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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

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Subjectivität, deren freie, Glied und Gegenglied und ebendaher mit dem verlachten
Subjecte sich selbst in Eins zusammenfassende Unterschiebung als der thätige Mittel-
punkt des Komischen erkannt ist, in ihre volle Bedeutung treten soll, so folgt, daß
diejenige Subjectivität, welche diesen Act in vergleichungsweise bewußtlose Art
so vollzieht, daß sie in ihrem Stoffe aufgeht, gemäß der in §. 182 auf-
gestellten Stufenleiter eine höhere über sich fordert und findet, welche den Act
des Komischen gemäß dem wahren Begriffe der Subjectivität mit Wissen und
Wollen vollzieht und welcher daher die naiv komische Subjectivität sammt ihrem
Stoffe zum Stoffe wird. Zwar kehrt nach §. 183 die unendliche Linie dieser
Stufenleiter als Kreis in sich selbst zurück, allein innerhalb der besonderen
Formen des Komischen kann dieser Abschluß der Fortbewegung nicht früher
eintreten, als bis diejenige Subjectivität gefunden ist, welche das Komische in
seiner Tiefe wie in seiner Weite so erschöpft, daß eine Ueberordnung des ein-
zelnen Bewußtseyns über ein anderes einzelnes nichts mehr in der Sache selbst
verändern kann.

Dieser Fortschritt ist schon dadurch gefordert, daß das objectiv Ko-
mische als ein naives bestimmt, ja überhaupt, daß es objectiv genannt
wurde. Objectiv heißt zunächst, daß das zuschauende Bewußtseyn einen
greiflichen Stoff bedarf, weil es in seinem Gegenstande aufgeht; eben-
daher ist dies Bewußtseyn naiv. Die Subjectivität aber, die so ihrem
eigenen wahren Begriffe noch nicht entspricht, ist ebendaher objectiv in
dem übergreifenden Sinn, daß sie einer andern Subjectivität, die ihrem
Begriffe, selbstbewußt zu seyn, entspricht, zum Objecte wird, und eben-
so, wenn ich etwas naiv nenne, so spreche ich schon aus, daß ein hel-
leres Bewußtseyn ihm in sein Geheimniß hineinsieht und es sich zum
Gegenstande macht. Auch der Posse kommt freilich zuerst ihr Gegen-
stand, das von ihr verlachte Subject, naiv vor, aber daß sie in so
derben Collisionen das Naive sucht, ist von ihr selbst naiv. Der Witz,
zu dem wir hiemit übergehen, gehört der Subjectivität, welche ihrem
Begriffe, sich zu wissen und was sie thut, zu wollen, entspricht. Schon
St. Schütze (a. a. O. S. 143) hat den Witz als ein bewußtes
Vollbringen des Komischen bestimmt, er drückt dies (S. 144) auch so
aus: "was die Einfalt im Dunkeln findet, das sucht der Witz im Hellen
und bringt es hervor mit der Selbstschätzung seines Products." Genauer
bestimmt Ruge (a. a. O. S. 137 ff.) den Witz als die sich selbst
kennende und in Wirksamkeit setzende komische That, als das Sichwissen

Subjectivität, deren freie, Glied und Gegenglied und ebendaher mit dem verlachten
Subjecte ſich ſelbſt in Eins zuſammenfaſſende Unterſchiebung als der thätige Mittel-
punkt des Komiſchen erkannt iſt, in ihre volle Bedeutung treten ſoll, ſo folgt, daß
diejenige Subjectivität, welche dieſen Act in vergleichungsweiſe bewußtloſe Art
ſo vollzieht, daß ſie in ihrem Stoffe aufgeht, gemäß der in §. 182 auf-
geſtellten Stufenleiter eine höhere über ſich fordert und findet, welche den Act
des Komiſchen gemäß dem wahren Begriffe der Subjectivität mit Wiſſen und
Wollen vollzieht und welcher daher die naiv komiſche Subjectivität ſammt ihrem
Stoffe zum Stoffe wird. Zwar kehrt nach §. 183 die unendliche Linie dieſer
Stufenleiter als Kreis in ſich ſelbſt zurück, allein innerhalb der beſonderen
Formen des Komiſchen kann dieſer Abſchluß der Fortbewegung nicht früher
eintreten, als bis diejenige Subjectivität gefunden iſt, welche das Komiſche in
ſeiner Tiefe wie in ſeiner Weite ſo erſchöpft, daß eine Ueberordnung des ein-
zelnen Bewußtſeyns über ein anderes einzelnes nichts mehr in der Sache ſelbſt
verändern kann.

Dieſer Fortſchritt iſt ſchon dadurch gefordert, daß das objectiv Ko-
miſche als ein naives beſtimmt, ja überhaupt, daß es objectiv genannt
wurde. Objectiv heißt zunächſt, daß das zuſchauende Bewußtſeyn einen
greiflichen Stoff bedarf, weil es in ſeinem Gegenſtande aufgeht; eben-
daher iſt dies Bewußtſeyn naiv. Die Subjectivität aber, die ſo ihrem
eigenen wahren Begriffe noch nicht entſpricht, iſt ebendaher objectiv in
dem übergreifenden Sinn, daß ſie einer andern Subjectivität, die ihrem
Begriffe, ſelbſtbewußt zu ſeyn, entſpricht, zum Objecte wird, und eben-
ſo, wenn ich etwas naiv nenne, ſo ſpreche ich ſchon aus, daß ein hel-
leres Bewußtſeyn ihm in ſein Geheimniß hineinſieht und es ſich zum
Gegenſtande macht. Auch der Poſſe kommt freilich zuerſt ihr Gegen-
ſtand, das von ihr verlachte Subject, naiv vor, aber daß ſie in ſo
derben Colliſionen das Naive ſucht, iſt von ihr ſelbſt naiv. Der Witz,
zu dem wir hiemit übergehen, gehört der Subjectivität, welche ihrem
Begriffe, ſich zu wiſſen und was ſie thut, zu wollen, entſpricht. Schon
St. Schütze (a. a. O. S. 143) hat den Witz als ein bewußtes
Vollbringen des Komiſchen beſtimmt, er drückt dies (S. 144) auch ſo
aus: „was die Einfalt im Dunkeln findet, das ſucht der Witz im Hellen
und bringt es hervor mit der Selbſtſchätzung ſeines Products.“ Genauer
beſtimmt Ruge (a. a. O. S. 137 ff.) den Witz als die ſich ſelbſt
kennende und in Wirkſamkeit ſetzende komiſche That, als das Sichwiſſen

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[415/0429] Subjectivität, deren freie, Glied und Gegenglied und ebendaher mit dem verlachten Subjecte ſich ſelbſt in Eins zuſammenfaſſende Unterſchiebung als der thätige Mittel- punkt des Komiſchen erkannt iſt, in ihre volle Bedeutung treten ſoll, ſo folgt, daß diejenige Subjectivität, welche dieſen Act in vergleichungsweiſe bewußtloſe Art ſo vollzieht, daß ſie in ihrem Stoffe aufgeht, gemäß der in §. 182 auf- geſtellten Stufenleiter eine höhere über ſich fordert und findet, welche den Act des Komiſchen gemäß dem wahren Begriffe der Subjectivität mit Wiſſen und Wollen vollzieht und welcher daher die naiv komiſche Subjectivität ſammt ihrem Stoffe zum Stoffe wird. Zwar kehrt nach §. 183 die unendliche Linie dieſer Stufenleiter als Kreis in ſich ſelbſt zurück, allein innerhalb der beſonderen Formen des Komiſchen kann dieſer Abſchluß der Fortbewegung nicht früher eintreten, als bis diejenige Subjectivität gefunden iſt, welche das Komiſche in ſeiner Tiefe wie in ſeiner Weite ſo erſchöpft, daß eine Ueberordnung des ein- zelnen Bewußtſeyns über ein anderes einzelnes nichts mehr in der Sache ſelbſt verändern kann. Dieſer Fortſchritt iſt ſchon dadurch gefordert, daß das objectiv Ko- miſche als ein naives beſtimmt, ja überhaupt, daß es objectiv genannt wurde. Objectiv heißt zunächſt, daß das zuſchauende Bewußtſeyn einen greiflichen Stoff bedarf, weil es in ſeinem Gegenſtande aufgeht; eben- daher iſt dies Bewußtſeyn naiv. Die Subjectivität aber, die ſo ihrem eigenen wahren Begriffe noch nicht entſpricht, iſt ebendaher objectiv in dem übergreifenden Sinn, daß ſie einer andern Subjectivität, die ihrem Begriffe, ſelbſtbewußt zu ſeyn, entſpricht, zum Objecte wird, und eben- ſo, wenn ich etwas naiv nenne, ſo ſpreche ich ſchon aus, daß ein hel- leres Bewußtſeyn ihm in ſein Geheimniß hineinſieht und es ſich zum Gegenſtande macht. Auch der Poſſe kommt freilich zuerſt ihr Gegen- ſtand, das von ihr verlachte Subject, naiv vor, aber daß ſie in ſo derben Colliſionen das Naive ſucht, iſt von ihr ſelbſt naiv. Der Witz, zu dem wir hiemit übergehen, gehört der Subjectivität, welche ihrem Begriffe, ſich zu wiſſen und was ſie thut, zu wollen, entſpricht. Schon St. Schütze (a. a. O. S. 143) hat den Witz als ein bewußtes Vollbringen des Komiſchen beſtimmt, er drückt dies (S. 144) auch ſo aus: „was die Einfalt im Dunkeln findet, das ſucht der Witz im Hellen und bringt es hervor mit der Selbſtſchätzung ſeines Products.“ Genauer beſtimmt Ruge (a. a. O. S. 137 ff.) den Witz als die ſich ſelbſt kennende und in Wirkſamkeit ſetzende komiſche That, als das Sichwiſſen

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/429>, abgerufen am 22.11.2024.