Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Darmzotten.
Zeit nach der Digestion das Fett nicht mehr bloss aussen liegt,
sondern sich innen in den Zellen findet, und zwar zuerst am
äusseren Ende; dann rückt es nach und nach weiter und geht
in den Zellen nach innen, und zwar so deutlich reihenweis,
dass es den Eindruck machen könnte, als gingen feine Kanäle
durch die ganze Länge der Zellen selbst hindurch (Fig. 109,
C, a.). Allein auch das ist eine Frage, welche mit unseren
optischen Apparaten nicht so bald gelöst werden dürfte.
Genug, die grobe Thatsache bleibt stehen, dass das Fett durch
die Zellen geht und zwar in der Weise, dass anfänglich nur
der äussere Theil derselben damit erfüllt ist, dann eine Zeit
kommt, wo sie ganz voll von Fett sind, etwas später die äussere
Partie wieder ganz frei wird, während die innere noch etwas
enthält, bis endlich alles Fett aus den Zellen verschwindet.
Auf diese Weise kann man den allmähligen Progress von Stunde
zu Stunde verfolgen. Nachdem das Fett bis in die innere
Spitze der Zellen hingerückt ist, so beginnt es, in das soge-
nannte Parenchym der Zotte überzugehen (Fig. 109, C.). Ob
die Epithelzellen unten ein Loch haben und ob sie wiederum,
wie dies in der neuesten Zeit von dem jüngeren Heidenhain
behauptet worden ist, mit feinsten Kanälen der Bindegewebs-
körperchen zusammenhängen, ist eine nicht ganz entschiedene
Frage, jedoch sehr wahrscheinlich. Es ist höchst schwierig,
mit Sicherheit über diese feinsten Einrichtungen der Gewebs-
substanz zu urtheilen. In der Regel finden wir innerhalb der
Zotten das Netz der Blutgefässe etwas unter der Oberfläche
(Fig. 109, A, v, v), dagegen in der Axe eine ziemlich weite,
stumpfendigende Höhlung, den Anfang des Chylusgefässes, so-
weit es bis jetzt mit Sicherheit erkennbar ist (Fig. 109, A, c).
An der Peripherie der Zotten hat Brücke eine Lage von
Muskeln entdeckt, welche für die Digestion von grosser Be-
deutung ist, insofern dadurch ein Heranziehen der Zottenspitze
gegen ihre Basis, eine Verkürzung geschieht, wie man sehr
leicht sehen kann. Wenn man Zotten vom Darme eines eben
getödteten Thieres abschneidet, so sieht man unter dem Mi-
kroskop, dass die Zotten sich zusammenziehen, sich runzeln,
dicker und kürzer werder (Fig 109, B.); offenbar erfolgt da-
durch ein Druck von Aussen nach Innen, welcher die Fortbe-

Darmzotten.
Zeit nach der Digestion das Fett nicht mehr bloss aussen liegt,
sondern sich innen in den Zellen findet, und zwar zuerst am
äusseren Ende; dann rückt es nach und nach weiter und geht
in den Zellen nach innen, und zwar so deutlich reihenweis,
dass es den Eindruck machen könnte, als gingen feine Kanäle
durch die ganze Länge der Zellen selbst hindurch (Fig. 109,
C, a.). Allein auch das ist eine Frage, welche mit unseren
optischen Apparaten nicht so bald gelöst werden dürfte.
Genug, die grobe Thatsache bleibt stehen, dass das Fett durch
die Zellen geht und zwar in der Weise, dass anfänglich nur
der äussere Theil derselben damit erfüllt ist, dann eine Zeit
kommt, wo sie ganz voll von Fett sind, etwas später die äussere
Partie wieder ganz frei wird, während die innere noch etwas
enthält, bis endlich alles Fett aus den Zellen verschwindet.
Auf diese Weise kann man den allmähligen Progress von Stunde
zu Stunde verfolgen. Nachdem das Fett bis in die innere
Spitze der Zellen hingerückt ist, so beginnt es, in das soge-
nannte Parenchym der Zotte überzugehen (Fig. 109, C.). Ob
die Epithelzellen unten ein Loch haben und ob sie wiederum,
wie dies in der neuesten Zeit von dem jüngeren Heidenhain
behauptet worden ist, mit feinsten Kanälen der Bindegewebs-
körperchen zusammenhängen, ist eine nicht ganz entschiedene
Frage, jedoch sehr wahrscheinlich. Es ist höchst schwierig,
mit Sicherheit über diese feinsten Einrichtungen der Gewebs-
substanz zu urtheilen. In der Regel finden wir innerhalb der
Zotten das Netz der Blutgefässe etwas unter der Oberfläche
(Fig. 109, A, v, v), dagegen in der Axe eine ziemlich weite,
stumpfendigende Höhlung, den Anfang des Chylusgefässes, so-
weit es bis jetzt mit Sicherheit erkennbar ist (Fig. 109, A, c).
An der Peripherie der Zotten hat Brücke eine Lage von
Muskeln entdeckt, welche für die Digestion von grosser Be-
deutung ist, insofern dadurch ein Heranziehen der Zottenspitze
gegen ihre Basis, eine Verkürzung geschieht, wie man sehr
leicht sehen kann. Wenn man Zotten vom Darme eines eben
getödteten Thieres abschneidet, so sieht man unter dem Mi-
kroskop, dass die Zotten sich zusammenziehen, sich runzeln,
dicker und kürzer werder (Fig 109, B.); offenbar erfolgt da-
durch ein Druck von Aussen nach Innen, welcher die Fortbe-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0317" n="295"/><fw place="top" type="header">Darmzotten.</fw><lb/>
Zeit nach der Digestion das Fett nicht mehr bloss aussen liegt,<lb/>
sondern sich innen in den Zellen findet, und zwar zuerst am<lb/>
äusseren Ende; dann rückt es nach und nach weiter und geht<lb/>
in den Zellen nach innen, und zwar so deutlich reihenweis,<lb/>
dass es den Eindruck machen könnte, als gingen feine Kanäle<lb/>
durch die ganze Länge der Zellen selbst hindurch (Fig. 109,<lb/><hi rendition="#i">C, a</hi>.). Allein auch das ist eine Frage, welche mit unseren<lb/>
optischen Apparaten nicht so bald gelöst werden dürfte.<lb/>
Genug, die grobe Thatsache bleibt stehen, dass das Fett durch<lb/>
die Zellen geht und zwar in der Weise, dass anfänglich nur<lb/>
der äussere Theil derselben damit erfüllt ist, dann eine Zeit<lb/>
kommt, wo sie ganz voll von Fett sind, etwas später die äussere<lb/>
Partie wieder ganz frei wird, während die innere noch etwas<lb/>
enthält, bis endlich alles Fett aus den Zellen verschwindet.<lb/>
Auf diese Weise kann man den allmähligen Progress von Stunde<lb/>
zu Stunde verfolgen. Nachdem das Fett bis in die innere<lb/>
Spitze der Zellen hingerückt ist, so beginnt es, in das soge-<lb/>
nannte Parenchym der Zotte überzugehen (Fig. 109, <hi rendition="#i">C</hi>.). Ob<lb/>
die Epithelzellen unten ein Loch haben und ob sie wiederum,<lb/>
wie dies in der neuesten Zeit von dem jüngeren <hi rendition="#g">Heidenhain</hi><lb/>
behauptet worden ist, mit feinsten Kanälen der Bindegewebs-<lb/>
körperchen zusammenhängen, ist eine nicht ganz entschiedene<lb/>
Frage, jedoch sehr wahrscheinlich. Es ist höchst schwierig,<lb/>
mit Sicherheit über diese feinsten Einrichtungen der Gewebs-<lb/>
substanz zu urtheilen. In der Regel finden wir innerhalb der<lb/>
Zotten das Netz der Blutgefässe etwas unter der Oberfläche<lb/>
(Fig. 109, <hi rendition="#i">A, v, v</hi>), dagegen in der Axe eine ziemlich weite,<lb/>
stumpfendigende Höhlung, den Anfang des Chylusgefässes, so-<lb/>
weit es bis jetzt mit Sicherheit erkennbar ist (Fig. 109, <hi rendition="#i">A, c</hi>).<lb/>
An der Peripherie der Zotten hat <hi rendition="#g">Brücke</hi> eine Lage von<lb/>
Muskeln entdeckt, welche für die Digestion von grosser Be-<lb/>
deutung ist, insofern dadurch ein Heranziehen der Zottenspitze<lb/>
gegen ihre Basis, eine Verkürzung geschieht, wie man sehr<lb/>
leicht sehen kann. Wenn man Zotten vom Darme eines eben<lb/>
getödteten Thieres abschneidet, so sieht man unter dem Mi-<lb/>
kroskop, dass die Zotten sich zusammenziehen, sich runzeln,<lb/>
dicker und kürzer werder (Fig 109, <hi rendition="#i">B</hi>.); offenbar erfolgt da-<lb/>
durch ein Druck von Aussen nach Innen, welcher die Fortbe-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0317] Darmzotten. Zeit nach der Digestion das Fett nicht mehr bloss aussen liegt, sondern sich innen in den Zellen findet, und zwar zuerst am äusseren Ende; dann rückt es nach und nach weiter und geht in den Zellen nach innen, und zwar so deutlich reihenweis, dass es den Eindruck machen könnte, als gingen feine Kanäle durch die ganze Länge der Zellen selbst hindurch (Fig. 109, C, a.). Allein auch das ist eine Frage, welche mit unseren optischen Apparaten nicht so bald gelöst werden dürfte. Genug, die grobe Thatsache bleibt stehen, dass das Fett durch die Zellen geht und zwar in der Weise, dass anfänglich nur der äussere Theil derselben damit erfüllt ist, dann eine Zeit kommt, wo sie ganz voll von Fett sind, etwas später die äussere Partie wieder ganz frei wird, während die innere noch etwas enthält, bis endlich alles Fett aus den Zellen verschwindet. Auf diese Weise kann man den allmähligen Progress von Stunde zu Stunde verfolgen. Nachdem das Fett bis in die innere Spitze der Zellen hingerückt ist, so beginnt es, in das soge- nannte Parenchym der Zotte überzugehen (Fig. 109, C.). Ob die Epithelzellen unten ein Loch haben und ob sie wiederum, wie dies in der neuesten Zeit von dem jüngeren Heidenhain behauptet worden ist, mit feinsten Kanälen der Bindegewebs- körperchen zusammenhängen, ist eine nicht ganz entschiedene Frage, jedoch sehr wahrscheinlich. Es ist höchst schwierig, mit Sicherheit über diese feinsten Einrichtungen der Gewebs- substanz zu urtheilen. In der Regel finden wir innerhalb der Zotten das Netz der Blutgefässe etwas unter der Oberfläche (Fig. 109, A, v, v), dagegen in der Axe eine ziemlich weite, stumpfendigende Höhlung, den Anfang des Chylusgefässes, so- weit es bis jetzt mit Sicherheit erkennbar ist (Fig. 109, A, c). An der Peripherie der Zotten hat Brücke eine Lage von Muskeln entdeckt, welche für die Digestion von grosser Be- deutung ist, insofern dadurch ein Heranziehen der Zottenspitze gegen ihre Basis, eine Verkürzung geschieht, wie man sehr leicht sehen kann. Wenn man Zotten vom Darme eines eben getödteten Thieres abschneidet, so sieht man unter dem Mi- kroskop, dass die Zotten sich zusammenziehen, sich runzeln, dicker und kürzer werder (Fig 109, B.); offenbar erfolgt da- durch ein Druck von Aussen nach Innen, welcher die Fortbe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/317
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/317>, abgerufen am 24.11.2024.