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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Vorrede.
meinen Verständnisse etwas sofort zugänglich, was ohne
ihn jahrelange Bemühungen höchstens für Einzelne
aufzuklären vermochten. Ich erinnere an die paren-
chymatöse Entzündung, an Thrombose und Embolie,
an Leukämie und Ichorrhämie, an osteoides und
Schleimgewebe, an käsige und amyloide Metamorphose,
an die Substitution der Gewebe. Neue Namen sind
nicht zu vermeiden, wo es sich um thatsächliche Be-
reicherungen des erfahrungsmässigen Wissens handelt.

Auf der anderen Seite hat man es mir schon öfters
zum Vorwurfe gemacht, dass ich die moderne An-
schauung auf veraltete Standpunkte zurückzuschrauben
bemüht sei. Hier kann ich wohl mit gutem Gewissen
sagen, dass ich eben so wenig die Tendenz habe, den
Galen oder den Paracelsus zu rehabilitiren, als ich
mich davor scheue, das, was in ihren Anschauungen
und Erfahrungen wahr ist, offen anzuerkennen. In der
That finde ich nicht bloss, dass im Alterthum und im
Mittelalter die Sinne der Aerzte nicht überall durch
überlieferte Vorurtheile gefesselt wurden, sondern noch
mehr, dass der gesunde Menschenverstand im Volke
an gewissen Wahrheiten festgehalten hat, trotzdem dass
die gelehrte Kritik sie für überwunden erklärt. Was
sollte mich abhalten, zu gestehen, dass die gelehrte
Kritik nicht immer wahr, das System nicht immer
Natur gewesen ist, dass die falsche Deutung nicht die
Richtigkeit der Beobachtung beeinträchtigt? warum
sollte ich nicht gute Ausdrücke erhalten oder wieder-
herstellen, trotzdem dass man falsche Vorstellungen
daran geknüpft hat? Meine Erfahrungen nöthigen mich,
die Bezeichnung der Wallung (Fluxion) für besser zu
halten, als die der Congestion; ich kann nicht umhin,
die Entzündung als eine bestimmte Erscheinungsform

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meinen Verständnisse etwas sofort zugänglich, was ohne
ihn jahrelange Bemühungen höchstens für Einzelne
aufzuklären vermochten. Ich erinnere an die paren-
chymatöse Entzündung, an Thrombose und Embolie,
an Leukämie und Ichorrhämie, an osteoides und
Schleimgewebe, an käsige und amyloide Metamorphose,
an die Substitution der Gewebe. Neue Namen sind
nicht zu vermeiden, wo es sich um thatsächliche Be-
reicherungen des erfahrungsmässigen Wissens handelt.

Auf der anderen Seite hat man es mir schon öfters
zum Vorwurfe gemacht, dass ich die moderne An-
schauung auf veraltete Standpunkte zurückzuschrauben
bemüht sei. Hier kann ich wohl mit gutem Gewissen
sagen, dass ich eben so wenig die Tendenz habe, den
Galen oder den Paracelsus zu rehabilitiren, als ich
mich davor scheue, das, was in ihren Anschauungen
und Erfahrungen wahr ist, offen anzuerkennen. In der
That finde ich nicht bloss, dass im Alterthum und im
Mittelalter die Sinne der Aerzte nicht überall durch
überlieferte Vorurtheile gefesselt wurden, sondern noch
mehr, dass der gesunde Menschenverstand im Volke
an gewissen Wahrheiten festgehalten hat, trotzdem dass
die gelehrte Kritik sie für überwunden erklärt. Was
sollte mich abhalten, zu gestehen, dass die gelehrte
Kritik nicht immer wahr, das System nicht immer
Natur gewesen ist, dass die falsche Deutung nicht die
Richtigkeit der Beobachtung beeinträchtigt? warum
sollte ich nicht gute Ausdrücke erhalten oder wieder-
herstellen, trotzdem dass man falsche Vorstellungen
daran geknüpft hat? Meine Erfahrungen nöthigen mich,
die Bezeichnung der Wallung (Fluxion) für besser zu
halten, als die der Congestion; ich kann nicht umhin,
die Entzündung als eine bestimmte Erscheinungsform

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[VII/0013] Vorrede. meinen Verständnisse etwas sofort zugänglich, was ohne ihn jahrelange Bemühungen höchstens für Einzelne aufzuklären vermochten. Ich erinnere an die paren- chymatöse Entzündung, an Thrombose und Embolie, an Leukämie und Ichorrhämie, an osteoides und Schleimgewebe, an käsige und amyloide Metamorphose, an die Substitution der Gewebe. Neue Namen sind nicht zu vermeiden, wo es sich um thatsächliche Be- reicherungen des erfahrungsmässigen Wissens handelt. Auf der anderen Seite hat man es mir schon öfters zum Vorwurfe gemacht, dass ich die moderne An- schauung auf veraltete Standpunkte zurückzuschrauben bemüht sei. Hier kann ich wohl mit gutem Gewissen sagen, dass ich eben so wenig die Tendenz habe, den Galen oder den Paracelsus zu rehabilitiren, als ich mich davor scheue, das, was in ihren Anschauungen und Erfahrungen wahr ist, offen anzuerkennen. In der That finde ich nicht bloss, dass im Alterthum und im Mittelalter die Sinne der Aerzte nicht überall durch überlieferte Vorurtheile gefesselt wurden, sondern noch mehr, dass der gesunde Menschenverstand im Volke an gewissen Wahrheiten festgehalten hat, trotzdem dass die gelehrte Kritik sie für überwunden erklärt. Was sollte mich abhalten, zu gestehen, dass die gelehrte Kritik nicht immer wahr, das System nicht immer Natur gewesen ist, dass die falsche Deutung nicht die Richtigkeit der Beobachtung beeinträchtigt? warum sollte ich nicht gute Ausdrücke erhalten oder wieder- herstellen, trotzdem dass man falsche Vorstellungen daran geknüpft hat? Meine Erfahrungen nöthigen mich, die Bezeichnung der Wallung (Fluxion) für besser zu halten, als die der Congestion; ich kann nicht umhin, die Entzündung als eine bestimmte Erscheinungsform

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/13>, abgerufen am 21.11.2024.