Schönen und Wahren die Rede ist, welcher darin beruht, daß im Schönen Alles auf die Oberfläche der Gestalt ankommt. Dennoch war sie hier zu erwähnen, denn es gilt, den Satz von der innern Einheit des Wahren und Schönen (bei allem Unterschiede) zu schützen. Es wird also im §. angeführt, daß die Idee auf gewissen Punkten ihren Inhalt auf Kosten der Gestalt in der Tiefe sammelt. Gewisse Thiere z. B. sind klug und zugleich plump an Gestalt. Allein das Schöne kennt ja von seiner Seite auch eine Bewegung und geht über einen Gegensatz, wie sich zeigen wird; es gehört auch in's Schöne, wenn eine Reihe von Thätigkeiten den ersten üblen Eindruck der Gestalt aufhebt. Freilich mit dem innern Grunde jenes umgekehrten Verhältnisses, d. h. mit dem Bau des Gehirns und seinem Verhältniß zum Bau der festen Theile beschäftigt sich das Schöne nicht, und jene Aeußerungen, welche den ersten Eindruck vergüten, müssen selbst anschaulich seyn: da liegt der Unterschied. Auch die umgekehrte Art des Mißverhältnisses findet statt, wurde aber im §. nicht erwähnt: arme Organisation bei glänzender Oberfläche. Von dem blos bestechenden Glanz der Oberfläche läßt sich nämlich auch der ästhetische Standpunkt nicht verführen, über die Dürf- tigkeit des Ganzen wegzusehen. Farbenglanz z. B. kann für Mangel- haftigkeit der Gestalt, der Bewegung, des Ausdrucks in Ruhe und Thätigkeit nicht wirklich entschädigen.
§. 19.
1
Die Idee baut jene Stufenfolge nur, um auf der höchsten Stufe bei ihrer eigenen, in den vorhergehenden Stufen verborgenen Wahrheit anzukommen und in sich zurückzugehen, sie tritt als Selbstbewußtseyn hervor und wird Persönlichkeit. Auch diese höchste Gattung theilt sich wieder in gewisse Arten, geht aber nicht selbst als Art in eine höhere Gattung über, denn der Endzweck jener stufen- förmigen Ueberordnung ist erreicht. Ebendaher scheidet sie sich von den tieferen Stufen wesentlich dadurch ab, daß sie selbst ebensosehr Stufe als eine absolut 2neue Welt ist. Dieser höchste Gehalt der Idee ist zugleich der höchste Gehalt des Schönen. Das Schöne ist persönlich und alle vorhergegangenen Stufen er- halten nun die Bedeutung, die Persönlichkeit als werdende anzukündigen.
1. Was den Hervorgang des Geistes aus der Natur durch die menschliche Gattung betrifft, so kann hier keine Verpflichtung zu einer Auseinandersetzung Statt finden. Es gehört diese Erkenntniß, wie die
Schönen und Wahren die Rede iſt, welcher darin beruht, daß im Schönen Alles auf die Oberfläche der Geſtalt ankommt. Dennoch war ſie hier zu erwähnen, denn es gilt, den Satz von der innern Einheit des Wahren und Schönen (bei allem Unterſchiede) zu ſchützen. Es wird alſo im §. angeführt, daß die Idee auf gewiſſen Punkten ihren Inhalt auf Koſten der Geſtalt in der Tiefe ſammelt. Gewiſſe Thiere z. B. ſind klug und zugleich plump an Geſtalt. Allein das Schöne kennt ja von ſeiner Seite auch eine Bewegung und geht über einen Gegenſatz, wie ſich zeigen wird; es gehört auch in’s Schöne, wenn eine Reihe von Thätigkeiten den erſten üblen Eindruck der Geſtalt aufhebt. Freilich mit dem innern Grunde jenes umgekehrten Verhältniſſes, d. h. mit dem Bau des Gehirns und ſeinem Verhältniß zum Bau der feſten Theile beſchäftigt ſich das Schöne nicht, und jene Aeußerungen, welche den erſten Eindruck vergüten, müſſen ſelbſt anſchaulich ſeyn: da liegt der Unterſchied. Auch die umgekehrte Art des Mißverhältniſſes findet ſtatt, wurde aber im §. nicht erwähnt: arme Organiſation bei glänzender Oberfläche. Von dem blos beſtechenden Glanz der Oberfläche läßt ſich nämlich auch der äſthetiſche Standpunkt nicht verführen, über die Dürf- tigkeit des Ganzen wegzuſehen. Farbenglanz z. B. kann für Mangel- haftigkeit der Geſtalt, der Bewegung, des Ausdrucks in Ruhe und Thätigkeit nicht wirklich entſchädigen.
§. 19.
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Die Idee baut jene Stufenfolge nur, um auf der höchſten Stufe bei ihrer eigenen, in den vorhergehenden Stufen verborgenen Wahrheit anzukommen und in ſich zurückzugehen, ſie tritt als Selbſtbewußtſeyn hervor und wird Perſönlichkeit. Auch dieſe höchſte Gattung theilt ſich wieder in gewiſſe Arten, geht aber nicht ſelbſt als Art in eine höhere Gattung über, denn der Endzweck jener ſtufen- förmigen Ueberordnung iſt erreicht. Ebendaher ſcheidet ſie ſich von den tieferen Stufen weſentlich dadurch ab, daß ſie ſelbſt ebenſoſehr Stufe als eine abſolut 2neue Welt iſt. Dieſer höchſte Gehalt der Idee iſt zugleich der höchſte Gehalt des Schönen. Das Schöne iſt perſönlich und alle vorhergegangenen Stufen er- halten nun die Bedeutung, die Perſönlichkeit als werdende anzukündigen.
1. Was den Hervorgang des Geiſtes aus der Natur durch die menſchliche Gattung betrifft, ſo kann hier keine Verpflichtung zu einer Auseinanderſetzung Statt finden. Es gehört dieſe Erkenntniß, wie die
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Schönen und Wahren die Rede iſt, welcher darin beruht, daß im Schönen
Alles auf die Oberfläche der Geſtalt ankommt. Dennoch war ſie hier
zu erwähnen, denn es gilt, den Satz von der innern Einheit des
Wahren und Schönen (bei allem Unterſchiede) zu ſchützen. Es wird
alſo im §. angeführt, daß die Idee auf gewiſſen Punkten ihren Inhalt
auf Koſten der Geſtalt in der Tiefe ſammelt. Gewiſſe Thiere z. B.
ſind klug und zugleich plump an Geſtalt. Allein das Schöne kennt ja
von ſeiner Seite auch eine Bewegung und geht über einen Gegenſatz,
wie ſich zeigen wird; es gehört auch in’s Schöne, wenn eine Reihe von
Thätigkeiten den erſten üblen Eindruck der Geſtalt aufhebt. Freilich mit
dem innern Grunde jenes umgekehrten Verhältniſſes, d. h. mit dem
Bau des Gehirns und ſeinem Verhältniß zum Bau der feſten Theile
beſchäftigt ſich das Schöne nicht, und jene Aeußerungen, welche den
erſten Eindruck vergüten, müſſen ſelbſt anſchaulich ſeyn: da liegt der
Unterſchied. Auch die umgekehrte Art des Mißverhältniſſes findet ſtatt,
wurde aber im §. nicht erwähnt: arme Organiſation bei glänzender
Oberfläche. Von dem blos beſtechenden Glanz der Oberfläche läßt ſich
nämlich auch der äſthetiſche Standpunkt nicht verführen, über die Dürf-
tigkeit des Ganzen wegzuſehen. Farbenglanz z. B. kann für Mangel-
haftigkeit der Geſtalt, der Bewegung, des Ausdrucks in Ruhe und
Thätigkeit nicht wirklich entſchädigen.
§. 19.
Die Idee baut jene Stufenfolge nur, um auf der höchſten Stufe bei ihrer
eigenen, in den vorhergehenden Stufen verborgenen Wahrheit anzukommen und in
ſich zurückzugehen, ſie tritt als Selbſtbewußtſeyn hervor und wird Perſönlichkeit.
Auch dieſe höchſte Gattung theilt ſich wieder in gewiſſe Arten, geht aber nicht
ſelbſt als Art in eine höhere Gattung über, denn der Endzweck jener ſtufen-
förmigen Ueberordnung iſt erreicht. Ebendaher ſcheidet ſie ſich von den tieferen
Stufen weſentlich dadurch ab, daß ſie ſelbſt ebenſoſehr Stufe als eine abſolut
neue Welt iſt. Dieſer höchſte Gehalt der Idee iſt zugleich der höchſte Gehalt
des Schönen. Das Schöne iſt perſönlich und alle vorhergegangenen Stufen er-
halten nun die Bedeutung, die Perſönlichkeit als werdende anzukündigen.
1. Was den Hervorgang des Geiſtes aus der Natur durch die
menſchliche Gattung betrifft, ſo kann hier keine Verpflichtung zu einer
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/86>, abgerufen am 21.11.2024.
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