ihrer Wahrheit zugleich einseitig waren. Die Komik abstrahirt nur vom Schmerzlichen des Ausgangs. Ferner sagt Hegel a. a. O., die Subjectivität dürfe als solche nicht in der Komödie zu Grunde gehen. Sie geht freilich nicht zu Grunde, aber nicht, weil sie nur das in sich der Komik opfert, was blose "Einbildung des Substantiellen" wäre, sondern weil sie auch das ächt Substantielle in seine Widersprüche verfolgt, um es darin fort- zubehaupten.
§. 187.
Da nun das Wesen des Komischen darin besteht, daß es vom Mittel- punkte der Subjectivität aus jede Art des Erhabenen ergreift und verkehrt, so kann die Eintheilung seiner Formen nicht aus jener Stufenfolge hervorgehen, welche die des Erhabenen bestimmte. Das Erhabene ist jetzt Stoff geworden und nicht der Unterschied des Stoffs kann den Unterschied der Formen des Komischen bedingen; nicht was die Komik in ihren Kreis zieht, sondern wie sie es thut, darauf kommt es an. Der Unterschied dieses Wie kann nur aus den verschiedenen Stellungen hervorgehen, welche die im Komischen thätige Subjectivität zum objectiven Vorgange annimmt, je nachdem sie nämlich, selbst beziehungsweise bewußtlos und sinnlich bestimmt, in ihm aufgeht, oder sich mit freier Reflexion aus ihm in sich zurückzieht, oder mit erfüllter Innerlichkeit sich wieder mit dem Seyn vereinigt und sich in dasselbe ergießt. Je mit dem Grade der subjectiven Tiefe und Erweiterung wechselt aber allerdings auch die Weise, wie der Stoff gefaßt wird.
Das Erhabene heißt hier Stoff und wurde so schon öfters in dieser Entwicklung des Komischen genannt. Hiebei ist die Unterscheidung des Sinns im Begriffe des Stoffs, wie sie zu §. 55, 2 gegeben wurde, ganz aus dem Auge zu lassen. Denn dort wurde untersucht, was Stoff im rein ästhetischen Sinn heiße, hier aber wird der Ausdruck in der allgemeinen Bedeutung gebraucht, wie er überall vorkommt: Stoff ist der Gegenstand einer Thätigkeit, Stoff ist, was verarbeitet wird.
Um den Inhalt des §. sogleich durch Vorerwähnung der verschiedenen Formen des Komischen zu erläutern, so darf nur daran erinnert werden, wie z. B. schon die Posse die Entstellung der Religion, also des höchsten Stoffes, durch die Kirche in öffentlichen Aufzügen auf ihre Weise zum komischen Gegenstande macht, was die ungleich reflectirtere Form des Witzes auf andere Weise ebenfalls und durch Aufdeckung der tiefsten und
ihrer Wahrheit zugleich einſeitig waren. Die Komik abſtrahirt nur vom Schmerzlichen des Ausgangs. Ferner ſagt Hegel a. a. O., die Subjectivität dürfe als ſolche nicht in der Komödie zu Grunde gehen. Sie geht freilich nicht zu Grunde, aber nicht, weil ſie nur das in ſich der Komik opfert, was bloſe „Einbildung des Subſtantiellen“ wäre, ſondern weil ſie auch das ächt Subſtantielle in ſeine Widerſprüche verfolgt, um es darin fort- zubehaupten.
§. 187.
Da nun das Weſen des Komiſchen darin beſteht, daß es vom Mittel- punkte der Subjectivität aus jede Art des Erhabenen ergreift und verkehrt, ſo kann die Eintheilung ſeiner Formen nicht aus jener Stufenfolge hervorgehen, welche die des Erhabenen beſtimmte. Das Erhabene iſt jetzt Stoff geworden und nicht der Unterſchied des Stoffs kann den Unterſchied der Formen des Komiſchen bedingen; nicht was die Komik in ihren Kreis zieht, ſondern wie ſie es thut, darauf kommt es an. Der Unterſchied dieſes Wie kann nur aus den verſchiedenen Stellungen hervorgehen, welche die im Komiſchen thätige Subjectivität zum objectiven Vorgange annimmt, je nachdem ſie nämlich, ſelbſt beziehungsweiſe bewußtlos und ſinnlich beſtimmt, in ihm aufgeht, oder ſich mit freier Reflexion aus ihm in ſich zurückzieht, oder mit erfüllter Innerlichkeit ſich wieder mit dem Seyn vereinigt und ſich in dasſelbe ergießt. Je mit dem Grade der ſubjectiven Tiefe und Erweiterung wechſelt aber allerdings auch die Weiſe, wie der Stoff gefaßt wird.
Das Erhabene heißt hier Stoff und wurde ſo ſchon öfters in dieſer Entwicklung des Komiſchen genannt. Hiebei iſt die Unterſcheidung des Sinns im Begriffe des Stoffs, wie ſie zu §. 55, 2 gegeben wurde, ganz aus dem Auge zu laſſen. Denn dort wurde unterſucht, was Stoff im rein äſthetiſchen Sinn heiße, hier aber wird der Ausdruck in der allgemeinen Bedeutung gebraucht, wie er überall vorkommt: Stoff iſt der Gegenſtand einer Thätigkeit, Stoff iſt, was verarbeitet wird.
Um den Inhalt des §. ſogleich durch Vorerwähnung der verſchiedenen Formen des Komiſchen zu erläutern, ſo darf nur daran erinnert werden, wie z. B. ſchon die Poſſe die Entſtellung der Religion, alſo des höchſten Stoffes, durch die Kirche in öffentlichen Aufzügen auf ihre Weiſe zum komiſchen Gegenſtande macht, was die ungleich reflectirtere Form des Witzes auf andere Weiſe ebenfalls und durch Aufdeckung der tiefſten und
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ihrer Wahrheit zugleich einſeitig waren. Die Komik abſtrahirt nur vom
Schmerzlichen des Ausgangs. Ferner ſagt Hegel a. a. O., die Subjectivität
dürfe als ſolche nicht in der Komödie zu Grunde gehen. Sie geht freilich
nicht zu Grunde, aber nicht, weil ſie nur das in ſich der Komik opfert,
was bloſe „Einbildung des Subſtantiellen“ wäre, ſondern weil ſie auch
das ächt Subſtantielle in ſeine Widerſprüche verfolgt, um es darin fort-
zubehaupten.
§. 187.
Da nun das Weſen des Komiſchen darin beſteht, daß es vom Mittel-
punkte der Subjectivität aus jede Art des Erhabenen ergreift und verkehrt, ſo
kann die Eintheilung ſeiner Formen nicht aus jener Stufenfolge hervorgehen,
welche die des Erhabenen beſtimmte. Das Erhabene iſt jetzt Stoff geworden
und nicht der Unterſchied des Stoffs kann den Unterſchied der Formen des
Komiſchen bedingen; nicht was die Komik in ihren Kreis zieht, ſondern wie
ſie es thut, darauf kommt es an. Der Unterſchied dieſes Wie kann nur aus
den verſchiedenen Stellungen hervorgehen, welche die im Komiſchen thätige
Subjectivität zum objectiven Vorgange annimmt, je nachdem ſie nämlich, ſelbſt
beziehungsweiſe bewußtlos und ſinnlich beſtimmt, in ihm aufgeht, oder ſich mit
freier Reflexion aus ihm in ſich zurückzieht, oder mit erfüllter Innerlichkeit ſich
wieder mit dem Seyn vereinigt und ſich in dasſelbe ergießt. Je mit dem
Grade der ſubjectiven Tiefe und Erweiterung wechſelt aber allerdings auch die
Weiſe, wie der Stoff gefaßt wird.
Das Erhabene heißt hier Stoff und wurde ſo ſchon öfters in dieſer
Entwicklung des Komiſchen genannt. Hiebei iſt die Unterſcheidung des
Sinns im Begriffe des Stoffs, wie ſie zu §. 55, 2 gegeben wurde, ganz
aus dem Auge zu laſſen. Denn dort wurde unterſucht, was Stoff im rein
äſthetiſchen Sinn heiße, hier aber wird der Ausdruck in der allgemeinen
Bedeutung gebraucht, wie er überall vorkommt: Stoff iſt der Gegenſtand
einer Thätigkeit, Stoff iſt, was verarbeitet wird.
Um den Inhalt des §. ſogleich durch Vorerwähnung der verſchiedenen
Formen des Komiſchen zu erläutern, ſo darf nur daran erinnert werden,
wie z. B. ſchon die Poſſe die Entſtellung der Religion, alſo des höchſten
Stoffes, durch die Kirche in öffentlichen Aufzügen auf ihre Weiſe zum
komiſchen Gegenſtande macht, was die ungleich reflectirtere Form des
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/421>, abgerufen am 22.11.2024.
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