Ein volles Lachen ruft nur der zwecklose Witz hervor, das Lachen des treffenden Witzes nimmt sich vor seinem Ausbruche zurück und gibt der Physiognomie den Ausdruck eines außer-ästhetischen Rückhalts egoistischer Genugthuung. Der Humor gibt dem Lachen seine Harmlosigkeit zurück, mäßigt aber dessen sinnliche Gewalt zu dem tieferen Ausdruck des bewußtvollen Kampfes, aus dem die Befreiung sich erzeugt, und erweitert den Genuß zu der Dauer des eine Welt- anschauung begleitenden Grundgefühls.
Es bedarf im Komischen nicht der umständlichen Auseinandersetzung des Eindrucks nach den verschiedenen Formen seines Grundes, wie im Erhabenen; denn schon die Darstellung des ursprünglichen Vorgangs muß überall die Seite des Genusses oder des Nachhalls in der Empfin- dung so mitaufnehmen, daß es ein Leichtes ist, was in diesem noch nicht ausdrücklich zur Darstellung kam, sich abzuleiten. Was den Witz betrifft, so wird es schwerlich geläugnet werden, daß über den ganz zwecklosen am vollsten gelacht wird. Die ernsthaftesten Leute, die selten lachen, brechen aus bei der völligen Thorheit des sogenannten schlechten Witzes. Von dem treffenden Witze allein gilt eigentlich die Erklärung, die ein Hobbes, Addison und Andere von allem Komischen aufstellen: der Genuß liege in dem Gefühl subjectiver Ueberlegenheit über den ver- lachten Gegenstand. Uebrigens ist hier nicht der Ort, das ästhetische Lachen mit dem nicht ästhetischen, worin nicht einmal der Genuß des Witzes, sondern nur irgend ein stoffartiger Affect zu Tage kommt, zu vergleichen. Dies, so wie eine Erwähnung der unreinen Formen komi- scher Thätigkeit, z. B. der Persiflage, gehört an die Stelle, wo zu zeigen ist, wie das Schöne, somit auch Komische, mit fremden und stoffartigen Beimischungen da auftritt, wo es erst unmittelbar, noch nicht zur Phantasie und Kunst geläutert, sich vorfindet. Den Eindruck des Humors nach den verschiedenen Gestalten desselben in seine Unterschiede zu verfolgen, bleibt dem Leser überlassen. Er wird leicht finden, daß hier zunächst die Friction am stärksten ist, weil Vernunft und Herz im Widerspruch mit Verstand und Sinnen auf's Vollste betheiligt sind, daß aber auch das reine Freiheitsgefühl um so tiefer geht, entsprechend der Versöhnung im Tragischen, welche mit der Herbe der Negation zunimmt.
Ein volles Lachen ruft nur der zweckloſe Witz hervor, das Lachen des treffenden Witzes nimmt ſich vor ſeinem Ausbruche zurück und gibt der Phyſiognomie den Ausdruck eines außer-äſthetiſchen Rückhalts egoiſtiſcher Genugthuung. Der Humor gibt dem Lachen ſeine Harmloſigkeit zurück, mäßigt aber deſſen ſinnliche Gewalt zu dem tieferen Ausdruck des bewußtvollen Kampfes, aus dem die Befreiung ſich erzeugt, und erweitert den Genuß zu der Dauer des eine Welt- anſchauung begleitenden Grundgefühls.
Es bedarf im Komiſchen nicht der umſtändlichen Auseinanderſetzung des Eindrucks nach den verſchiedenen Formen ſeines Grundes, wie im Erhabenen; denn ſchon die Darſtellung des urſprünglichen Vorgangs muß überall die Seite des Genuſſes oder des Nachhalls in der Empfin- dung ſo mitaufnehmen, daß es ein Leichtes iſt, was in dieſem noch nicht ausdrücklich zur Darſtellung kam, ſich abzuleiten. Was den Witz betrifft, ſo wird es ſchwerlich geläugnet werden, daß über den ganz zweckloſen am vollſten gelacht wird. Die ernſthafteſten Leute, die ſelten lachen, brechen aus bei der völligen Thorheit des ſogenannten ſchlechten Witzes. Von dem treffenden Witze allein gilt eigentlich die Erklärung, die ein Hobbes, Addiſon und Andere von allem Komiſchen aufſtellen: der Genuß liege in dem Gefühl ſubjectiver Ueberlegenheit über den ver- lachten Gegenſtand. Uebrigens iſt hier nicht der Ort, das äſthetiſche Lachen mit dem nicht äſthetiſchen, worin nicht einmal der Genuß des Witzes, ſondern nur irgend ein ſtoffartiger Affect zu Tage kommt, zu vergleichen. Dies, ſo wie eine Erwähnung der unreinen Formen komi- ſcher Thätigkeit, z. B. der Perſiflage, gehört an die Stelle, wo zu zeigen iſt, wie das Schöne, ſomit auch Komiſche, mit fremden und ſtoffartigen Beimiſchungen da auftritt, wo es erſt unmittelbar, noch nicht zur Phantaſie und Kunſt geläutert, ſich vorfindet. Den Eindruck des Humors nach den verſchiedenen Geſtalten deſſelben in ſeine Unterſchiede zu verfolgen, bleibt dem Leſer überlaſſen. Er wird leicht finden, daß hier zunächſt die Friction am ſtärkſten iſt, weil Vernunft und Herz im Widerſpruch mit Verſtand und Sinnen auf’s Vollſte betheiligt ſind, daß aber auch das reine Freiheitsgefühl um ſo tiefer geht, entſprechend der Verſöhnung im Tragiſchen, welche mit der Herbe der Negation zunimmt.
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Ein volles Lachen ruft nur der zweckloſe Witz hervor, das Lachen des treffenden
Witzes nimmt ſich vor ſeinem Ausbruche zurück und gibt der Phyſiognomie den
Ausdruck eines außer-äſthetiſchen Rückhalts egoiſtiſcher Genugthuung. Der
Humor gibt dem Lachen ſeine Harmloſigkeit zurück, mäßigt aber deſſen ſinnliche
Gewalt zu dem tieferen Ausdruck des bewußtvollen Kampfes, aus dem die
Befreiung ſich erzeugt, und erweitert den Genuß zu der Dauer des eine Welt-
anſchauung begleitenden Grundgefühls.
Es bedarf im Komiſchen nicht der umſtändlichen Auseinanderſetzung
des Eindrucks nach den verſchiedenen Formen ſeines Grundes, wie im
Erhabenen; denn ſchon die Darſtellung des urſprünglichen Vorgangs
muß überall die Seite des Genuſſes oder des Nachhalls in der Empfin-
dung ſo mitaufnehmen, daß es ein Leichtes iſt, was in dieſem noch
nicht ausdrücklich zur Darſtellung kam, ſich abzuleiten. Was den Witz
betrifft, ſo wird es ſchwerlich geläugnet werden, daß über den ganz
zweckloſen am vollſten gelacht wird. Die ernſthafteſten Leute, die ſelten
lachen, brechen aus bei der völligen Thorheit des ſogenannten ſchlechten
Witzes. Von dem treffenden Witze allein gilt eigentlich die Erklärung,
die ein Hobbes, Addiſon und Andere von allem Komiſchen aufſtellen:
der Genuß liege in dem Gefühl ſubjectiver Ueberlegenheit über den ver-
lachten Gegenſtand. Uebrigens iſt hier nicht der Ort, das äſthetiſche
Lachen mit dem nicht äſthetiſchen, worin nicht einmal der Genuß des
Witzes, ſondern nur irgend ein ſtoffartiger Affect zu Tage kommt, zu
vergleichen. Dies, ſo wie eine Erwähnung der unreinen Formen komi-
ſcher Thätigkeit, z. B. der Perſiflage, gehört an die Stelle, wo zu zeigen
iſt, wie das Schöne, ſomit auch Komiſche, mit fremden und ſtoffartigen
Beimiſchungen da auftritt, wo es erſt unmittelbar, noch nicht zur Phantaſie
und Kunſt geläutert, ſich vorfindet. Den Eindruck des Humors nach
den verſchiedenen Geſtalten deſſelben in ſeine Unterſchiede zu verfolgen,
bleibt dem Leſer überlaſſen. Er wird leicht finden, daß hier zunächſt
die Friction am ſtärkſten iſt, weil Vernunft und Herz im Widerſpruch
mit Verſtand und Sinnen auf’s Vollſte betheiligt ſind, daß aber auch
das reine Freiheitsgefühl um ſo tiefer geht, entſprechend der Verſöhnung
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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