erbetteln, und die Hülfe für ihre Schmerzen nicht erst dann erwarten, wenn jene, oft weni- ger leidende befriedigt sind. Es wird alles für sie auf das pünktlichste und gefälligste besorgt, so daß sie auf jede Weise gegen den Einfluß des Uebermuths geschützt bleiben. Zu diesen gehö- ren dann auch die sonst üblichen Kollekten, die oft ganz unzweckmäßig vertheilt werden; und das Schauspiel der allgemeinen Abfütterungen, die auf den Kranken, bey ihrer gewöhnlichen Noth und der täglichen fchlechten Nahrung von sehr übeln Folgen sind. -- O, rief Flo- rentin, oft war ich Zeuge, mit welchem Ueber- druß, mit welcher Verachtung man seinen Bey- trag zollte! -- Freylich, antwortete jener, doch vergesse man nicht, daß dergleichen auch für viele, die sich nicht ausschließen dürfen, oft ein lästiger Tribut seyn kann. Freywillige Bey- träge, von Einzelnen, weiset die Gräfin nie zu- rück; um, wie sie sagt, den Seegen des Wohl- thuns niemand zu entziehen. Die Gabe wird augenblicklich von der Gräfin selbst, in der Ge- genwart des Gebers, den Armen zum freyen
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erbetteln, und die Huͤlfe fuͤr ihre Schmerzen nicht erſt dann erwarten, wenn jene, oft weni- ger leidende befriedigt ſind. Es wird alles fuͤr ſie auf das puͤnktlichſte und gefaͤlligſte beſorgt, ſo daß ſie auf jede Weiſe gegen den Einfluß des Uebermuths geſchuͤtzt bleiben. Zu dieſen gehoͤ- ren dann auch die ſonſt uͤblichen Kollekten, die oft ganz unzweckmaͤßig vertheilt werden; und das Schauſpiel der allgemeinen Abfuͤtterungen, die auf den Kranken, bey ihrer gewoͤhnlichen Noth und der taͤglichen fchlechten Nahrung von ſehr uͤbeln Folgen ſind. — O, rief Flo- rentin, oft war ich Zeuge, mit welchem Ueber- druß, mit welcher Verachtung man ſeinen Bey- trag zollte! — Freylich, antwortete jener, doch vergeſſe man nicht, daß dergleichen auch fuͤr viele, die ſich nicht ausſchließen duͤrfen, oft ein laͤſtiger Tribut ſeyn kann. Freywillige Bey- traͤge, von Einzelnen, weiſet die Graͤfin nie zu- ruͤck; um, wie ſie ſagt, den Seegen des Wohl- thuns niemand zu entziehen. Die Gabe wird augenblicklich von der Graͤfin ſelbſt, in der Ge- genwart des Gebers, den Armen zum freyen
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erbetteln, und die Huͤlfe fuͤr ihre Schmerzen
nicht erſt dann erwarten, wenn jene, oft weni-
ger leidende befriedigt ſind. Es wird alles fuͤr
ſie auf das puͤnktlichſte und gefaͤlligſte beſorgt,
ſo daß ſie auf jede Weiſe gegen den Einfluß des
Uebermuths geſchuͤtzt bleiben. Zu dieſen gehoͤ-
ren dann auch die ſonſt uͤblichen Kollekten, die
oft ganz unzweckmaͤßig vertheilt werden; und
das Schauſpiel der allgemeinen Abfuͤtterungen,
die auf den Kranken, bey ihrer gewoͤhnlichen
Noth und der taͤglichen fchlechten Nahrung
von ſehr uͤbeln Folgen ſind. — O, rief Flo-
rentin, oft war ich Zeuge, mit welchem Ueber-
druß, mit welcher Verachtung man ſeinen Bey-
trag zollte! — Freylich, antwortete jener, doch
vergeſſe man nicht, daß dergleichen auch fuͤr
viele, die ſich nicht ausſchließen duͤrfen, oft ein
laͤſtiger Tribut ſeyn kann. Freywillige Bey-
traͤge, von Einzelnen, weiſet die Graͤfin nie zu-
ruͤck; um, wie ſie ſagt, den Seegen des Wohl-
thuns niemand zu entziehen. Die Gabe wird
augenblicklich von der Graͤfin ſelbſt, in der Ge-
genwart des Gebers, den Armen zum freyen
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/347>, abgerufen am 22.11.2024.
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