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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

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eine Form des letzteren, aber nicht so, daß es unmittelbar wieder zum
einfach Schönen, wiewohl als Ideal, führte, es als sein Ergebniß in
seinen Schluß hereinnähme, denn das Komische hat kaum die wahre Ge-
stalt aus der unwahren herausgefunden, so erzeugt es wieder die unwahre
und bleibt so fortspielend ganz in sich. Die Rückkehr zur Beruhigung
des Schönen, welche der Taumel des Komischen fordert, ist also mit
völliger Beiseitlassung eines vorschnellen Uebergangs zum Ideale ganz
anders zu finden, als auf dem Wege Ruges.

§. 185.

Mit Recht bestimmt daher die Schule Schellings das Komische als
die negative und unendliche Freiheit des Subjects, welches in reiner Zweck-
losigkeit und Willkür die Welt vernichtet, indem es sie des bindenden Gesetzes
entleert durch Umkehrung alles Objectiven und Positiven, aber nur, um sie als
ursprünglich in ihrer Fülle Eins mit dem Unendlichen darzustellen und sie zum
Spiegel der eigenen Freiheit zu machen, Hegel als den Verrath der allge-
meinen Wesenheit an das Selbst, als die negative Kraft des einzelnen Selbst,
in welcher die Götter als Naturmächte wie als die sittlichen Gesetze der allge-
meinen Ordnung verschwinden, die absolute Macht die Form eines Vorge-
stellten, von dem Bewußtseyn überhaupt Getrennten und ihm Fremden verliert
und eben nur die Gewißheit seiner selbst bleibt, worin das einzelne Bewußtseyn
ganz bei sich und die einzige Wirklichkeit ist: eine Rückkehr alles Allgemeinen
in die Gewißheit seiner selbst, die hiedurch eine vollkommene Furcht- und
Wesenlosigkeit alles Fremden und ein reines Wohlseyn und Sich-wohlseyn-lassen
des Bewußtseyns ist.

Die Ansicht, die aus Schellings Schule hervorgegangen, ist
nach Ast dargestellt, der sie am vollständigsten gibt (System der Kunst-
lehre oder Lehr- und Handbuch der Aesthetik u. s. w. §. 193 ff.).
Seine Entwicklung ermangelt der Schärfe und man mag dies der Dar-
stellung im §., die aus verschiedenen, sich folgenden Wendungen zusammen-
gelesen ist, immerhin anmerken. Das Schwankende liegt namentlich
darin, daß die unendliche Subjectivität bald Freiheit, bald Willkür heißt.
Den letztern Begriff, welchen er dem des zwecklosen Spiels gleichstellt,
hat auch W. Schlegel (Vorles. über dramat. Kunst und Liter. Vorl.
2 und 6). Wie damit die "Oberhand des Sinnlichen", die Abhängig-
keit vom thierischen Theile, der Mangel an Freiheit und Selbständigkeit"

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eine Form des letzteren, aber nicht ſo, daß es unmittelbar wieder zum
einfach Schönen, wiewohl als Ideal, führte, es als ſein Ergebniß in
ſeinen Schluß hereinnähme, denn das Komiſche hat kaum die wahre Ge-
ſtalt aus der unwahren herausgefunden, ſo erzeugt es wieder die unwahre
und bleibt ſo fortſpielend ganz in ſich. Die Rückkehr zur Beruhigung
des Schönen, welche der Taumel des Komiſchen fordert, iſt alſo mit
völliger Beiſeitlaſſung eines vorſchnellen Uebergangs zum Ideale ganz
anders zu finden, als auf dem Wege Ruges.

§. 185.

Mit Recht beſtimmt daher die Schule Schellings das Komiſche als
die negative und unendliche Freiheit des Subjects, welches in reiner Zweck-
loſigkeit und Willkür die Welt vernichtet, indem es ſie des bindenden Geſetzes
entleert durch Umkehrung alles Objectiven und Poſitiven, aber nur, um ſie als
urſprünglich in ihrer Fülle Eins mit dem Unendlichen darzuſtellen und ſie zum
Spiegel der eigenen Freiheit zu machen, Hegel als den Verrath der allge-
meinen Weſenheit an das Selbſt, als die negative Kraft des einzelnen Selbſt,
in welcher die Götter als Naturmächte wie als die ſittlichen Geſetze der allge-
meinen Ordnung verſchwinden, die abſolute Macht die Form eines Vorge-
ſtellten, von dem Bewußtſeyn überhaupt Getrennten und ihm Fremden verliert
und eben nur die Gewißheit ſeiner ſelbſt bleibt, worin das einzelne Bewußtſeyn
ganz bei ſich und die einzige Wirklichkeit iſt: eine Rückkehr alles Allgemeinen
in die Gewißheit ſeiner ſelbſt, die hiedurch eine vollkommene Furcht- und
Weſenloſigkeit alles Fremden und ein reines Wohlſeyn und Sich-wohlſeyn-laſſen
des Bewußtſeyns iſt.

Die Anſicht, die aus Schellings Schule hervorgegangen, iſt
nach Aſt dargeſtellt, der ſie am vollſtändigſten gibt (Syſtem der Kunſt-
lehre oder Lehr- und Handbuch der Aeſthetik u. ſ. w. §. 193 ff.).
Seine Entwicklung ermangelt der Schärfe und man mag dies der Dar-
ſtellung im §., die aus verſchiedenen, ſich folgenden Wendungen zuſammen-
geleſen iſt, immerhin anmerken. Das Schwankende liegt namentlich
darin, daß die unendliche Subjectivität bald Freiheit, bald Willkür heißt.
Den letztern Begriff, welchen er dem des zweckloſen Spiels gleichſtellt,
hat auch W. Schlegel (Vorleſ. über dramat. Kunſt und Liter. Vorl.
2 und 6). Wie damit die „Oberhand des Sinnlichen“, die Abhängig-
keit vom thieriſchen Theile, der Mangel an Freiheit und Selbſtändigkeit“

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[403/0417] eine Form des letzteren, aber nicht ſo, daß es unmittelbar wieder zum einfach Schönen, wiewohl als Ideal, führte, es als ſein Ergebniß in ſeinen Schluß hereinnähme, denn das Komiſche hat kaum die wahre Ge- ſtalt aus der unwahren herausgefunden, ſo erzeugt es wieder die unwahre und bleibt ſo fortſpielend ganz in ſich. Die Rückkehr zur Beruhigung des Schönen, welche der Taumel des Komiſchen fordert, iſt alſo mit völliger Beiſeitlaſſung eines vorſchnellen Uebergangs zum Ideale ganz anders zu finden, als auf dem Wege Ruges. §. 185. Mit Recht beſtimmt daher die Schule Schellings das Komiſche als die negative und unendliche Freiheit des Subjects, welches in reiner Zweck- loſigkeit und Willkür die Welt vernichtet, indem es ſie des bindenden Geſetzes entleert durch Umkehrung alles Objectiven und Poſitiven, aber nur, um ſie als urſprünglich in ihrer Fülle Eins mit dem Unendlichen darzuſtellen und ſie zum Spiegel der eigenen Freiheit zu machen, Hegel als den Verrath der allge- meinen Weſenheit an das Selbſt, als die negative Kraft des einzelnen Selbſt, in welcher die Götter als Naturmächte wie als die ſittlichen Geſetze der allge- meinen Ordnung verſchwinden, die abſolute Macht die Form eines Vorge- ſtellten, von dem Bewußtſeyn überhaupt Getrennten und ihm Fremden verliert und eben nur die Gewißheit ſeiner ſelbſt bleibt, worin das einzelne Bewußtſeyn ganz bei ſich und die einzige Wirklichkeit iſt: eine Rückkehr alles Allgemeinen in die Gewißheit ſeiner ſelbſt, die hiedurch eine vollkommene Furcht- und Weſenloſigkeit alles Fremden und ein reines Wohlſeyn und Sich-wohlſeyn-laſſen des Bewußtſeyns iſt. Die Anſicht, die aus Schellings Schule hervorgegangen, iſt nach Aſt dargeſtellt, der ſie am vollſtändigſten gibt (Syſtem der Kunſt- lehre oder Lehr- und Handbuch der Aeſthetik u. ſ. w. §. 193 ff.). Seine Entwicklung ermangelt der Schärfe und man mag dies der Dar- ſtellung im §., die aus verſchiedenen, ſich folgenden Wendungen zuſammen- geleſen iſt, immerhin anmerken. Das Schwankende liegt namentlich darin, daß die unendliche Subjectivität bald Freiheit, bald Willkür heißt. Den letztern Begriff, welchen er dem des zweckloſen Spiels gleichſtellt, hat auch W. Schlegel (Vorleſ. über dramat. Kunſt und Liter. Vorl. 2 und 6). Wie damit die „Oberhand des Sinnlichen“, die Abhängig- keit vom thieriſchen Theile, der Mangel an Freiheit und Selbſtändigkeit“ 26*

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/417>, abgerufen am 22.11.2024.