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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Achtzehnte Vorlesung.
trachtet hat, welche aber nicht von den centralen Marktheilen
zu trennen ist, sondern nur die festeste Schicht des Markge-
webes darstellt. Sobald nun Tela ossea entstehen soll, so
ändert sich die Beschaffenheit der Grundsubstanz. Dieselbe
wird fester, mehr knorpelartig, die einzelnen Zellen scheinen
in grösseren Lücken zu liegen. Allmählig werden sie zackig,
indem sie kleine Ausläufer treiben, und nun ist weiter nichts
mehr nöthig, als dass sich in die Grundsubstanz Kalksalze
ablagern, dann ist der Knochen schon fertig. So bildet sich
auch hier wieder durch eine ganz directe Transformation das
Knochengewebe, und indem sich eine solche osteoide Schicht
nach der anderen aus dem Marke ablagert, so entsteht da-
durch die compacte Rindensubstanz, welche jedesmal be-
zeichnet ist durch die lamellöse Ablagerung von Tela ossea
im früheren Markraum. Der ursprüngliche Knochen ist immer
bimsteinartig, porös; seine Höhlungen erfüllen sich, indem aus
Marklamellen Lagen von Knochensubstanz bis zu dem Punkte
nachwachsen, wo das Gefäss allein übrig bleibt, welches die
Ossification nicht zulässt.

Was nun die Entwickelung der Knochen in der Dicke
anbetrifft, so ist diese an sich viel einfacher, aber sie ist sehr
viel schwieriger zu sehen, weil die Ossification hier sehr schnell
vor sich geht und die wuchernde Periostschicht so dünn und
und zart ist, dass eine überaus grosse Sorgfalt dazu gehört,
sie überhaupt nur wahrzunehmen. Im Pathologischen haben
wir für ihr Studium ungleich bessere Gelegenheit, als im Phy-
siologischen. Denn es ist ganz gleich, ob der Knochen in
der Dicke physiologisch oder durch eine Periostitis patholo-
gisch wächst; dies ist nur eine quantitative und zeitliche Dif-
ferenz.

Im entwickelten Zustande besteht das Periost dem gröss-
ten Theile nach aus einem sehr dichten Bindegewebe mit einer
überaus grossen Masse von elastischen Fasern, innerhalb dessen
sich Gefässe ausbreiten und von da in die Rinde des Knochens
selbst hineingehen. Wenn nun das Wachsthum des Knochens
in der Dicke erfolgt, so sehen wir, dass die innerste, gefäss-
reiche Schicht an Dicke zunimmt und anschwillt; dann sagt
man, es sei ein Exsudat erfolgt, indem man als ausgemacht

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trachtet hat, welche aber nicht von den centralen Marktheilen
zu trennen ist, sondern nur die festeste Schicht des Markge-
webes darstellt. Sobald nun Tela ossea entstehen soll, so
ändert sich die Beschaffenheit der Grundsubstanz. Dieselbe
wird fester, mehr knorpelartig, die einzelnen Zellen scheinen
in grösseren Lücken zu liegen. Allmählig werden sie zackig,
indem sie kleine Ausläufer treiben, und nun ist weiter nichts
mehr nöthig, als dass sich in die Grundsubstanz Kalksalze
ablagern, dann ist der Knochen schon fertig. So bildet sich
auch hier wieder durch eine ganz directe Transformation das
Knochengewebe, und indem sich eine solche osteoide Schicht
nach der anderen aus dem Marke ablagert, so entsteht da-
durch die compacte Rindensubstanz, welche jedesmal be-
zeichnet ist durch die lamellöse Ablagerung von Tela ossea
im früheren Markraum. Der ursprüngliche Knochen ist immer
bimsteinartig, porös; seine Höhlungen erfüllen sich, indem aus
Marklamellen Lagen von Knochensubstanz bis zu dem Punkte
nachwachsen, wo das Gefäss allein übrig bleibt, welches die
Ossification nicht zulässt.

Was nun die Entwickelung der Knochen in der Dicke
anbetrifft, so ist diese an sich viel einfacher, aber sie ist sehr
viel schwieriger zu sehen, weil die Ossification hier sehr schnell
vor sich geht und die wuchernde Periostschicht so dünn und
und zart ist, dass eine überaus grosse Sorgfalt dazu gehört,
sie überhaupt nur wahrzunehmen. Im Pathologischen haben
wir für ihr Studium ungleich bessere Gelegenheit, als im Phy-
siologischen. Denn es ist ganz gleich, ob der Knochen in
der Dicke physiologisch oder durch eine Periostitis patholo-
gisch wächst; dies ist nur eine quantitative und zeitliche Dif-
ferenz.

Im entwickelten Zustande besteht das Periost dem gröss-
ten Theile nach aus einem sehr dichten Bindegewebe mit einer
überaus grossen Masse von elastischen Fasern, innerhalb dessen
sich Gefässe ausbreiten und von da in die Rinde des Knochens
selbst hineingehen. Wenn nun das Wachsthum des Knochens
in der Dicke erfolgt, so sehen wir, dass die innerste, gefäss-
reiche Schicht an Dicke zunimmt und anschwillt; dann sagt
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[376/0398] Achtzehnte Vorlesung. trachtet hat, welche aber nicht von den centralen Marktheilen zu trennen ist, sondern nur die festeste Schicht des Markge- webes darstellt. Sobald nun Tela ossea entstehen soll, so ändert sich die Beschaffenheit der Grundsubstanz. Dieselbe wird fester, mehr knorpelartig, die einzelnen Zellen scheinen in grösseren Lücken zu liegen. Allmählig werden sie zackig, indem sie kleine Ausläufer treiben, und nun ist weiter nichts mehr nöthig, als dass sich in die Grundsubstanz Kalksalze ablagern, dann ist der Knochen schon fertig. So bildet sich auch hier wieder durch eine ganz directe Transformation das Knochengewebe, und indem sich eine solche osteoide Schicht nach der anderen aus dem Marke ablagert, so entsteht da- durch die compacte Rindensubstanz, welche jedesmal be- zeichnet ist durch die lamellöse Ablagerung von Tela ossea im früheren Markraum. Der ursprüngliche Knochen ist immer bimsteinartig, porös; seine Höhlungen erfüllen sich, indem aus Marklamellen Lagen von Knochensubstanz bis zu dem Punkte nachwachsen, wo das Gefäss allein übrig bleibt, welches die Ossification nicht zulässt. Was nun die Entwickelung der Knochen in der Dicke anbetrifft, so ist diese an sich viel einfacher, aber sie ist sehr viel schwieriger zu sehen, weil die Ossification hier sehr schnell vor sich geht und die wuchernde Periostschicht so dünn und und zart ist, dass eine überaus grosse Sorgfalt dazu gehört, sie überhaupt nur wahrzunehmen. Im Pathologischen haben wir für ihr Studium ungleich bessere Gelegenheit, als im Phy- siologischen. Denn es ist ganz gleich, ob der Knochen in der Dicke physiologisch oder durch eine Periostitis patholo- gisch wächst; dies ist nur eine quantitative und zeitliche Dif- ferenz. Im entwickelten Zustande besteht das Periost dem gröss- ten Theile nach aus einem sehr dichten Bindegewebe mit einer überaus grossen Masse von elastischen Fasern, innerhalb dessen sich Gefässe ausbreiten und von da in die Rinde des Knochens selbst hineingehen. Wenn nun das Wachsthum des Knochens in der Dicke erfolgt, so sehen wir, dass die innerste, gefäss- reiche Schicht an Dicke zunimmt und anschwillt; dann sagt man, es sei ein Exsudat erfolgt, indem man als ausgemacht

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/398>, abgerufen am 24.11.2024.