Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

unwahre Gestalt, die Häßlichkeit, steht als das eine Subject auf der
einen Seite: als das eine Subject, denn es ist Thätigkeit, wenn auch
nur die endliche und halbe Thätigkeit, es ist darum freilich in Wahrheit
unwahres Subject, weil es ja von sich selbst nicht weiß und seine Thä-
tigkeit nicht sich selbst zum Gegenstande hat; wir nennen es aber Subject,
weil es die Möglichkeit der Selbstbethätigung ist. Dies steht auf der
einen Seite als Gegenstand, der ebendarum wieder bloser Gegenstand
und schlechtes Daseyn ist, weil ihm die Freiheit fehlt. Auf der andern
Seite steht das freie Subject, welches aber ebenfalls noch nicht das
freie ist, denn es ist frei erst, indem es die selbstbewußte Anschauung
des unfreien Subjects ist, oder vielmehr es wird frei, befreit sich selbst
aus jener Trübung, auf die es eingeht, die es in seine Thätigkeit
aufnimmt. Solange beide auseinander gehalten werden, sind beide nur
das Mangelhafte, das Einseitige, das Unwirkliche. Denn auch das
nichthäßliche Subject, ein Selbstbewußtseyn, welches sich noch nicht als
solches bethätigt, hat sich zwar noch nicht verloren, wie im Häßlichen,
aber es hat sich auch nocht nicht gewonnen und ist daher noch
ebenfalls unwirklich. Seine Wirklichkeit ist der Augenblick,
wo es sein anderes Theil ergreift und darin sein Licht ent-
zündet
. -- Es sind im Komischen nicht mehr diese zwei vorhanden,
sondern ihre Entzweiung ist beendigt und in Eins gefaßt. Der Geist
ist diese Eine Thätigkeit der beiden Seiten der Unterscheidung und der
Zusammenfassung derselben, er ist also die allgemeine, die ganze
Thätigkeit. -- Er muß sich freilich zum Behufe seiner Befreiung aus
der Besinnungslosigkeit zuvor zu seinem eigenen Gegenstande werden, sich
entzweien. Darum ist allerdings vom Subject und Object im Komischen
die Rede, J. Paul kann aber von diesem Geiste, welcher das Komische
ist, nicht sagen: ""es (das Komische) wohne nie im Objecte, sondern
im Subjecte,"" denn so wohnt es überhaupt nicht, sondern es ist diese
Thätigkeit, in welcher das Object und das Subject zusammenziehen,
um doch bei dem Bilde des Logirens zu bleiben. Ist aber das inhalts-
volle Subject
, die Thätigkeit gemeint, in welcher sowohl das Object,
als das Subject vorhanden sind, so ist das Komische allerdings Subject,
und wenn man sagen wollte, es wohne im Subject, so wohnt freilich das
Subject in sich selber, wenn es überhaupt wohnt." Sofort nennt Ruge
die zuerst getrennten Zwei zwei Individuen, das aber, was aus ihrer
gegenseitigen Durchdringung hervorgeht, "die Eine freie Persön-
lichkeit
, deren Begriff eben darin besteht, das concrete Subject zu seyn,

unwahre Geſtalt, die Häßlichkeit, ſteht als das eine Subject auf der
einen Seite: als das eine Subject, denn es iſt Thätigkeit, wenn auch
nur die endliche und halbe Thätigkeit, es iſt darum freilich in Wahrheit
unwahres Subject, weil es ja von ſich ſelbſt nicht weiß und ſeine Thä-
tigkeit nicht ſich ſelbſt zum Gegenſtande hat; wir nennen es aber Subject,
weil es die Möglichkeit der Selbſtbethätigung iſt. Dies ſteht auf der
einen Seite als Gegenſtand, der ebendarum wieder bloſer Gegenſtand
und ſchlechtes Daſeyn iſt, weil ihm die Freiheit fehlt. Auf der andern
Seite ſteht das freie Subject, welches aber ebenfalls noch nicht das
freie iſt, denn es iſt frei erſt, indem es die ſelbſtbewußte Anſchauung
des unfreien Subjects iſt, oder vielmehr es wird frei, befreit ſich ſelbſt
aus jener Trübung, auf die es eingeht, die es in ſeine Thätigkeit
aufnimmt. Solange beide auseinander gehalten werden, ſind beide nur
das Mangelhafte, das Einſeitige, das Unwirkliche. Denn auch das
nichthäßliche Subject, ein Selbſtbewußtſeyn, welches ſich noch nicht als
ſolches bethätigt, hat ſich zwar noch nicht verloren, wie im Häßlichen,
aber es hat ſich auch nocht nicht gewonnen und iſt daher noch
ebenfalls unwirklich. Seine Wirklichkeit iſt der Augenblick,
wo es ſein anderes Theil ergreift und darin ſein Licht ent-
zündet
. — Es ſind im Komiſchen nicht mehr dieſe zwei vorhanden,
ſondern ihre Entzweiung iſt beendigt und in Eins gefaßt. Der Geiſt
iſt dieſe Eine Thätigkeit der beiden Seiten der Unterſcheidung und der
Zuſammenfaſſung derſelben, er iſt alſo die allgemeine, die ganze
Thätigkeit. — Er muß ſich freilich zum Behufe ſeiner Befreiung aus
der Beſinnungsloſigkeit zuvor zu ſeinem eigenen Gegenſtande werden, ſich
entzweien. Darum iſt allerdings vom Subject und Object im Komiſchen
die Rede, J. Paul kann aber von dieſem Geiſte, welcher das Komiſche
iſt, nicht ſagen: „„es (das Komiſche) wohne nie im Objecte, ſondern
im Subjecte,““ denn ſo wohnt es überhaupt nicht, ſondern es iſt dieſe
Thätigkeit, in welcher das Object und das Subject zuſammenziehen,
um doch bei dem Bilde des Logirens zu bleiben. Iſt aber das inhalts-
volle Subject
, die Thätigkeit gemeint, in welcher ſowohl das Object,
als das Subject vorhanden ſind, ſo iſt das Komiſche allerdings Subject,
und wenn man ſagen wollte, es wohne im Subject, ſo wohnt freilich das
Subject in ſich ſelber, wenn es überhaupt wohnt.“ Sofort nennt Ruge
die zuerſt getrennten Zwei zwei Individuen, das aber, was aus ihrer
gegenſeitigen Durchdringung hervorgeht, „die Eine freie Perſön-
lichkeit
, deren Begriff eben darin beſteht, das concrete Subject zu ſeyn,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0411" n="397"/>
unwahre Ge&#x017F;talt, die Häßlichkeit, &#x017F;teht als das eine Subject auf der<lb/>
einen Seite: als das eine Subject, denn es i&#x017F;t Thätigkeit, wenn auch<lb/>
nur die endliche und halbe Thätigkeit, es i&#x017F;t darum freilich in Wahrheit<lb/>
unwahres Subject, weil es ja von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht weiß und &#x017F;eine Thä-<lb/>
tigkeit nicht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zum Gegen&#x017F;tande hat; wir nennen es aber Subject,<lb/>
weil es die Möglichkeit der Selb&#x017F;tbethätigung i&#x017F;t. Dies &#x017F;teht auf der<lb/>
einen Seite als Gegen&#x017F;tand, der ebendarum wieder <hi rendition="#g">blo&#x017F;er</hi> Gegen&#x017F;tand<lb/>
und <hi rendition="#g">&#x017F;chlechtes</hi> Da&#x017F;eyn i&#x017F;t, weil ihm die Freiheit fehlt. Auf der andern<lb/>
Seite &#x017F;teht das freie Subject, welches aber ebenfalls noch nicht das<lb/>
freie i&#x017F;t, denn es i&#x017F;t frei er&#x017F;t, indem es die &#x017F;elb&#x017F;tbewußte An&#x017F;chauung<lb/>
des unfreien Subjects i&#x017F;t, oder vielmehr es wird frei, befreit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
aus jener Trübung, auf die es eingeht, die es in &#x017F;eine Thätigkeit<lb/>
aufnimmt. Solange beide auseinander gehalten werden, &#x017F;ind beide nur<lb/>
das Mangelhafte, das Ein&#x017F;eitige, das Unwirkliche. Denn auch das<lb/>
nichthäßliche Subject, ein Selb&#x017F;tbewußt&#x017F;eyn, welches &#x017F;ich noch nicht als<lb/>
&#x017F;olches bethätigt, hat &#x017F;ich zwar <hi rendition="#g">noch nicht verloren</hi>, wie im Häßlichen,<lb/>
aber es hat &#x017F;ich auch <hi rendition="#g">nocht nicht gewonnen</hi> und i&#x017F;t daher noch<lb/>
ebenfalls <hi rendition="#g">unwirklich. Seine Wirklichkeit i&#x017F;t der Augenblick,<lb/>
wo es &#x017F;ein anderes Theil ergreift und darin &#x017F;ein Licht ent-<lb/>
zündet</hi>. &#x2014; Es &#x017F;ind im Komi&#x017F;chen nicht mehr die&#x017F;e zwei vorhanden,<lb/>
&#x017F;ondern ihre Entzweiung i&#x017F;t beendigt und in Eins gefaßt. Der Gei&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;e Eine Thätigkeit der beiden Seiten der Unter&#x017F;cheidung und der<lb/>
Zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;ung der&#x017F;elben, er i&#x017F;t al&#x017F;o die <hi rendition="#g">allgemeine</hi>, die <hi rendition="#g">ganze</hi><lb/>
Thätigkeit. &#x2014; Er muß &#x017F;ich freilich zum Behufe &#x017F;einer Befreiung aus<lb/>
der Be&#x017F;innungslo&#x017F;igkeit zuvor zu &#x017F;einem eigenen Gegen&#x017F;tande werden, &#x017F;ich<lb/>
entzweien. Darum i&#x017F;t allerdings vom Subject und Object im Komi&#x017F;chen<lb/>
die Rede, J. <hi rendition="#g">Paul</hi> kann aber von die&#x017F;em Gei&#x017F;te, welcher das Komi&#x017F;che<lb/>
i&#x017F;t, nicht &#x017F;agen: &#x201E;&#x201E;es (das Komi&#x017F;che) wohne <hi rendition="#g">nie</hi> im Objecte, &#x017F;ondern<lb/>
im Subjecte,&#x201C;&#x201C; denn &#x017F;o <hi rendition="#g">wohnt</hi> es überhaupt nicht, &#x017F;ondern es i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Thätigkeit, in welcher das Object und das Subject <hi rendition="#g">zu&#x017F;ammenziehen</hi>,<lb/>
um doch bei dem Bilde des Logirens zu bleiben. I&#x017F;t aber das <hi rendition="#g">inhalts-<lb/>
volle Subject</hi>, die Thätigkeit gemeint, in welcher <hi rendition="#g">&#x017F;owohl</hi> das Object,<lb/><hi rendition="#g">als</hi> das Subject vorhanden &#x017F;ind, &#x017F;o i&#x017F;t das Komi&#x017F;che allerdings Subject,<lb/>
und wenn man &#x017F;agen wollte, es wohne im Subject, &#x017F;o wohnt freilich das<lb/>
Subject in &#x017F;ich &#x017F;elber, wenn es überhaupt <hi rendition="#g">wohnt</hi>.&#x201C; Sofort nennt <hi rendition="#g">Ruge</hi><lb/>
die zuer&#x017F;t getrennten Zwei zwei <hi rendition="#g">Individuen</hi>, das aber, was aus ihrer<lb/>
gegen&#x017F;eitigen Durchdringung hervorgeht, &#x201E;die <hi rendition="#g">Eine freie Per&#x017F;ön-<lb/>
lichkeit</hi>, deren Begriff eben darin be&#x017F;teht, das concrete Subject zu &#x017F;eyn,<lb/></hi> </p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0411] unwahre Geſtalt, die Häßlichkeit, ſteht als das eine Subject auf der einen Seite: als das eine Subject, denn es iſt Thätigkeit, wenn auch nur die endliche und halbe Thätigkeit, es iſt darum freilich in Wahrheit unwahres Subject, weil es ja von ſich ſelbſt nicht weiß und ſeine Thä- tigkeit nicht ſich ſelbſt zum Gegenſtande hat; wir nennen es aber Subject, weil es die Möglichkeit der Selbſtbethätigung iſt. Dies ſteht auf der einen Seite als Gegenſtand, der ebendarum wieder bloſer Gegenſtand und ſchlechtes Daſeyn iſt, weil ihm die Freiheit fehlt. Auf der andern Seite ſteht das freie Subject, welches aber ebenfalls noch nicht das freie iſt, denn es iſt frei erſt, indem es die ſelbſtbewußte Anſchauung des unfreien Subjects iſt, oder vielmehr es wird frei, befreit ſich ſelbſt aus jener Trübung, auf die es eingeht, die es in ſeine Thätigkeit aufnimmt. Solange beide auseinander gehalten werden, ſind beide nur das Mangelhafte, das Einſeitige, das Unwirkliche. Denn auch das nichthäßliche Subject, ein Selbſtbewußtſeyn, welches ſich noch nicht als ſolches bethätigt, hat ſich zwar noch nicht verloren, wie im Häßlichen, aber es hat ſich auch nocht nicht gewonnen und iſt daher noch ebenfalls unwirklich. Seine Wirklichkeit iſt der Augenblick, wo es ſein anderes Theil ergreift und darin ſein Licht ent- zündet. — Es ſind im Komiſchen nicht mehr dieſe zwei vorhanden, ſondern ihre Entzweiung iſt beendigt und in Eins gefaßt. Der Geiſt iſt dieſe Eine Thätigkeit der beiden Seiten der Unterſcheidung und der Zuſammenfaſſung derſelben, er iſt alſo die allgemeine, die ganze Thätigkeit. — Er muß ſich freilich zum Behufe ſeiner Befreiung aus der Beſinnungsloſigkeit zuvor zu ſeinem eigenen Gegenſtande werden, ſich entzweien. Darum iſt allerdings vom Subject und Object im Komiſchen die Rede, J. Paul kann aber von dieſem Geiſte, welcher das Komiſche iſt, nicht ſagen: „„es (das Komiſche) wohne nie im Objecte, ſondern im Subjecte,““ denn ſo wohnt es überhaupt nicht, ſondern es iſt dieſe Thätigkeit, in welcher das Object und das Subject zuſammenziehen, um doch bei dem Bilde des Logirens zu bleiben. Iſt aber das inhalts- volle Subject, die Thätigkeit gemeint, in welcher ſowohl das Object, als das Subject vorhanden ſind, ſo iſt das Komiſche allerdings Subject, und wenn man ſagen wollte, es wohne im Subject, ſo wohnt freilich das Subject in ſich ſelber, wenn es überhaupt wohnt.“ Sofort nennt Ruge die zuerſt getrennten Zwei zwei Individuen, das aber, was aus ihrer gegenſeitigen Durchdringung hervorgeht, „die Eine freie Perſön- lichkeit, deren Begriff eben darin beſteht, das concrete Subject zu ſeyn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/411
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/411>, abgerufen am 22.11.2024.