möglichst vollendete Bosheit verfällt dem Komischen, wenn von der Reihe der2 Zerstörungen, die ihr allerdings gelingen, abgesehen und die sittliche Welt- ordnung in's Auge gefaßt wird, welche, selbst unzerstörbar, die Absicht der all- gemeinen Zerstörung gegen den Verbrecher umkehrt, in welchem selbst sie zum voraus als unverlierbares Bewußtseyn gegenwärtig ist.
1. Falstaff wird aus einem Trinker, Hurer, Prahler gelegentlich zum Straßenräuber. Dies ist böse genug, aber man vergißt den sittlichen Unwillen völlig, weil weitere Momente eintreten, welche, indem sie den Versuch des Bösen dem Komischen überliefern, zugleich den ganzen Stand- punkt verändern. Auch systematische Ränkesucht kann komisch werden, wenn sie auf eine gewisse Weise an der höheren scheitert. Man denke an den Reineke Voß, der doch immer ein Bild des menschlichen Lebens ist. Hier sind die übrigen Thiere nichtsnutzig, gefräßig, lüstern, diebisch u. s. w. wie Reineke, aber ihre Tücke scheitern komisch an seinem ganzen und vollendeten Egoismus.
2. Das Böse ist "die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft." Mephistopheles hat selbst ein humoristisches Bewußt- seyn davon. Der Teufel galt immer als dummer Teufel. Die Komik des Bösen ist eine doppelte: ohne daß dadurch der schauderhaft erhabene Eindruck des Ganzen aufgehoben würde, ist der Böse persönlich humoristisch und zwar aus dem vorhin unter 1 genannten Grunde. Aber das Ganze des Schauspiels wird komisch durch den im §. genannten Blick auf die Ironie der sittlichen Weltordnung. Aus der Bemerkung 1 und 2, sowie aus den Bem. zu §. 162 ergibt sich von selbst, wie das ou' mentoi kata pasan kakian des Aristoteles (§. 152 Anm.) zu erklären ist. Die Auseinandersetzung des dritten Moments, der Zusammenfassung der beiden Glieder im Komischen, hat aber dies Alles erst noch zu ergänzen.
§. 164.
Der Wille des Guten ist vom Komischen keineswegs, wie Hegel meint, auszunehmen, denn gerade je reiner er ist, desto fühlbarer seine Brechung durch das Zufällige und Unfreie, was sich in sein inneres Leben und in seine Thätig- keit einschleicht. Ja gerade, je wahrhafter erhaben der Gegenstand, desto ächter, je mehr nur scheinbar erhaben, desto geringer die Komik. Leichter aber tritt das Komische ein in dem positiv als in dem negativ Pathetischen, da von dem Letzteren Mitleid und Furcht zu schwer fernzuhalten sind.
möglichſt vollendete Bosheit verfällt dem Komiſchen, wenn von der Reihe der2 Zerſtörungen, die ihr allerdings gelingen, abgeſehen und die ſittliche Welt- ordnung in’s Auge gefaßt wird, welche, ſelbſt unzerſtörbar, die Abſicht der all- gemeinen Zerſtörung gegen den Verbrecher umkehrt, in welchem ſelbſt ſie zum voraus als unverlierbares Bewußtſeyn gegenwärtig iſt.
1. Falſtaff wird aus einem Trinker, Hurer, Prahler gelegentlich zum Straßenräuber. Dies iſt böſe genug, aber man vergißt den ſittlichen Unwillen völlig, weil weitere Momente eintreten, welche, indem ſie den Verſuch des Böſen dem Komiſchen überliefern, zugleich den ganzen Stand- punkt verändern. Auch ſyſtematiſche Ränkeſucht kann komiſch werden, wenn ſie auf eine gewiſſe Weiſe an der höheren ſcheitert. Man denke an den Reineke Voß, der doch immer ein Bild des menſchlichen Lebens iſt. Hier ſind die übrigen Thiere nichtsnutzig, gefräßig, lüſtern, diebiſch u. ſ. w. wie Reineke, aber ihre Tücke ſcheitern komiſch an ſeinem ganzen und vollendeten Egoismus.
2. Das Böſe iſt „die Kraft, die ſtets das Böſe will und ſtets das Gute ſchafft.“ Mephiſtopheles hat ſelbſt ein humoriſtiſches Bewußt- ſeyn davon. Der Teufel galt immer als dummer Teufel. Die Komik des Böſen iſt eine doppelte: ohne daß dadurch der ſchauderhaft erhabene Eindruck des Ganzen aufgehoben würde, iſt der Böſe perſönlich humoriſtiſch und zwar aus dem vorhin unter 1 genannten Grunde. Aber das Ganze des Schauſpiels wird komiſch durch den im §. genannten Blick auf die Ironie der ſittlichen Weltordnung. Aus der Bemerkung 1 und 2, ſowie aus den Bem. zu §. 162 ergibt ſich von ſelbſt, wie das ȣ᾽ μέντοι κατὰ πᾶσαν κακίαν des Ariſtoteles (§. 152 Anm.) zu erklären iſt. Die Auseinanderſetzung des dritten Moments, der Zuſammenfaſſung der beiden Glieder im Komiſchen, hat aber dies Alles erſt noch zu ergänzen.
§. 164.
Der Wille des Guten iſt vom Komiſchen keineswegs, wie Hegel meint, auszunehmen, denn gerade je reiner er iſt, deſto fühlbarer ſeine Brechung durch das Zufällige und Unfreie, was ſich in ſein inneres Leben und in ſeine Thätig- keit einſchleicht. Ja gerade, je wahrhafter erhaben der Gegenſtand, deſto ächter, je mehr nur ſcheinbar erhaben, deſto geringer die Komik. Leichter aber tritt das Komiſche ein in dem poſitiv als in dem negativ Pathetiſchen, da von dem Letzteren Mitleid und Furcht zu ſchwer fernzuhalten ſind.
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gemeinen Zerſtörung gegen den Verbrecher umkehrt, in welchem ſelbſt ſie zum
voraus als unverlierbares Bewußtſeyn gegenwärtig iſt.
1. Falſtaff wird aus einem Trinker, Hurer, Prahler gelegentlich
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Unwillen völlig, weil weitere Momente eintreten, welche, indem ſie den
Verſuch des Böſen dem Komiſchen überliefern, zugleich den ganzen Stand-
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wenn ſie auf eine gewiſſe Weiſe an der höheren ſcheitert. Man denke
an den Reineke Voß, der doch immer ein Bild des menſchlichen Lebens
iſt. Hier ſind die übrigen Thiere nichtsnutzig, gefräßig, lüſtern, diebiſch
u. ſ. w. wie Reineke, aber ihre Tücke ſcheitern komiſch an ſeinem ganzen
und vollendeten Egoismus.
2. Das Böſe iſt „die Kraft, die ſtets das Böſe will und ſtets das
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des Böſen iſt eine doppelte: ohne daß dadurch der ſchauderhaft erhabene
Eindruck des Ganzen aufgehoben würde, iſt der Böſe perſönlich humoriſtiſch
und zwar aus dem vorhin unter 1 genannten Grunde. Aber das Ganze
des Schauſpiels wird komiſch durch den im §. genannten Blick auf die
Ironie der ſittlichen Weltordnung. Aus der Bemerkung 1 und 2, ſowie
aus den Bem. zu §. 162 ergibt ſich von ſelbſt, wie das ȣ᾽ μέντοι κατὰ
πᾶσαν κακίαν des Ariſtoteles (§. 152 Anm.) zu erklären iſt. Die
Auseinanderſetzung des dritten Moments, der Zuſammenfaſſung der beiden
Glieder im Komiſchen, hat aber dies Alles erſt noch zu ergänzen.
§. 164.
Der Wille des Guten iſt vom Komiſchen keineswegs, wie Hegel meint,
auszunehmen, denn gerade je reiner er iſt, deſto fühlbarer ſeine Brechung durch
das Zufällige und Unfreie, was ſich in ſein inneres Leben und in ſeine Thätig-
keit einſchleicht. Ja gerade, je wahrhafter erhaben der Gegenſtand, deſto ächter,
je mehr nur ſcheinbar erhaben, deſto geringer die Komik. Leichter aber tritt
das Komiſche ein in dem poſitiv als in dem negativ Pathetiſchen, da von
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/381>, abgerufen am 24.11.2024.
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