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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebente Vorlesung.
[Abbildung] Fig. 54.
über, und wir finden an der Stelle, wo das Ei gelegen war,
die schön hochrothe Farbe der Hämatoidin-Krystalle, welche
als die letzten Gedenksteine dieser Episode übrig geblieben
sind. Auf diese Weise können wir die Zahl der apoplectischen
Anfälle zählen, und berechnen, wie oft ein junges Mädchen
menstruirt hatte. Jede Extravasation lässt ihr kleines Con-
tingent von Hämatoidin-Krystallen zurück, und diese, wenn sie
einmal gebildet sind, bleiben als vollständig widerstandsfähige,
compacte Körper im Innern der Organe liegen.

Was nun die Eigenthümlichkeiten des Hämatoidins betrifft,
so hat es theoretisch noch ein besonderes Interesse dadurch,
dass es in seinen ausgebildeten Krystallisationszuständen eine
Reihe von Eigenschaften darbietet, welche es als den einzigen,
im Körper wenigstens bis jetzt bekannten, mit dem Gallenfarb-
stoffe (Cholepyrrhin) verwandten Stoff erscheinen lassen. Durch
directe Behandlung mit Mineralsäuren oder nach vorherigem
Behandeln und Aufschliessen vermittelst Alkalien bekommt man
dieselben oder ganz ähnliche Farben-Reactionen, wie man sie
durch Behandlung mit Mineralsäuren an dem Gallenfarbstoff
erlangt, und es scheint auch nach anderen Thatsachen, dass hier
ein Körper vorliegt, welcher mit dem Gallenfarbstoff sehr nahe
verwandt ist. Dies ist darum so interessant, weil man vermu-

[Abbildung] Fig. 54.

Pigment aus einer apoplectischen Narbe des Gehirns (Ar-
chiv Bd. I. S. 401. 454. Taf. III. Fig. 7). a in der Entfärbung begrif-
fene, körnig gewordene Blutkörperchen. b Zellen der Neuroglia, zum
Theil mit körnigem und krystallinischem Pigment versehen. c Pigment-
körner. d Hämatoidin-Krystalle. f verödetes Gefäss, sein altes Lumen
mit körnigem und krystallinischem rothem Pigment erfüllt. Vergr. 300.

Siebente Vorlesung.
[Abbildung] Fig. 54.
über, und wir finden an der Stelle, wo das Ei gelegen war,
die schön hochrothe Farbe der Hämatoidin-Krystalle, welche
als die letzten Gedenksteine dieser Episode übrig geblieben
sind. Auf diese Weise können wir die Zahl der apoplectischen
Anfälle zählen, und berechnen, wie oft ein junges Mädchen
menstruirt hatte. Jede Extravasation lässt ihr kleines Con-
tingent von Hämatoidin-Krystallen zurück, und diese, wenn sie
einmal gebildet sind, bleiben als vollständig widerstandsfähige,
compacte Körper im Innern der Organe liegen.

Was nun die Eigenthümlichkeiten des Hämatoidins betrifft,
so hat es theoretisch noch ein besonderes Interesse dadurch,
dass es in seinen ausgebildeten Krystallisationszuständen eine
Reihe von Eigenschaften darbietet, welche es als den einzigen,
im Körper wenigstens bis jetzt bekannten, mit dem Gallenfarb-
stoffe (Cholepyrrhin) verwandten Stoff erscheinen lassen. Durch
directe Behandlung mit Mineralsäuren oder nach vorherigem
Behandeln und Aufschliessen vermittelst Alkalien bekommt man
dieselben oder ganz ähnliche Farben-Reactionen, wie man sie
durch Behandlung mit Mineralsäuren an dem Gallenfarbstoff
erlangt, und es scheint auch nach anderen Thatsachen, dass hier
ein Körper vorliegt, welcher mit dem Gallenfarbstoff sehr nahe
verwandt ist. Dies ist darum so interessant, weil man vermu-

[Abbildung] Fig. 54.

Pigment aus einer apoplectischen Narbe des Gehirns (Ar-
chiv Bd. I. S. 401. 454. Taf. III. Fig. 7). a in der Entfärbung begrif-
fene, körnig gewordene Blutkörperchen. b Zellen der Neuroglia, zum
Theil mit körnigem und krystallinischem Pigment versehen. c Pigment-
körner. d Hämatoidin-Krystalle. f verödetes Gefäss, sein altes Lumen
mit körnigem und krystallinischem rothem Pigment erfüllt. Vergr. 300.

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[130/0152] Siebente Vorlesung. [Abbildung Fig. 54.] über, und wir finden an der Stelle, wo das Ei gelegen war, die schön hochrothe Farbe der Hämatoidin-Krystalle, welche als die letzten Gedenksteine dieser Episode übrig geblieben sind. Auf diese Weise können wir die Zahl der apoplectischen Anfälle zählen, und berechnen, wie oft ein junges Mädchen menstruirt hatte. Jede Extravasation lässt ihr kleines Con- tingent von Hämatoidin-Krystallen zurück, und diese, wenn sie einmal gebildet sind, bleiben als vollständig widerstandsfähige, compacte Körper im Innern der Organe liegen. Was nun die Eigenthümlichkeiten des Hämatoidins betrifft, so hat es theoretisch noch ein besonderes Interesse dadurch, dass es in seinen ausgebildeten Krystallisationszuständen eine Reihe von Eigenschaften darbietet, welche es als den einzigen, im Körper wenigstens bis jetzt bekannten, mit dem Gallenfarb- stoffe (Cholepyrrhin) verwandten Stoff erscheinen lassen. Durch directe Behandlung mit Mineralsäuren oder nach vorherigem Behandeln und Aufschliessen vermittelst Alkalien bekommt man dieselben oder ganz ähnliche Farben-Reactionen, wie man sie durch Behandlung mit Mineralsäuren an dem Gallenfarbstoff erlangt, und es scheint auch nach anderen Thatsachen, dass hier ein Körper vorliegt, welcher mit dem Gallenfarbstoff sehr nahe verwandt ist. Dies ist darum so interessant, weil man vermu- [Abbildung Fig. 54. Pigment aus einer apoplectischen Narbe des Gehirns (Ar- chiv Bd. I. S. 401. 454. Taf. III. Fig. 7). a in der Entfärbung begrif- fene, körnig gewordene Blutkörperchen. b Zellen der Neuroglia, zum Theil mit körnigem und krystallinischem Pigment versehen. c Pigment- körner. d Hämatoidin-Krystalle. f verödetes Gefäss, sein altes Lumen mit körnigem und krystallinischem rothem Pigment erfüllt. Vergr. 300.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/152>, abgerufen am 24.11.2024.