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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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man nur die erhabene Haltung wahrnehmen
konnte, auch das Gesicht war ganz davon
verdeckt; in der einen Hand, die sich auf
Betty stützte, hielt sie ein weißes Tuch, die
andre trug herabhängend eine Rolle. So
wankte sie, sichtbar ermattet, vor Florentin
vorüber, ohne ihn wahrzunehmen, ihre Au-
gen blieben fest am Boden geheftet. Neben
dem Monument war ein halbvergitterter Sitz[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
dort setzte sie sich; Betty und einige junge
Mädchen, die ihr gefolgt waren, bemühten
sich geschäftig um sie her; diese entfernten
sich, und Clementine blieb allein. Sie hatte
ihren Schleyer aufgeschlagen, und sah die
Blätter durch, die nun aufgerollt vor ihr
lagen. Jhr Gesicht zeigte mehr als Reste
ehmallger erhabener Schönheit; die Züge
standen im reinsten, edelsten Verhältniß, aber
eine Marmorblässe bedeckte sie. Waren ihre
Augen unter den schöngewölbten Liedern ge-
senkt, so schien sie mit der leuchtenden Stirn,
den bleichen, mit den Spuren des Grams
nur leicht gezeichneten Wangen, und den fei-
nen, fest geschloßnen, farblosen Lippen, nicht

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man nur die erhabene Haltung wahrnehmen
konnte, auch das Geſicht war ganz davon
verdeckt; in der einen Hand, die ſich auf
Betty ſtuͤtzte, hielt ſie ein weißes Tuch, die
andre trug herabhaͤngend eine Rolle. So
wankte ſie, ſichtbar ermattet, vor Florentin
voruͤber, ohne ihn wahrzunehmen, ihre Au-
gen blieben feſt am Boden geheftet. Neben
dem Monument war ein halbvergitterter Sitz[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
dort ſetzte ſie ſich; Betty und einige junge
Maͤdchen, die ihr gefolgt waren, bemuͤhten
ſich geſchaͤftig um ſie her; dieſe entfernten
ſich, und Clementine blieb allein. Sie hatte
ihren Schleyer aufgeſchlagen, und ſah die
Blaͤtter durch, die nun aufgerollt vor ihr
lagen. Jhr Geſicht zeigte mehr als Reſte
ehmallger erhabener Schoͤnheit; die Zuͤge
ſtanden im reinſten, edelſten Verhaͤltniß, aber
eine Marmorblaͤſſe bedeckte ſie. Waren ihre
Augen unter den ſchoͤngewoͤlbten Liedern ge-
ſenkt, ſo ſchien ſie mit der leuchtenden Stirn,
den bleichen, mit den Spuren des Grams
nur leicht gezeichneten Wangen, und den fei-
nen, feſt geſchloßnen, farbloſen Lippen, nicht

(24) [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
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[371/0379] man nur die erhabene Haltung wahrnehmen konnte, auch das Geſicht war ganz davon verdeckt; in der einen Hand, die ſich auf Betty ſtuͤtzte, hielt ſie ein weißes Tuch, die andre trug herabhaͤngend eine Rolle. So wankte ſie, ſichtbar ermattet, vor Florentin voruͤber, ohne ihn wahrzunehmen, ihre Au- gen blieben feſt am Boden geheftet. Neben dem Monument war ein halbvergitterter Sitz_ dort ſetzte ſie ſich; Betty und einige junge Maͤdchen, die ihr gefolgt waren, bemuͤhten ſich geſchaͤftig um ſie her; dieſe entfernten ſich, und Clementine blieb allein. Sie hatte ihren Schleyer aufgeſchlagen, und ſah die Blaͤtter durch, die nun aufgerollt vor ihr lagen. Jhr Geſicht zeigte mehr als Reſte ehmallger erhabener Schoͤnheit; die Zuͤge ſtanden im reinſten, edelſten Verhaͤltniß, aber eine Marmorblaͤſſe bedeckte ſie. Waren ihre Augen unter den ſchoͤngewoͤlbten Liedern ge- ſenkt, ſo ſchien ſie mit der leuchtenden Stirn, den bleichen, mit den Spuren des Grams nur leicht gezeichneten Wangen, und den fei- nen, feſt geſchloßnen, farbloſen Lippen, nicht (24) _

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/379>, abgerufen am 18.05.2024.