Beziehung sowohl auf die Zucker-, als auf die Gallenbildung darunter nichts anderes meinen, als die Thätigkeit der einzel- nen Theile (Zellen); und zwar eine Thätigkeit, die darin be- steht, dass sie aus dem vorüberströmenden Blute Stoffe an- ziehen, diese Stoffe in sich umsetzen und in dieser umgesetzten Form entweder an das Blut wieder zurückgeben, oder in Form von Galle den Gallengängen überliefern.
Ich verlange nun für die Cellularpathologie nichts weiter, als dass diese Auffassung, welche für die grossen Secretions- Organe nicht vermieden werden kann, auch auf die kleineren Organe und kleineren Elemente angewendet werde, dass z. B. einer Epidermiszelle, einer Linsenfaser, einer Knorpelzelle auch bis zu einem gewissen Maasse die Möglichkeit zugestanden werde, aus den nächsten Gefässen, wenn auch nicht direct, sondern oft durch eine weite Transmission, je nach ihrem be- sonderen Bedürfnisse gewisse Quantitäten von Material zu be- ziehen, und nachdem sie dasselbe in sich aufgenommen haben, es in sich weiter umzusetzen, so zwar, dass entweder die Zelle für ihre eigene Entwickelung daraus neues Material schöpft, oder dass die Substanzen im Innern sich aufhäufen, ohne dass die Zelle davon unmittelbar profitirt, oder endlich, dass nach der Aufnahme selbst ein Zerfallen der Zelleneinrich- tung geschehen und ein Untergang der Zelle eintreten kann. Immerhin aber scheint es mir nothwendig zu sein, dieser specifischen Action der Elemente, gegenüber der speci- fischen Action der Gefässe, eine überwiegende Bedeutung bei- zulegen, und das Studium der localen Prozesse ihrem wesent- lichen Theile nach auf die Erforschung dieser Art von Vor- gängen zu richten.
Es wird nun, wie ich glaube, am zweckmässigsten sein, dass wir zunächst etwas genauer eingehen auf die eigentliche Grundlage der humoralpathologischen Systeme, auf das Studium der sogenannten edleren Säfte. Wenn Sie das Blut in sei- ner normalen Wirkung ins Auge fassen, so handelt es sich nicht so wesentlich um seine Bewegung, um das Mehr oder Weniger von Zuströmen, sondern um seine innere Zusammen- setzung. Bei einer grossen Masse von Blut kann die Ernäh-
Stoffanziehung als Action der Elemente.
Beziehung sowohl auf die Zucker-, als auf die Gallenbildung darunter nichts anderes meinen, als die Thätigkeit der einzel- nen Theile (Zellen); und zwar eine Thätigkeit, die darin be- steht, dass sie aus dem vorüberströmenden Blute Stoffe an- ziehen, diese Stoffe in sich umsetzen und in dieser umgesetzten Form entweder an das Blut wieder zurückgeben, oder in Form von Galle den Gallengängen überliefern.
Ich verlange nun für die Cellularpathologie nichts weiter, als dass diese Auffassung, welche für die grossen Secretions- Organe nicht vermieden werden kann, auch auf die kleineren Organe und kleineren Elemente angewendet werde, dass z. B. einer Epidermiszelle, einer Linsenfaser, einer Knorpelzelle auch bis zu einem gewissen Maasse die Möglichkeit zugestanden werde, aus den nächsten Gefässen, wenn auch nicht direct, sondern oft durch eine weite Transmission, je nach ihrem be- sonderen Bedürfnisse gewisse Quantitäten von Material zu be- ziehen, und nachdem sie dasselbe in sich aufgenommen haben, es in sich weiter umzusetzen, so zwar, dass entweder die Zelle für ihre eigene Entwickelung daraus neues Material schöpft, oder dass die Substanzen im Innern sich aufhäufen, ohne dass die Zelle davon unmittelbar profitirt, oder endlich, dass nach der Aufnahme selbst ein Zerfallen der Zelleneinrich- tung geschehen und ein Untergang der Zelle eintreten kann. Immerhin aber scheint es mir nothwendig zu sein, dieser specifischen Action der Elemente, gegenüber der speci- fischen Action der Gefässe, eine überwiegende Bedeutung bei- zulegen, und das Studium der localen Prozesse ihrem wesent- lichen Theile nach auf die Erforschung dieser Art von Vor- gängen zu richten.
Es wird nun, wie ich glaube, am zweckmässigsten sein, dass wir zunächst etwas genauer eingehen auf die eigentliche Grundlage der humoralpathologischen Systeme, auf das Studium der sogenannten edleren Säfte. Wenn Sie das Blut in sei- ner normalen Wirkung ins Auge fassen, so handelt es sich nicht so wesentlich um seine Bewegung, um das Mehr oder Weniger von Zuströmen, sondern um seine innere Zusammen- setzung. Bei einer grossen Masse von Blut kann die Ernäh-
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Stoffanziehung als Action der Elemente.
Beziehung sowohl auf die Zucker-, als auf die Gallenbildung
darunter nichts anderes meinen, als die Thätigkeit der einzel-
nen Theile (Zellen); und zwar eine Thätigkeit, die darin be-
steht, dass sie aus dem vorüberströmenden Blute Stoffe an-
ziehen, diese Stoffe in sich umsetzen und in dieser umgesetzten
Form entweder an das Blut wieder zurückgeben, oder in Form
von Galle den Gallengängen überliefern.
Ich verlange nun für die Cellularpathologie nichts weiter,
als dass diese Auffassung, welche für die grossen Secretions-
Organe nicht vermieden werden kann, auch auf die kleineren
Organe und kleineren Elemente angewendet werde, dass z. B.
einer Epidermiszelle, einer Linsenfaser, einer Knorpelzelle auch
bis zu einem gewissen Maasse die Möglichkeit zugestanden
werde, aus den nächsten Gefässen, wenn auch nicht direct,
sondern oft durch eine weite Transmission, je nach ihrem be-
sonderen Bedürfnisse gewisse Quantitäten von Material zu be-
ziehen, und nachdem sie dasselbe in sich aufgenommen haben,
es in sich weiter umzusetzen, so zwar, dass entweder die
Zelle für ihre eigene Entwickelung daraus neues Material
schöpft, oder dass die Substanzen im Innern sich aufhäufen,
ohne dass die Zelle davon unmittelbar profitirt, oder endlich,
dass nach der Aufnahme selbst ein Zerfallen der Zelleneinrich-
tung geschehen und ein Untergang der Zelle eintreten kann.
Immerhin aber scheint es mir nothwendig zu sein, dieser
specifischen Action der Elemente, gegenüber der speci-
fischen Action der Gefässe, eine überwiegende Bedeutung bei-
zulegen, und das Studium der localen Prozesse ihrem wesent-
lichen Theile nach auf die Erforschung dieser Art von Vor-
gängen zu richten.
Es wird nun, wie ich glaube, am zweckmässigsten sein,
dass wir zunächst etwas genauer eingehen auf die eigentliche
Grundlage der humoralpathologischen Systeme, auf das Studium
der sogenannten edleren Säfte. Wenn Sie das Blut in sei-
ner normalen Wirkung ins Auge fassen, so handelt es sich
nicht so wesentlich um seine Bewegung, um das Mehr oder
Weniger von Zuströmen, sondern um seine innere Zusammen-
setzung. Bei einer grossen Masse von Blut kann die Ernäh-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/139>, abgerufen am 23.11.2024.
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