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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebzehnte Vorlesung.
man, entsprechend den überlieferten Vorstellungen, als ein
nothwendig aus den Gefässen hervorgegangenes, als Exsudat
bezeichnete. In der alten Classification der Symptome ent-
sprach dem Exsudate der Wiener ungefähr das Symptom des
Tumors, und man könnte daher sagen, dass wie früher der
Calor und dann der Rubor, so hier der Tumor in der Vor-
dergrund getreten sei, während in der mehr speculativen An-
schauung der Neuropathologen bekanntlich der Dolor als die
wesentliche und ursprüngliche Veränderung in dem Entzün-
dungsact betrachtet wird.

Es kann kein Zweifel sein, dass von diesen verschiede-
nen Aufstellungen die anatomische Lehre der Wiener Schule
die richtigste sein würde, wenn sich nachweisen liesse, dass
bei jeder Entzündung, wie es gegenwärtig in die Sprache der
meisten Aerzte übergegangen ist, ein Exsudat stattfände, dass
der Tumor wesentlich durch dieses Exsudat bedingt sei, und
namentlich, dass dieses Exsudat als ein constantes, typisches
und der Fibrin-Gehalt desselben als ein Kriterium der entzünd-
lichen Natur desselben betrachtet werden dürfe.

Schon in den früheren Vorlesungen habe ich Ihnen zu
zeigen gesucht, wie wesentlich der Begriff des Exsudates ge-
schmälert werden muss, und wie wesentlich bei dem Auftreten
von Stoffen, welche wir allerdings als aus den Gefässen her-
vorgegangen und an die Theile angelagert betrachten müssen,
die activen Beziehungen der Gewebselemente selbst in Frage
kommen. Vieles ist, wie wir sahen, nicht so sehr Exsudat, als,
wenn ich mich so ausdrücken soll, Educt aus den Gefässen
in Folge der Thätigkeit der Gewebselemente selbst.

Dasjenige, von dem wie ich glaube wesentlich ausgegan-
gen werden muss bei der Betrachtung der Entzündung, der
Punkt, in dem ich auch die Aufstellung von Broussais und
Andral für am meisten berechtigt erachte, ist der Begriff des
Reizes. Wir können uns keine Entzündung denken ohne
den Entzündungsreiz, und es fragt sich zunächst, in welcher
Weise man sich diesen Reiz vorzustellen habe?

Wir haben schon gesehen, dass im Allgemeinen die Form
der Reizung in drei verschiedenen Richtungen zu verfolgen ist,
je nachdem eine functionelle, nutritive oder formative Reizung

Siebzehnte Vorlesung.
man, entsprechend den überlieferten Vorstellungen, als ein
nothwendig aus den Gefässen hervorgegangenes, als Exsudat
bezeichnete. In der alten Classification der Symptome ent-
sprach dem Exsudate der Wiener ungefähr das Symptom des
Tumors, und man könnte daher sagen, dass wie früher der
Calor und dann der Rubor, so hier der Tumor in der Vor-
dergrund getreten sei, während in der mehr speculativen An-
schauung der Neuropathologen bekanntlich der Dolor als die
wesentliche und ursprüngliche Veränderung in dem Entzün-
dungsact betrachtet wird.

Es kann kein Zweifel sein, dass von diesen verschiede-
nen Aufstellungen die anatomische Lehre der Wiener Schule
die richtigste sein würde, wenn sich nachweisen liesse, dass
bei jeder Entzündung, wie es gegenwärtig in die Sprache der
meisten Aerzte übergegangen ist, ein Exsudat stattfände, dass
der Tumor wesentlich durch dieses Exsudat bedingt sei, und
namentlich, dass dieses Exsudat als ein constantes, typisches
und der Fibrin-Gehalt desselben als ein Kriterium der entzünd-
lichen Natur desselben betrachtet werden dürfe.

Schon in den früheren Vorlesungen habe ich Ihnen zu
zeigen gesucht, wie wesentlich der Begriff des Exsudates ge-
schmälert werden muss, und wie wesentlich bei dem Auftreten
von Stoffen, welche wir allerdings als aus den Gefässen her-
vorgegangen und an die Theile angelagert betrachten müssen,
die activen Beziehungen der Gewebselemente selbst in Frage
kommen. Vieles ist, wie wir sahen, nicht so sehr Exsudat, als,
wenn ich mich so ausdrücken soll, Educt aus den Gefässen
in Folge der Thätigkeit der Gewebselemente selbst.

Dasjenige, von dem wie ich glaube wesentlich ausgegan-
gen werden muss bei der Betrachtung der Entzündung, der
Punkt, in dem ich auch die Aufstellung von Broussais und
Andral für am meisten berechtigt erachte, ist der Begriff des
Reizes. Wir können uns keine Entzündung denken ohne
den Entzündungsreiz, und es fragt sich zunächst, in welcher
Weise man sich diesen Reiz vorzustellen habe?

Wir haben schon gesehen, dass im Allgemeinen die Form
der Reizung in drei verschiedenen Richtungen zu verfolgen ist,
je nachdem eine functionelle, nutritive oder formative Reizung

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[346/0368] Siebzehnte Vorlesung. man, entsprechend den überlieferten Vorstellungen, als ein nothwendig aus den Gefässen hervorgegangenes, als Exsudat bezeichnete. In der alten Classification der Symptome ent- sprach dem Exsudate der Wiener ungefähr das Symptom des Tumors, und man könnte daher sagen, dass wie früher der Calor und dann der Rubor, so hier der Tumor in der Vor- dergrund getreten sei, während in der mehr speculativen An- schauung der Neuropathologen bekanntlich der Dolor als die wesentliche und ursprüngliche Veränderung in dem Entzün- dungsact betrachtet wird. Es kann kein Zweifel sein, dass von diesen verschiede- nen Aufstellungen die anatomische Lehre der Wiener Schule die richtigste sein würde, wenn sich nachweisen liesse, dass bei jeder Entzündung, wie es gegenwärtig in die Sprache der meisten Aerzte übergegangen ist, ein Exsudat stattfände, dass der Tumor wesentlich durch dieses Exsudat bedingt sei, und namentlich, dass dieses Exsudat als ein constantes, typisches und der Fibrin-Gehalt desselben als ein Kriterium der entzünd- lichen Natur desselben betrachtet werden dürfe. Schon in den früheren Vorlesungen habe ich Ihnen zu zeigen gesucht, wie wesentlich der Begriff des Exsudates ge- schmälert werden muss, und wie wesentlich bei dem Auftreten von Stoffen, welche wir allerdings als aus den Gefässen her- vorgegangen und an die Theile angelagert betrachten müssen, die activen Beziehungen der Gewebselemente selbst in Frage kommen. Vieles ist, wie wir sahen, nicht so sehr Exsudat, als, wenn ich mich so ausdrücken soll, Educt aus den Gefässen in Folge der Thätigkeit der Gewebselemente selbst. Dasjenige, von dem wie ich glaube wesentlich ausgegan- gen werden muss bei der Betrachtung der Entzündung, der Punkt, in dem ich auch die Aufstellung von Broussais und Andral für am meisten berechtigt erachte, ist der Begriff des Reizes. Wir können uns keine Entzündung denken ohne den Entzündungsreiz, und es fragt sich zunächst, in welcher Weise man sich diesen Reiz vorzustellen habe? Wir haben schon gesehen, dass im Allgemeinen die Form der Reizung in drei verschiedenen Richtungen zu verfolgen ist, je nachdem eine functionelle, nutritive oder formative Reizung

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/368>, abgerufen am 24.11.2024.