Eiter. Der Eiter ist hier nicht eine besondere Production, die von der übrigen Wucherungs- und Bildungs-Reihe trennbar ist; er ist freilich nicht identisch mit den früheren Geweben, aber seine Entstehung führt direct auf die Elemente des früheren Gewebes zurück. Er entsteht nicht durch einen besonderen Act, nicht durch eine Schöpfung de novo, sondern er entwickelt sich regelrecht von Generation zu Generation nach vollkommen legitimer Art.
Es liegt also eine ganze Reihe von Umbildungen vor: der zuerst entstandene, aus Knorpel hervorgehende Knochen kann Umbildungen erfahren zu Mark, dann zu Granulations- Gewebe und endlich zu fast reinem Eiter. Die Uebergänge sind hier so allmählig, dass bekanntlich derjenige Eiter, welcher zunächst auf die Granulationen folgt, mehr eine schleimige, fadenziehende, zähe Masse darstellt, welche auch wirklich Schleimstoff enthält, analog dem Granulationsgewebe, und welche erst, je weiter man nach aussen kommt, die Eigen- schaften des vollendeten Eiters zeigt. Der fertige Eiter der Oberfläche geht gegen die Tiefe hin nach und nach über in das Pus crudum, den schleimigen, zähen, nicht maturirten Eiter der tieferen Lagen, und was wir Maturation nennen, beruht nur darauf, dass die schleimige Grundsubstanz des ursprünglich zähen Eiters, welcher sich der Structur der Gra- nulation anschliesst, allmählig in die albuminöse Zwischen- substanz des reinen Eiters übergeht. Der Schleim löst sich auf und die rahmige Flüssigkeit entsteht. Die Reifung ist also im Wesentlichen eine Erweichung des intersti- tiellen Gewebes. So unmittelbar hängen Entwickelung und Rückbildung, physiologische und pathologische Zustände zu- sammen.
Gerade so, wie aus dem Knorpelkörperchen ein Knochen- körperchen werden kann, so kann auch aus der Mark- zelle ein Knochenkörperchen werden. In den Markräu- men des Knochens nehmen in der Regel diejenigen Markzellen, welche am Umfange liegen, späterhin eine mehr längliche Be- schaffenheit an, richten sich parallel der inneren Oberfläche der Markräume, und das Markgewebe erscheint hier als eine mehr faserige Substanz, welche man eben als Markhaut be-
Granulation und Eiterung.
Eiter. Der Eiter ist hier nicht eine besondere Production, die von der übrigen Wucherungs- und Bildungs-Reihe trennbar ist; er ist freilich nicht identisch mit den früheren Geweben, aber seine Entstehung führt direct auf die Elemente des früheren Gewebes zurück. Er entsteht nicht durch einen besonderen Act, nicht durch eine Schöpfung de novo, sondern er entwickelt sich regelrecht von Generation zu Generation nach vollkommen legitimer Art.
Es liegt also eine ganze Reihe von Umbildungen vor: der zuerst entstandene, aus Knorpel hervorgehende Knochen kann Umbildungen erfahren zu Mark, dann zu Granulations- Gewebe und endlich zu fast reinem Eiter. Die Uebergänge sind hier so allmählig, dass bekanntlich derjenige Eiter, welcher zunächst auf die Granulationen folgt, mehr eine schleimige, fadenziehende, zähe Masse darstellt, welche auch wirklich Schleimstoff enthält, analog dem Granulationsgewebe, und welche erst, je weiter man nach aussen kommt, die Eigen- schaften des vollendeten Eiters zeigt. Der fertige Eiter der Oberfläche geht gegen die Tiefe hin nach und nach über in das Pus crudum, den schleimigen, zähen, nicht maturirten Eiter der tieferen Lagen, und was wir Maturation nennen, beruht nur darauf, dass die schleimige Grundsubstanz des ursprünglich zähen Eiters, welcher sich der Structur der Gra- nulation anschliesst, allmählig in die albuminöse Zwischen- substanz des reinen Eiters übergeht. Der Schleim löst sich auf und die rahmige Flüssigkeit entsteht. Die Reifung ist also im Wesentlichen eine Erweichung des intersti- tiellen Gewebes. So unmittelbar hängen Entwickelung und Rückbildung, physiologische und pathologische Zustände zu- sammen.
Gerade so, wie aus dem Knorpelkörperchen ein Knochen- körperchen werden kann, so kann auch aus der Mark- zelle ein Knochenkörperchen werden. In den Markräu- men des Knochens nehmen in der Regel diejenigen Markzellen, welche am Umfange liegen, späterhin eine mehr längliche Be- schaffenheit an, richten sich parallel der inneren Oberfläche der Markräume, und das Markgewebe erscheint hier als eine mehr faserige Substanz, welche man eben als Markhaut be-
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Granulation und Eiterung.
Eiter. Der Eiter ist hier nicht eine besondere Production,
die von der übrigen Wucherungs- und Bildungs-Reihe trennbar
ist; er ist freilich nicht identisch mit den früheren Geweben,
aber seine Entstehung führt direct auf die Elemente
des früheren Gewebes zurück. Er entsteht nicht durch einen
besonderen Act, nicht durch eine Schöpfung de novo, sondern
er entwickelt sich regelrecht von Generation zu Generation
nach vollkommen legitimer Art.
Es liegt also eine ganze Reihe von Umbildungen vor:
der zuerst entstandene, aus Knorpel hervorgehende Knochen
kann Umbildungen erfahren zu Mark, dann zu Granulations-
Gewebe und endlich zu fast reinem Eiter. Die Uebergänge
sind hier so allmählig, dass bekanntlich derjenige Eiter, welcher
zunächst auf die Granulationen folgt, mehr eine schleimige,
fadenziehende, zähe Masse darstellt, welche auch wirklich
Schleimstoff enthält, analog dem Granulationsgewebe, und
welche erst, je weiter man nach aussen kommt, die Eigen-
schaften des vollendeten Eiters zeigt. Der fertige Eiter der
Oberfläche geht gegen die Tiefe hin nach und nach über
in das Pus crudum, den schleimigen, zähen, nicht maturirten
Eiter der tieferen Lagen, und was wir Maturation nennen,
beruht nur darauf, dass die schleimige Grundsubstanz des
ursprünglich zähen Eiters, welcher sich der Structur der Gra-
nulation anschliesst, allmählig in die albuminöse Zwischen-
substanz des reinen Eiters übergeht. Der Schleim löst sich
auf und die rahmige Flüssigkeit entsteht. Die Reifung ist
also im Wesentlichen eine Erweichung des intersti-
tiellen Gewebes. So unmittelbar hängen Entwickelung und
Rückbildung, physiologische und pathologische Zustände zu-
sammen.
Gerade so, wie aus dem Knorpelkörperchen ein Knochen-
körperchen werden kann, so kann auch aus der Mark-
zelle ein Knochenkörperchen werden. In den Markräu-
men des Knochens nehmen in der Regel diejenigen Markzellen,
welche am Umfange liegen, späterhin eine mehr längliche Be-
schaffenheit an, richten sich parallel der inneren Oberfläche
der Markräume, und das Markgewebe erscheint hier als eine
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/397>, abgerufen am 24.11.2024.
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