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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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wenige Menschen sind mit ihren Worten zum
Vortheil andrer so freygebig. -- Jn wenig
Tagen, fing der Doktor, indem sie gingen, wie-
der an, sehen wir sie wieder mit andrer Sorg-
falt beschäftigt. Sie werden vielleicht schon
von einer Badeanstalt gehört haben für arme
Kranke, diese ist ihr Werk und entstand wie
von selbst. Es ist wenige Meilen von hier ent-
fernt, sie selbst braucht dieses Bad zu ihrer Er-
haltung seit mehrern Jahren. Jhrem mitlei-
denden, für jeden fremden Schmerz empfind-
lichen Herzen war es eine höchst peinvolle Em-
pfindung, eine Klasse Menschen an Allem Man-
gel leiden zu sehen, die wegen wirklicher, sehr
harter Gebrechen sich am Bade einfanden, un-
terdessen andre im größten Ueberfluß lebten, die
nur Vergnügen und Zeitverkürzung dort suchten.
Auf eigne Kosten hat sie also jede Bequemlich-
keit für die kranken Armen einrichten lassen, und
zwar alles so gut, so sauber und bequem, daß
sie für ihre eigne Person sich derselben jedesmal
bedient. So dürfen nun die armen geplagten
nicht mehr den Abhub der Reichen kümmerlich

wenige Menſchen ſind mit ihren Worten zum
Vortheil andrer ſo freygebig. — Jn wenig
Tagen, fing der Doktor, indem ſie gingen, wie-
der an, ſehen wir ſie wieder mit andrer Sorg-
falt beſchaͤftigt. Sie werden vielleicht ſchon
von einer Badeanſtalt gehoͤrt haben fuͤr arme
Kranke, dieſe iſt ihr Werk und entſtand wie
von ſelbſt. Es iſt wenige Meilen von hier ent-
fernt, ſie ſelbſt braucht dieſes Bad zu ihrer Er-
haltung ſeit mehrern Jahren. Jhrem mitlei-
denden, fuͤr jeden fremden Schmerz empfind-
lichen Herzen war es eine hoͤchſt peinvolle Em-
pfindung, eine Klaſſe Menſchen an Allem Man-
gel leiden zu ſehen, die wegen wirklicher, ſehr
harter Gebrechen ſich am Bade einfanden, un-
terdeſſen andre im groͤßten Ueberfluß lebten, die
nur Vergnuͤgen und Zeitverkuͤrzung dort ſuchten.
Auf eigne Koſten hat ſie alſo jede Bequemlich-
keit fuͤr die kranken Armen einrichten laſſen, und
zwar alles ſo gut, ſo ſauber und bequem, daß
ſie fuͤr ihre eigne Perſon ſich derſelben jedesmal
bedient. So duͤrfen nun die armen geplagten
nicht mehr den Abhub der Reichen kuͤmmerlich

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[338/0346] wenige Menſchen ſind mit ihren Worten zum Vortheil andrer ſo freygebig. — Jn wenig Tagen, fing der Doktor, indem ſie gingen, wie- der an, ſehen wir ſie wieder mit andrer Sorg- falt beſchaͤftigt. Sie werden vielleicht ſchon von einer Badeanſtalt gehoͤrt haben fuͤr arme Kranke, dieſe iſt ihr Werk und entſtand wie von ſelbſt. Es iſt wenige Meilen von hier ent- fernt, ſie ſelbſt braucht dieſes Bad zu ihrer Er- haltung ſeit mehrern Jahren. Jhrem mitlei- denden, fuͤr jeden fremden Schmerz empfind- lichen Herzen war es eine hoͤchſt peinvolle Em- pfindung, eine Klaſſe Menſchen an Allem Man- gel leiden zu ſehen, die wegen wirklicher, ſehr harter Gebrechen ſich am Bade einfanden, un- terdeſſen andre im groͤßten Ueberfluß lebten, die nur Vergnuͤgen und Zeitverkuͤrzung dort ſuchten. Auf eigne Koſten hat ſie alſo jede Bequemlich- keit fuͤr die kranken Armen einrichten laſſen, und zwar alles ſo gut, ſo ſauber und bequem, daß ſie fuͤr ihre eigne Perſon ſich derſelben jedesmal bedient. So duͤrfen nun die armen geplagten nicht mehr den Abhub der Reichen kuͤmmerlich

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/346>, abgerufen am 22.11.2024.