so fällt damit schon von vornherein eine wesentliche Seite der Frage weg. Um indess einigermassen Klarheit in den Gegen- stand zu bringen, ist es nothwendig, dass man auf die ver- schiedenen Gesichtspunkte, welche hierbei in Betracht kommen, etwas genauer eingeht.
Die farblosen Blutkörperchen sind zum Verwechseln den Eiterkörperchen ähnlich, so dass, wenn man in einem bestimm- ten Objekte solche Elemente antrifft, man nie ohne Weiteres mit Sicherheit angeben kann, ob man es mit farblosen Blut- körperchen oder mit Eiterkörperchen zu thun hat. Früherhin, und zum Theil noch bis in unsere Zeit hinein, hatte man viel- fach die Ansicht, dass die Bestandtheile des Eiters im Blute präexistirten, dass der Eiter nur eine Art von Secret aus dem Blute sei, wie etwa der Harn, und dass er auch, wie eine ein- fache Flüssigkeit, in das Blut zurückkehren könne. Diese An- sicht erklärt ja die Auffassung, wie sie in der Lehre von der sogenannten physiologischen Eiterresorption sich so lange erhalten hat.
Man stellte sich vor, dass der Eiter von einzelnen Punk- ten her, an welchen er abgelagert war, wieder in das Blut aufgenommen werden könne, und dass dadurch eine günstige Wendung in der Krankheit eintrete, indem der aufgenommene Eiter endlich aus dem Körper entfernt werde. Man erzählte, dass bei einem Kranken mit Eiter im Pleurasacke die Resorp- tion des Eiters sich durch eitrigen Harn oder eitrigen Stuhl- gang entscheiden könne, ohne dass ein Durchbruch des Eiters von der Pleura her in den Darm oder die Harnblase verher- gegangen sei. Man liess also die Möglichkeit zu, dass Eiter in Substanz aufgenommen und weggeführt werden könnte. Spä- terhin, als die Lehre von der Pyämie mehr und mehr aufkam, hat man diese Fälle unter dem Namen der physiologischen Eiterresorption von der pathologischen unterschieden, und es blieb nur fraglich, wie man die erstere in ihrem günstigen und die letztere in ihrem malignen Ausgange sich erklären sollte. Diese Angelegenheit erledigt sich einfach dadurch, dass Eiter als Eiter nie resorbirt wird. Es gibt keine Form, in der Eiter in Substanz auf dem Wege der Resorption verschwinden könnte; immer sind es flüssige Theile des Eiters,
Neunte Vorlesung.
so fällt damit schon von vornherein eine wesentliche Seite der Frage weg. Um indess einigermassen Klarheit in den Gegen- stand zu bringen, ist es nothwendig, dass man auf die ver- schiedenen Gesichtspunkte, welche hierbei in Betracht kommen, etwas genauer eingeht.
Die farblosen Blutkörperchen sind zum Verwechseln den Eiterkörperchen ähnlich, so dass, wenn man in einem bestimm- ten Objekte solche Elemente antrifft, man nie ohne Weiteres mit Sicherheit angeben kann, ob man es mit farblosen Blut- körperchen oder mit Eiterkörperchen zu thun hat. Früherhin, und zum Theil noch bis in unsere Zeit hinein, hatte man viel- fach die Ansicht, dass die Bestandtheile des Eiters im Blute präexistirten, dass der Eiter nur eine Art von Secret aus dem Blute sei, wie etwa der Harn, und dass er auch, wie eine ein- fache Flüssigkeit, in das Blut zurückkehren könne. Diese An- sicht erklärt ja die Auffassung, wie sie in der Lehre von der sogenannten physiologischen Eiterresorption sich so lange erhalten hat.
Man stellte sich vor, dass der Eiter von einzelnen Punk- ten her, an welchen er abgelagert war, wieder in das Blut aufgenommen werden könne, und dass dadurch eine günstige Wendung in der Krankheit eintrete, indem der aufgenommene Eiter endlich aus dem Körper entfernt werde. Man erzählte, dass bei einem Kranken mit Eiter im Pleurasacke die Resorp- tion des Eiters sich durch eitrigen Harn oder eitrigen Stuhl- gang entscheiden könne, ohne dass ein Durchbruch des Eiters von der Pleura her in den Darm oder die Harnblase verher- gegangen sei. Man liess also die Möglichkeit zu, dass Eiter in Substanz aufgenommen und weggeführt werden könnte. Spä- terhin, als die Lehre von der Pyämie mehr und mehr aufkam, hat man diese Fälle unter dem Namen der physiologischen Eiterresorption von der pathologischen unterschieden, und es blieb nur fraglich, wie man die erstere in ihrem günstigen und die letztere in ihrem malignen Ausgange sich erklären sollte. Diese Angelegenheit erledigt sich einfach dadurch, dass Eiter als Eiter nie resorbirt wird. Es gibt keine Form, in der Eiter in Substanz auf dem Wege der Resorption verschwinden könnte; immer sind es flüssige Theile des Eiters,
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[160/0182]
Neunte Vorlesung.
so fällt damit schon von vornherein eine wesentliche Seite der
Frage weg. Um indess einigermassen Klarheit in den Gegen-
stand zu bringen, ist es nothwendig, dass man auf die ver-
schiedenen Gesichtspunkte, welche hierbei in Betracht kommen,
etwas genauer eingeht.
Die farblosen Blutkörperchen sind zum Verwechseln den
Eiterkörperchen ähnlich, so dass, wenn man in einem bestimm-
ten Objekte solche Elemente antrifft, man nie ohne Weiteres
mit Sicherheit angeben kann, ob man es mit farblosen Blut-
körperchen oder mit Eiterkörperchen zu thun hat. Früherhin,
und zum Theil noch bis in unsere Zeit hinein, hatte man viel-
fach die Ansicht, dass die Bestandtheile des Eiters im Blute
präexistirten, dass der Eiter nur eine Art von Secret aus dem
Blute sei, wie etwa der Harn, und dass er auch, wie eine ein-
fache Flüssigkeit, in das Blut zurückkehren könne. Diese An-
sicht erklärt ja die Auffassung, wie sie in der Lehre von der
sogenannten physiologischen Eiterresorption sich so lange
erhalten hat.
Man stellte sich vor, dass der Eiter von einzelnen Punk-
ten her, an welchen er abgelagert war, wieder in das Blut
aufgenommen werden könne, und dass dadurch eine günstige
Wendung in der Krankheit eintrete, indem der aufgenommene
Eiter endlich aus dem Körper entfernt werde. Man erzählte,
dass bei einem Kranken mit Eiter im Pleurasacke die Resorp-
tion des Eiters sich durch eitrigen Harn oder eitrigen Stuhl-
gang entscheiden könne, ohne dass ein Durchbruch des Eiters
von der Pleura her in den Darm oder die Harnblase verher-
gegangen sei. Man liess also die Möglichkeit zu, dass Eiter in
Substanz aufgenommen und weggeführt werden könnte. Spä-
terhin, als die Lehre von der Pyämie mehr und mehr aufkam,
hat man diese Fälle unter dem Namen der physiologischen
Eiterresorption von der pathologischen unterschieden, und es
blieb nur fraglich, wie man die erstere in ihrem günstigen
und die letztere in ihrem malignen Ausgange sich erklären
sollte. Diese Angelegenheit erledigt sich einfach dadurch,
dass Eiter als Eiter nie resorbirt wird. Es gibt keine
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/182>, abgerufen am 21.11.2024.
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