Bindesubstanz führen, und dass von denjenigen Gebilden. welche wir in der letzten Klasse der normalen Gewebe zu- sammenfassen, am häufigsten Gefässe und Theile, welche mit der Lymphe und den Lymphdrüsen verglichen werden können, neu entstehen, am seltensten aber wirkliches Blut, Muskeln und Nerven.
Wenn man auf einen so einfachen Gesichtspunkt zurück- kommt, so entsteht natürlich die Frage, was aus der Lehre von der Heterologie der krankhaften Producte wird, an deren Aufrechthaltung man sich seit alter Zeit gewöhnt hat, und auf welche die einfachste Anschauung mit einer gewissen Noth- wendigkeit hinführt. Hierauf kann ich nicht anders antwor- ten, als dass es keine andere Art von Heterologie in den krankhaften Gebilden gibt, als die ungehörige Art der Ent- stehung, und dass diese Ungehörigkeit sich entweder darauf bezieht, dass ein Gebilde erzeugt wird an einem Punkte, wo es nicht hingehört, oder zu einer Zeit, wo es nicht erzeugt werden soll, oder in einem Grade, welcher von der typischen Bildung des Körpers abweicht. Also genauer bezeichnet, ent- weder eine Heterotopie, eine Aberratio loci, oder eine Aber- ratio temporis, eine Heterochronie, oder endlich eine bloss quantitative Abweichung, Heterometrie. Man muss sich aber wohl in Acht nehmen, diese Art von Heterologie nicht im weiteren Sinne des Wortes zu verbinden mit dem Begriffe der Malignität. Die Heterologie im histologischen Sinne bezieht sich auf einen grossen Theil von pathologischen Neu- bildungen, die von dem Standpunkte der Prognose durchaus gutartig genannt werden können; nicht selten geschieht eine Neubildung an einem Punkte, wo sie freilich durchaus nicht hin- gehört, wo sie aber auch keinen erheblichen Schaden anrichtet. Es kann ein Fettklumpen sich sehr wohl an einem Orte er- zeugen, wo wir kein Fett erwarten, z. B. in der Submucosa des Dünndarms, aber im besten Falle entsteht dadurch ein Polyp, der auf der innern Fläche des Darms hervorhängt und der ziemlich gross werden kann, ohne Krankheitserscheinungen mit sich zu bringen.
Betrachtet man die im engeren Sinne heterolog genann- ten Gebilde in Beziehung zu den Orten, wo sie entstehen, so
Heterologie und Malignität.
Bindesubstanz führen, und dass von denjenigen Gebilden. welche wir in der letzten Klasse der normalen Gewebe zu- sammenfassen, am häufigsten Gefässe und Theile, welche mit der Lymphe und den Lymphdrüsen verglichen werden können, neu entstehen, am seltensten aber wirkliches Blut, Muskeln und Nerven.
Wenn man auf einen so einfachen Gesichtspunkt zurück- kommt, so entsteht natürlich die Frage, was aus der Lehre von der Heterologie der krankhaften Producte wird, an deren Aufrechthaltung man sich seit alter Zeit gewöhnt hat, und auf welche die einfachste Anschauung mit einer gewissen Noth- wendigkeit hinführt. Hierauf kann ich nicht anders antwor- ten, als dass es keine andere Art von Heterologie in den krankhaften Gebilden gibt, als die ungehörige Art der Ent- stehung, und dass diese Ungehörigkeit sich entweder darauf bezieht, dass ein Gebilde erzeugt wird an einem Punkte, wo es nicht hingehört, oder zu einer Zeit, wo es nicht erzeugt werden soll, oder in einem Grade, welcher von der typischen Bildung des Körpers abweicht. Also genauer bezeichnet, ent- weder eine Heterotopie, eine Aberratio loci, oder eine Aber- ratio temporis, eine Heterochronie, oder endlich eine bloss quantitative Abweichung, Heterometrie. Man muss sich aber wohl in Acht nehmen, diese Art von Heterologie nicht im weiteren Sinne des Wortes zu verbinden mit dem Begriffe der Malignität. Die Heterologie im histologischen Sinne bezieht sich auf einen grossen Theil von pathologischen Neu- bildungen, die von dem Standpunkte der Prognose durchaus gutartig genannt werden können; nicht selten geschieht eine Neubildung an einem Punkte, wo sie freilich durchaus nicht hin- gehört, wo sie aber auch keinen erheblichen Schaden anrichtet. Es kann ein Fettklumpen sich sehr wohl an einem Orte er- zeugen, wo wir kein Fett erwarten, z. B. in der Submucosa des Dünndarms, aber im besten Falle entsteht dadurch ein Polyp, der auf der innern Fläche des Darms hervorhängt und der ziemlich gross werden kann, ohne Krankheitserscheinungen mit sich zu bringen.
Betrachtet man die im engeren Sinne heterolog genann- ten Gebilde in Beziehung zu den Orten, wo sie entstehen, so
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Heterologie und Malignität.
Bindesubstanz führen, und dass von denjenigen Gebilden.
welche wir in der letzten Klasse der normalen Gewebe zu-
sammenfassen, am häufigsten Gefässe und Theile, welche mit
der Lymphe und den Lymphdrüsen verglichen werden können,
neu entstehen, am seltensten aber wirkliches Blut, Muskeln
und Nerven.
Wenn man auf einen so einfachen Gesichtspunkt zurück-
kommt, so entsteht natürlich die Frage, was aus der Lehre
von der Heterologie der krankhaften Producte wird, an
deren Aufrechthaltung man sich seit alter Zeit gewöhnt hat, und
auf welche die einfachste Anschauung mit einer gewissen Noth-
wendigkeit hinführt. Hierauf kann ich nicht anders antwor-
ten, als dass es keine andere Art von Heterologie in den
krankhaften Gebilden gibt, als die ungehörige Art der Ent-
stehung, und dass diese Ungehörigkeit sich entweder darauf
bezieht, dass ein Gebilde erzeugt wird an einem Punkte, wo
es nicht hingehört, oder zu einer Zeit, wo es nicht erzeugt
werden soll, oder in einem Grade, welcher von der typischen
Bildung des Körpers abweicht. Also genauer bezeichnet, ent-
weder eine Heterotopie, eine Aberratio loci, oder eine Aber-
ratio temporis, eine Heterochronie, oder endlich eine bloss
quantitative Abweichung, Heterometrie. Man muss sich
aber wohl in Acht nehmen, diese Art von Heterologie nicht
im weiteren Sinne des Wortes zu verbinden mit dem Begriffe
der Malignität. Die Heterologie im histologischen Sinne
bezieht sich auf einen grossen Theil von pathologischen Neu-
bildungen, die von dem Standpunkte der Prognose durchaus
gutartig genannt werden können; nicht selten geschieht eine
Neubildung an einem Punkte, wo sie freilich durchaus nicht hin-
gehört, wo sie aber auch keinen erheblichen Schaden anrichtet.
Es kann ein Fettklumpen sich sehr wohl an einem Orte er-
zeugen, wo wir kein Fett erwarten, z. B. in der Submucosa des
Dünndarms, aber im besten Falle entsteht dadurch ein Polyp,
der auf der innern Fläche des Darms hervorhängt und der
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/79>, abgerufen am 24.11.2024.
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