Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
aufstrebender oder in sich zusammengefaßter Kraft, oder er ist weich, von Um die einmal gewagte Vorausnahme zu benützen, nennen wir Unter den weichen Formen mögen zuerst die Pappeln genannt werden, Vischer's Aesthetik. 2. Band. 7
aufſtrebender oder in ſich zuſammengefaßter Kraft, oder er iſt weich, von Um die einmal gewagte Vorausnahme zu benützen, nennen wir Unter den weichen Formen mögen zuerſt die Pappeln genannt werden, Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 7
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aufſtrebender oder in ſich zuſammengefaßter Kraft, oder er iſt weich, von
ſpielenden Umriſſen und ſtimmt zu wehmüthig zerfließenden Empfindungen, oder
er verbindet dieſe Gegenſätze, doch ſo, daß er ſie in den Theilen des Ganzen
getrennt erhält. Auch durch auffallenden Wechſel der Entlaubung im Winter
und des heiteren Aufblühens im Frühling ſtimmt er bald winterlich, bald
heiter, immer aber ahnungsvoll und das Gemüth in ſich zurückweiſend.
Um die einmal gewagte Vorausnahme zu benützen, nennen wir
dieſen Typus der kälteren gemäßigten Zone den romantiſchen. Die kalte
Zone, die ſich in Nadelholz und Birken verläuft, liegt jenſeits der Grenze,
über welche ſich die Aeſthetik zu verbreiten hat. Gegenſätzlich ſubjectiv
bewegt iſt die Stimmung der erſteren ſchon durch den auffallenden Wechſel
des Winters und Frühlings. Dieſes Klima hat weniger Immergrün, als
das ſüdliche; nach dem Pflanzentödtenden Winter überkleidet ſich die Erde
mit reichem, hellem, luſtigem Grün, die Sehnſucht nach dem Frühling,
den ſüdlichen Völkern fremd, iſt dadurch bedingt und wird als ein wichtiges
Moment zur Erklärung der Geiſtesweiſe der nördlicheren Völker wieder
aufzufaſſen ſein. Als Beiſpiel des Starren und Steifen nennen wir hier
zuerſt das Nadelholz. Unter dieſem iſt es allein die Föhre, welche ſich
dem ſchönen Kuppelbau der Pinie nähert, es herrſchen die Tannen, welche
überhaupt am ſtrengſten den Charakter dieſes Holzes ausſprechen, denn
er iſt ſtarr und winterlich düſter. Die untern Aeſte der Tanne hängen
gewöhnlich wie trauernd abwärts, übrigens führt ſie die gerade abſtehenden,
ſtarren, ſpitzbewaffneten Aeſte in kerzengerader Pyramide zu mächtiger Höhe
hinauf und hebt in der Trauer ſelbſt das Gemüth kräftig hinan. Die
Tanne ſtimmt unbehaglich, unwirthlich und befreiend, erhebend zugleich,
jenes durch ihre peripheriſchen Organe, dieſes durch ihre Richtung,
jedoch nicht im Sinne heiteren Schwunges, ſondern trotziger Kühnheit.
Ein Tannenwald wirkt wie ein friſcher, ſtählender, kalter Morgen. Unter
dem Laubholze iſt der ſtarrſte Baum die Buche. Die ſteifen, nur in der
Mitte nach unten etwas ausgebogenen Aeſte ſtehen in ſchneidender, kratzender
Linie ab, das gezähnte, breit elliptiſche Blatt ſitzt auf kurzem Stiele
abwechſelnd gegenſtändig und ſpielt wenig im Winde, der Körper der
Krone ſchließt ſich wenig modellirt feſt zuſammen. Dem Stamme ſieht
man die Härte des Holzes an, ſtrenge Kraft iſt der Ausdruck, der eben-
daher eine in ſich zuſammengefaßte, geſunde und tüchtige, aber herbe
Stimmung bewirkt. Ungleich weicher, doch ähnlich ſind Ulme und Erle.
Unter den weichen Formen mögen zuerſt die Pappeln genannt werden,
denn ihre rundlichen, dreieckigen, herzförmigen Blätter geben zarten Umriß
und an langen, dünnen Stielen ſitzend ſpielen ſie ſtets im Winde, namentlich
bei der Zitterpappel oder Eſpe. Dem biegſamen Holze ſieht man ſeine
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