tzen. -- Ei, Sie sagen das einem Arzt! -- Ja wohl; eben darum denke ich, können die Frauen vortreffliche Wärterinnen und Verpflege- rinnen, weniger aber Arzt seyn. Dieser muß auch die härtesten Mittel nicht scheuen, um das Uebel zu verderben; jene würden aus Mitgefühl des äußern Leidens nichts entscheidendes thun können. -- Darin liegt etwas wahres. Doch sind fromme Stiftungen von unglücklichen Män- nern errichtet worden. -- Jmmer werden diese doch mehr das Gepräge des wilden, herben Schmerzens tragen, werden eigentlich mehr für Büßende als für Leidende taugen. Erinnern Sie sich des Mannes, der den strengsten aller Orden gestiftet! Auf dem Gipfel der Hoffnung seiner glühenden Liebe von einem vernichtenden Schlage getroffen, indem er die Geliebte todt unter den Händen der Wundärzte antraf, die ihren von einer entsetzlichen Krankheit entstellten Körper öffneten, als er eben von einer Reise zu- rückkommend, sich durch eine geheime Thür mit Vorsicht und Ungeduld einfchlich, um sie mit seiner unerwarteten Erscheinung freudig zu über-
tzen. — Ei, Sie ſagen das einem Arzt! — Ja wohl; eben darum denke ich, koͤnnen die Frauen vortreffliche Waͤrterinnen und Verpflege- rinnen, weniger aber Arzt ſeyn. Dieſer muß auch die haͤrteſten Mittel nicht ſcheuen, um das Uebel zu verderben; jene wuͤrden aus Mitgefuͤhl des aͤußern Leidens nichts entſcheidendes thun koͤnnen. — Darin liegt etwas wahres. Doch ſind fromme Stiftungen von ungluͤcklichen Maͤn- nern errichtet worden. — Jmmer werden dieſe doch mehr das Gepraͤge des wilden, herben Schmerzens tragen, werden eigentlich mehr fuͤr Buͤßende als fuͤr Leidende taugen. Erinnern Sie ſich des Mannes, der den ſtrengſten aller Orden geſtiftet! Auf dem Gipfel der Hoffnung ſeiner gluͤhenden Liebe von einem vernichtenden Schlage getroffen, indem er die Geliebte todt unter den Haͤnden der Wundaͤrzte antraf, die ihren von einer entſetzlichen Krankheit entſtellten Koͤrper oͤffneten, als er eben von einer Reiſe zu- ruͤckkommend, ſich durch eine geheime Thuͤr mit Vorſicht und Ungeduld einfchlich, um ſie mit ſeiner unerwarteten Erſcheinung freudig zu uͤber-
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tzen. — Ei, Sie ſagen das einem Arzt! —
Ja wohl; eben darum denke ich, koͤnnen die
Frauen vortreffliche Waͤrterinnen und Verpflege-
rinnen, weniger aber Arzt ſeyn. Dieſer muß
auch die haͤrteſten Mittel nicht ſcheuen, um das
Uebel zu verderben; jene wuͤrden aus Mitgefuͤhl
des aͤußern Leidens nichts entſcheidendes thun
koͤnnen. — Darin liegt etwas wahres. Doch
ſind fromme Stiftungen von ungluͤcklichen Maͤn-
nern errichtet worden. — Jmmer werden dieſe
doch mehr das Gepraͤge des wilden, herben
Schmerzens tragen, werden eigentlich mehr fuͤr
Buͤßende als fuͤr Leidende taugen. Erinnern
Sie ſich des Mannes, der den ſtrengſten aller
Orden geſtiftet! Auf dem Gipfel der Hoffnung
ſeiner gluͤhenden Liebe von einem vernichtenden
Schlage getroffen, indem er die Geliebte todt
unter den Haͤnden der Wundaͤrzte antraf, die
ihren von einer entſetzlichen Krankheit entſtellten
Koͤrper oͤffneten, als er eben von einer Reiſe zu-
ruͤckkommend, ſich durch eine geheime Thuͤr mit
Vorſicht und Ungeduld einfchlich, um ſie mit
ſeiner unerwarteten Erſcheinung freudig zu uͤber-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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