß gegen dieſe unvergleichliche Frau. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß alles von ihm aus Liebe zu ihrem anſehnli- chen Vermoͤgen angelegt ward; und nur zu wohl iſt ihm ſein Plan gelungen! — So muß denn die Arme aus Schwachheit um Schwach-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/338
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/338>, abgerufen am 02.06.2024.