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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Transsudation des Fibrins.
nach ihrer Entleerung coagulirt. Fängt man die Flüssigkeit
einer Vesicatorblase in einem Uhrschälchen auf und lässt sie
an der Luft stehen, so bildet sich ein Coagulum; es ist also
fibrinogene Substanz in der Flüssigkeit. Nun giebt es aber
zuweilen Zustände des Körpers, wo ein äusserlicher Reiz genügt,
um Blasen mit direct coagulirender Flüssigkeit hervorzurufen.
Ich habe z. B. im vorigen Winter einen Kranken auf meiner
Abtheilung gehabt, welcher von einer Erfrierung der Füsse eine
Anästhesie zurückbehielt, wogegen ich unter Anderem locale
Bäder mit Königswasser anwendete. Nach einer gewissen Zahl
solcher Bäder bildeten sich jedesmal an den anästhetischen Stellen
der Fusssohle Blasen bis zu einem Durchmesser von zwei Zoll,
welche bei ihrer Eröffnung sich mit grossen gallertigen Mas-
sen von Coagulum erfüllt zeigten. Bei anderen Menschen hät-
ten sich wahrscheinlich einfache Blasen gebildet, mit einer
Flüssigkeit, die erst nach dem Herauslassen erstarrt wäre.
Diese Verschiedenheit liegt offenbar in der Verschiedenheit nicht
der Blutmischung, sondern der örtlichen Disposition. Die Differenz
zwischen der Form von Pleuritis, welche von Anfang an coa-
gulable und coagulirende Substanzen liefert, und der, wo coa-
gulable, aber nicht coagulirende Flüssigkeiten austreten, weist
gewiss auf Besonderheiten der localen Reizung hin.

Ich glaube also nicht, dass man berechtigt ist zu schliessen,
dass Jemand, der mehr Fibrin im Blute hat, damit auch eine
grössere Neigung zu fibrinöser Transsudation besitze; vielmehr
erwarte ich, dass bei einem Kranken, der an einem bestimmten
Orte sehr viel fibrinbildende Substanz producirt, von diesem Orte
aus viel davon in die Lymphe und endlich in das Blut über-
gehen wird. Man kann also das Exsudat in solchen Fällen
betrachten als den Ueberschuss des in loco gebildeten Fibrins,
für dessen Entfernung die Lymphcirculation nicht genügte.
So lange der Lymphstrom ausreicht, wird Alles, was in dem
gereizten Theil an fremdartigen Stoffen gebildet wird, auch dem
Blute zugeführt; sobald die örtliche Production über dies Maass
hinausschreitet, häufen sich die Producte an, und neben der
Hyperinose wird auch eine örtliche Ansammlung von fibri-
nösem Exsudat stattfinden. Bei der Kürze der Zeit, die uns
zugeme[s]sen ist, können wir diese Frage nicht in ihrer ganzen

Transsudation des Fibrins.
nach ihrer Entleerung coagulirt. Fängt man die Flüssigkeit
einer Vesicatorblase in einem Uhrschälchen auf und lässt sie
an der Luft stehen, so bildet sich ein Coagulum; es ist also
fibrinogene Substanz in der Flüssigkeit. Nun giebt es aber
zuweilen Zustände des Körpers, wo ein äusserlicher Reiz genügt,
um Blasen mit direct coagulirender Flüssigkeit hervorzurufen.
Ich habe z. B. im vorigen Winter einen Kranken auf meiner
Abtheilung gehabt, welcher von einer Erfrierung der Füsse eine
Anästhesie zurückbehielt, wogegen ich unter Anderem locale
Bäder mit Königswasser anwendete. Nach einer gewissen Zahl
solcher Bäder bildeten sich jedesmal an den anästhetischen Stellen
der Fusssohle Blasen bis zu einem Durchmesser von zwei Zoll,
welche bei ihrer Eröffnung sich mit grossen gallertigen Mas-
sen von Coagulum erfüllt zeigten. Bei anderen Menschen hät-
ten sich wahrscheinlich einfache Blasen gebildet, mit einer
Flüssigkeit, die erst nach dem Herauslassen erstarrt wäre.
Diese Verschiedenheit liegt offenbar in der Verschiedenheit nicht
der Blutmischung, sondern der örtlichen Disposition. Die Differenz
zwischen der Form von Pleuritis, welche von Anfang an coa-
gulable und coagulirende Substanzen liefert, und der, wo coa-
gulable, aber nicht coagulirende Flüssigkeiten austreten, weist
gewiss auf Besonderheiten der localen Reizung hin.

Ich glaube also nicht, dass man berechtigt ist zu schliessen,
dass Jemand, der mehr Fibrin im Blute hat, damit auch eine
grössere Neigung zu fibrinöser Transsudation besitze; vielmehr
erwarte ich, dass bei einem Kranken, der an einem bestimmten
Orte sehr viel fibrinbildende Substanz producirt, von diesem Orte
aus viel davon in die Lymphe und endlich in das Blut über-
gehen wird. Man kann also das Exsudat in solchen Fällen
betrachten als den Ueberschuss des in loco gebildeten Fibrins,
für dessen Entfernung die Lymphcirculation nicht genügte.
So lange der Lymphstrom ausreicht, wird Alles, was in dem
gereizten Theil an fremdartigen Stoffen gebildet wird, auch dem
Blute zugeführt; sobald die örtliche Production über dies Maass
hinausschreitet, häufen sich die Producte an, und neben der
Hyperinose wird auch eine örtliche Ansammlung von fibri-
nösem Exsudat stattfinden. Bei der Kürze der Zeit, die uns
zugeme[s]sen ist, können wir diese Frage nicht in ihrer ganzen

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[149/0171] Transsudation des Fibrins. nach ihrer Entleerung coagulirt. Fängt man die Flüssigkeit einer Vesicatorblase in einem Uhrschälchen auf und lässt sie an der Luft stehen, so bildet sich ein Coagulum; es ist also fibrinogene Substanz in der Flüssigkeit. Nun giebt es aber zuweilen Zustände des Körpers, wo ein äusserlicher Reiz genügt, um Blasen mit direct coagulirender Flüssigkeit hervorzurufen. Ich habe z. B. im vorigen Winter einen Kranken auf meiner Abtheilung gehabt, welcher von einer Erfrierung der Füsse eine Anästhesie zurückbehielt, wogegen ich unter Anderem locale Bäder mit Königswasser anwendete. Nach einer gewissen Zahl solcher Bäder bildeten sich jedesmal an den anästhetischen Stellen der Fusssohle Blasen bis zu einem Durchmesser von zwei Zoll, welche bei ihrer Eröffnung sich mit grossen gallertigen Mas- sen von Coagulum erfüllt zeigten. Bei anderen Menschen hät- ten sich wahrscheinlich einfache Blasen gebildet, mit einer Flüssigkeit, die erst nach dem Herauslassen erstarrt wäre. Diese Verschiedenheit liegt offenbar in der Verschiedenheit nicht der Blutmischung, sondern der örtlichen Disposition. Die Differenz zwischen der Form von Pleuritis, welche von Anfang an coa- gulable und coagulirende Substanzen liefert, und der, wo coa- gulable, aber nicht coagulirende Flüssigkeiten austreten, weist gewiss auf Besonderheiten der localen Reizung hin. Ich glaube also nicht, dass man berechtigt ist zu schliessen, dass Jemand, der mehr Fibrin im Blute hat, damit auch eine grössere Neigung zu fibrinöser Transsudation besitze; vielmehr erwarte ich, dass bei einem Kranken, der an einem bestimmten Orte sehr viel fibrinbildende Substanz producirt, von diesem Orte aus viel davon in die Lymphe und endlich in das Blut über- gehen wird. Man kann also das Exsudat in solchen Fällen betrachten als den Ueberschuss des in loco gebildeten Fibrins, für dessen Entfernung die Lymphcirculation nicht genügte. So lange der Lymphstrom ausreicht, wird Alles, was in dem gereizten Theil an fremdartigen Stoffen gebildet wird, auch dem Blute zugeführt; sobald die örtliche Production über dies Maass hinausschreitet, häufen sich die Producte an, und neben der Hyperinose wird auch eine örtliche Ansammlung von fibri- nösem Exsudat stattfinden. Bei der Kürze der Zeit, die uns zugemessen ist, können wir diese Frage nicht in ihrer ganzen

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/171>, abgerufen am 24.11.2024.