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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Zweite Vorlesung.
Bild bekommt, wie an manchen Stellen im Knorpel. Aber
durch die Behandlung mit Kali kann man sich überzeugen,
dass die Masse aus lauter Epidermis-Zellen besteht. Aus dieser
Art der Entwicklung werden Sie sehen, wie sich die Krank-
heiten des Nagels in leicht fasslicher Weise scheiden lassen.

Wir haben Krankheiten des Nagelbettes, welche das
Wachsthum des Nagelblattes nicht alteriren, aber Dislocationen
desselben bedingen können. Wenn auf dem Nagelbette eine
sehr reichliche Entwicklung statt findet, so kann das Nagel-
blatt in die Höhe gehoben werden (Fig. 17 b.), ja es kommt
zuweilen vor, dass das Nagelblatt, statt horizontal, senkrecht
in die Höhe wächst, und der Raum unter ihm von dicken
Anhäufungen der lockeren Polstermasse erfüllt wird (Fig 17 c.).
So können Eiterungen auf dem Nagelbette statt finden,
ohne dass die Entwicklung des Nagelblattes dadurch gehindert
wird. Die sonderbarsten Veränderungen zeigen sich bei den
Pocken. Wenn eine Blatter auf dem Nagelblatt sich bildet,
so bekommt der Nagel nur eine gelbliche, etwas unebene
Stelle; entwickelt sich dagegen die Pocke auf dem Nagelfalze, so
sieht man auf dem Nagel das Bild der Pocke in einer kreis-
förmig vertieften, wie ausgeschnittenen Stelle, in einen Beweis
des Ausfalls von Elementen, grade wie auf der Epidermis. --

Ich will heute, meine Herren, in die besondere Ge-
schichte der Epidermis- und Epithel-Bildung, obwohl sie eine
grosse Wichtigkeit für die Auffassung vieler pathologischer
Prozesse hat, nicht weiter eingehen, und nur hervorheben,
dass unter besonderen Verhältnissen die epithelialen Ele-
mente eine Reihe von Umwandlungen erfahren können, wo-
durch sie ihrem ursprünglichen Habitus ausserordentlich un-
ähnlich werden und allmählig Erscheinungsformen annehmen,
die ohne die Kenntniss der Entwicklungsgeschichte es un-
möglich machen, ihre ursprüngliche Epidermis-Natur zu ver-
anschaulichen. Die am meisten abweichende Art findet
sich an der Krystalllinse des Auges, welche ursprünglich
eine reine Epidermis-Anhäufung ist. Sie entsteht bekanntlich
dadurch, dass sich ein Theil der Haut von aussen sackförmig
einstülpt. Anfangs bleibt durch eine leichte Membran die
Verbindung mit den äusseren Theilen erhalten, durch die Mem-

Zweite Vorlesung.
Bild bekommt, wie an manchen Stellen im Knorpel. Aber
durch die Behandlung mit Kali kann man sich überzeugen,
dass die Masse aus lauter Epidermis-Zellen besteht. Aus dieser
Art der Entwicklung werden Sie sehen, wie sich die Krank-
heiten des Nagels in leicht fasslicher Weise scheiden lassen.

Wir haben Krankheiten des Nagelbettes, welche das
Wachsthum des Nagelblattes nicht alteriren, aber Dislocationen
desselben bedingen können. Wenn auf dem Nagelbette eine
sehr reichliche Entwicklung statt findet, so kann das Nagel-
blatt in die Höhe gehoben werden (Fig. 17 b.), ja es kommt
zuweilen vor, dass das Nagelblatt, statt horizontal, senkrecht
in die Höhe wächst, und der Raum unter ihm von dicken
Anhäufungen der lockeren Polstermasse erfüllt wird (Fig 17 c.).
So können Eiterungen auf dem Nagelbette statt finden,
ohne dass die Entwicklung des Nagelblattes dadurch gehindert
wird. Die sonderbarsten Veränderungen zeigen sich bei den
Pocken. Wenn eine Blatter auf dem Nagelblatt sich bildet,
so bekommt der Nagel nur eine gelbliche, etwas unebene
Stelle; entwickelt sich dagegen die Pocke auf dem Nagelfalze, so
sieht man auf dem Nagel das Bild der Pocke in einer kreis-
förmig vertieften, wie ausgeschnittenen Stelle, in einen Beweis
des Ausfalls von Elementen, grade wie auf der Epidermis. —

Ich will heute, meine Herren, in die besondere Ge-
schichte der Epidermis- und Epithel-Bildung, obwohl sie eine
grosse Wichtigkeit für die Auffassung vieler pathologischer
Prozesse hat, nicht weiter eingehen, und nur hervorheben,
dass unter besonderen Verhältnissen die epithelialen Ele-
mente eine Reihe von Umwandlungen erfahren können, wo-
durch sie ihrem ursprünglichen Habitus ausserordentlich un-
ähnlich werden und allmählig Erscheinungsformen annehmen,
die ohne die Kenntniss der Entwicklungsgeschichte es un-
möglich machen, ihre ursprüngliche Epidermis-Natur zu ver-
anschaulichen. Die am meisten abweichende Art findet
sich an der Krystalllinse des Auges, welche ursprünglich
eine reine Epidermis-Anhäufung ist. Sie entsteht bekanntlich
dadurch, dass sich ein Theil der Haut von aussen sackförmig
einstülpt. Anfangs bleibt durch eine leichte Membran die
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[34/0056] Zweite Vorlesung. Bild bekommt, wie an manchen Stellen im Knorpel. Aber durch die Behandlung mit Kali kann man sich überzeugen, dass die Masse aus lauter Epidermis-Zellen besteht. Aus dieser Art der Entwicklung werden Sie sehen, wie sich die Krank- heiten des Nagels in leicht fasslicher Weise scheiden lassen. Wir haben Krankheiten des Nagelbettes, welche das Wachsthum des Nagelblattes nicht alteriren, aber Dislocationen desselben bedingen können. Wenn auf dem Nagelbette eine sehr reichliche Entwicklung statt findet, so kann das Nagel- blatt in die Höhe gehoben werden (Fig. 17 b.), ja es kommt zuweilen vor, dass das Nagelblatt, statt horizontal, senkrecht in die Höhe wächst, und der Raum unter ihm von dicken Anhäufungen der lockeren Polstermasse erfüllt wird (Fig 17 c.). So können Eiterungen auf dem Nagelbette statt finden, ohne dass die Entwicklung des Nagelblattes dadurch gehindert wird. Die sonderbarsten Veränderungen zeigen sich bei den Pocken. Wenn eine Blatter auf dem Nagelblatt sich bildet, so bekommt der Nagel nur eine gelbliche, etwas unebene Stelle; entwickelt sich dagegen die Pocke auf dem Nagelfalze, so sieht man auf dem Nagel das Bild der Pocke in einer kreis- förmig vertieften, wie ausgeschnittenen Stelle, in einen Beweis des Ausfalls von Elementen, grade wie auf der Epidermis. — Ich will heute, meine Herren, in die besondere Ge- schichte der Epidermis- und Epithel-Bildung, obwohl sie eine grosse Wichtigkeit für die Auffassung vieler pathologischer Prozesse hat, nicht weiter eingehen, und nur hervorheben, dass unter besonderen Verhältnissen die epithelialen Ele- mente eine Reihe von Umwandlungen erfahren können, wo- durch sie ihrem ursprünglichen Habitus ausserordentlich un- ähnlich werden und allmählig Erscheinungsformen annehmen, die ohne die Kenntniss der Entwicklungsgeschichte es un- möglich machen, ihre ursprüngliche Epidermis-Natur zu ver- anschaulichen. Die am meisten abweichende Art findet sich an der Krystalllinse des Auges, welche ursprünglich eine reine Epidermis-Anhäufung ist. Sie entsteht bekanntlich dadurch, dass sich ein Theil der Haut von aussen sackförmig einstülpt. Anfangs bleibt durch eine leichte Membran die Verbindung mit den äusseren Theilen erhalten, durch die Mem-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/56>, abgerufen am 24.11.2024.