Ausdehnung verfolgen, indessen hoffe ich, dass Sie wenigstens den Grundgedanken, der mich hier geleitet hat, vollständig übersehen. Auch hier finden wir wieder jene Abhängigkeit der Dyscrasie von der örtlichen Krankheit, welche ich schon neulich als den wesentlichsten Gewinn aller unserer Unter- suchungen über das Blut hingestellt habe.
Es ist nun eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, welche gerade für diese Auffassung von Bedeutung ist, dass sehr sel- ten eine erhebliche Vermehrung des Fibrins Statt findet ohne gleichzeitige Vermehrung der farblosen Blutkörperchen, dass also die beiden wesentlichen Bestand- theile, welche wir in der Lymphflüssigkeit finden, auch im Blute wiederkehren. In jedem Falle einer Hyperinose kann man auf eine Vermehrung der farblosen Körperchen rechnen, oder, anders ausgedrückt, jede Reizung eines Theiles, welcher mit Lymphgefässen reichlich versehen ist und mit Lymphdrü- sen in einer ausgiebigen Verbindung steht, bedingt auch die Einfuhr grosser Massen farbloser Zellen (Lymphkörperchen) ins Blut.
Diese Thatsache ist besonders interessant insofern, als Sie daraus begreifen werden, dass nicht bloss Organe, welche reich versehen sind mit Lymphgefässen, diese Vermehrung be- dingen können, sondern dass auch gewisse Prozesse eine grös- sere Fähigkeit besitzen, beträchtliche Mengen von diesen Ele- menten in das Blut zuführen, nämlich alle die, welche früh mit bedeutender Erkrankung des Lymphgefäss-Systems ver- bunden sind. Wenn Sie z. B. eine erysipelatöse oder eine dif- fuse phlegmonöse (nach Rust pseudoerysipelatöse) Entzündung in ihrer Wirkung auf das Blut vergleichen mit einer einfachen oberflächlichen Hautentzündung, wie sie im Verlauf der ge- wöhnlichen acuten Exantheme, nach traumatischen oder chemi- schen Einwirkungen auftritt, so werden Sie gleich sehen, wie gross die Differenz ist. Eine erysipelatöse und eine diffuse phlegmonöse Entzündung haben immer die Eigenthümlichkeit, frühzeitig die Lymphgefässe zu afficiren und Schwellungen der lymphatischen Drüsen hervorzubringen. In einem solchen Falle kann man darauf rechnen, dass eine Zunahme in der Zahl der farblosen Blutkörperchen stattfindet. Weiterhin ergibt
Achte Vorlesung.
Ausdehnung verfolgen, indessen hoffe ich, dass Sie wenigstens den Grundgedanken, der mich hier geleitet hat, vollständig übersehen. Auch hier finden wir wieder jene Abhängigkeit der Dyscrasie von der örtlichen Krankheit, welche ich schon neulich als den wesentlichsten Gewinn aller unserer Unter- suchungen über das Blut hingestellt habe.
Es ist nun eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, welche gerade für diese Auffassung von Bedeutung ist, dass sehr sel- ten eine erhebliche Vermehrung des Fibrins Statt findet ohne gleichzeitige Vermehrung der farblosen Blutkörperchen, dass also die beiden wesentlichen Bestand- theile, welche wir in der Lymphflüssigkeit finden, auch im Blute wiederkehren. In jedem Falle einer Hyperinose kann man auf eine Vermehrung der farblosen Körperchen rechnen, oder, anders ausgedrückt, jede Reizung eines Theiles, welcher mit Lymphgefässen reichlich versehen ist und mit Lymphdrü- sen in einer ausgiebigen Verbindung steht, bedingt auch die Einfuhr grosser Massen farbloser Zellen (Lymphkörperchen) ins Blut.
Diese Thatsache ist besonders interessant insofern, als Sie daraus begreifen werden, dass nicht bloss Organe, welche reich versehen sind mit Lymphgefässen, diese Vermehrung be- dingen können, sondern dass auch gewisse Prozesse eine grös- sere Fähigkeit besitzen, beträchtliche Mengen von diesen Ele- menten in das Blut zuführen, nämlich alle die, welche früh mit bedeutender Erkrankung des Lymphgefäss-Systems ver- bunden sind. Wenn Sie z. B. eine erysipelatöse oder eine dif- fuse phlegmonöse (nach Rust pseudoerysipelatöse) Entzündung in ihrer Wirkung auf das Blut vergleichen mit einer einfachen oberflächlichen Hautentzündung, wie sie im Verlauf der ge- wöhnlichen acuten Exantheme, nach traumatischen oder chemi- schen Einwirkungen auftritt, so werden Sie gleich sehen, wie gross die Differenz ist. Eine erysipelatöse und eine diffuse phlegmonöse Entzündung haben immer die Eigenthümlichkeit, frühzeitig die Lymphgefässe zu afficiren und Schwellungen der lymphatischen Drüsen hervorzubringen. In einem solchen Falle kann man darauf rechnen, dass eine Zunahme in der Zahl der farblosen Blutkörperchen stattfindet. Weiterhin ergibt
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Achte Vorlesung.
Ausdehnung verfolgen, indessen hoffe ich, dass Sie wenigstens
den Grundgedanken, der mich hier geleitet hat, vollständig
übersehen. Auch hier finden wir wieder jene Abhängigkeit
der Dyscrasie von der örtlichen Krankheit, welche ich schon
neulich als den wesentlichsten Gewinn aller unserer Unter-
suchungen über das Blut hingestellt habe.
Es ist nun eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, welche
gerade für diese Auffassung von Bedeutung ist, dass sehr sel-
ten eine erhebliche Vermehrung des Fibrins Statt
findet ohne gleichzeitige Vermehrung der farblosen
Blutkörperchen, dass also die beiden wesentlichen Bestand-
theile, welche wir in der Lymphflüssigkeit finden, auch im
Blute wiederkehren. In jedem Falle einer Hyperinose kann
man auf eine Vermehrung der farblosen Körperchen rechnen,
oder, anders ausgedrückt, jede Reizung eines Theiles, welcher
mit Lymphgefässen reichlich versehen ist und mit Lymphdrü-
sen in einer ausgiebigen Verbindung steht, bedingt auch die
Einfuhr grosser Massen farbloser Zellen (Lymphkörperchen)
ins Blut.
Diese Thatsache ist besonders interessant insofern, als
Sie daraus begreifen werden, dass nicht bloss Organe, welche
reich versehen sind mit Lymphgefässen, diese Vermehrung be-
dingen können, sondern dass auch gewisse Prozesse eine grös-
sere Fähigkeit besitzen, beträchtliche Mengen von diesen Ele-
menten in das Blut zuführen, nämlich alle die, welche früh
mit bedeutender Erkrankung des Lymphgefäss-Systems ver-
bunden sind. Wenn Sie z. B. eine erysipelatöse oder eine dif-
fuse phlegmonöse (nach Rust pseudoerysipelatöse) Entzündung
in ihrer Wirkung auf das Blut vergleichen mit einer einfachen
oberflächlichen Hautentzündung, wie sie im Verlauf der ge-
wöhnlichen acuten Exantheme, nach traumatischen oder chemi-
schen Einwirkungen auftritt, so werden Sie gleich sehen, wie
gross die Differenz ist. Eine erysipelatöse und eine diffuse
phlegmonöse Entzündung haben immer die Eigenthümlichkeit,
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Falle kann man darauf rechnen, dass eine Zunahme in der
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/172>, abgerufen am 21.11.2024.
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