Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
Unterschied nur flüchtig zu berühren, wovon sogleich mehr. Bei den Völkern 2. Die Zählung und Beschreibung der Racen überlassen wir der Vischer's Aesthetik. 2. Band. 12
Unterſchied nur flüchtig zu berühren, wovon ſogleich mehr. Bei den Völkern 2. Die Zählung und Beſchreibung der Racen überlaſſen wir der Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 12
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Unterſchied nur flüchtig zu berühren, wovon ſogleich mehr. Bei den Völkern
der kaukaſiſchen Race aber ſind dieſe Verſchiebungen theils ſo bedeutend
nicht und bleibt der äſthetiſche Einklang mit der Naturumgebung in Kraft,
theils wo ſie ſtattfinden, iſt die Ueberwindung der Einflüſſe der Natur-
umgebung durch Bildung ſelbſt wieder eine in anderweitigem Zuſammen-
hang wichtige äſthetiſche Erſcheinung. — Unter den Merkmalen, wodurch
ſich die Racen unterſcheiden, iſt das Temperament genannt. Bekanntlich
hat man es im weiteſten Sinne auf die Racen angewandt und dem Neger
das ſanguiniſche, dem Mongolen das melancholiſche, dem Amerikaner das
phlegmatiſche, dem Malayen das choleriſche zugetheilt, von den kaukaſiſchen
Völkern aber geſagt, daß ein Gleichgewicht der Temperamente, zwar aller-
dings unter Vorherrſchen des Choleriſchen, ihren Grundzug bilde. Wir
können uns dieß ohne weitere Unterſuchung gefallen laſſen, verweilen aber
hier noch nicht weiter bei dem Temperamente, wiewohl es im äſthetiſchen
Gebiete, wo wir den Geiſt durchaus in ſeinem Natur-Elemente webend
erblicken wollen, von Wichtigkeit iſt; es tritt uns erſt näher in den Völkern
kaukaſiſcher Race, dann in den Individuen.
2. Die Zählung und Beſchreibung der Racen überlaſſen wir der
Anthropologie. Es mag rathſam ſein, mit Cüvier nur drei Racen, die
kaukaſiſche, mongoliſche und äthiopiſche zu zählen, die amerikaniſche als
Uebergang zwiſchen der kaukaſiſchen und mongoliſchen, die malayiſche
zwiſchen jener und der äthiopiſchen anzuſehen. Alle nicht kaukaſiſchen
ſtreifen mehr oder weniger an’s Thieriſche, am meiſten die äthiopiſche; ſie
iſt affenähnlich, die mongoliſche, wenn man die ſchmalen Augen ausnimmt,
eulen- oder katzenähnlich, die amerikaniſche hat neben den mongoliſchen
Backenknochen viel von dem ramsnaſigen Mecklenburgerpferde. Der
malayiſche Typus ſchwankt, nähert ſich am meiſten dem kaukaſiſchen. Um
dieſer Thierähnlichkeit willen werden wir keine Scene, worin die wilden,
halbwilden oder nur phantaſtiſch gebildeten Menſchen dieſer Racen allein
auftreten, ſchön nennen. Das Thier kann, allein auftretend, ſchön ſein,
denn es iſt in der anſpruchsloſen Armuth der Stufe des Lebens, auf die es
geſtellt iſt, reich; wo aber Menſchen wirken, da wollen wir auch den reifen
Menſchen ſehen, nicht den halbgebackenen, verhärteten oder überkochten
„bis in den Sitz der Seele geröſteten“ (Lichtenberg). In einem Kampfe,
Heerzuge mögen Mongolen zwiſchen Kaukaſiern ihre Roſſe tummeln, Neger
mögen als Sklaven Mitleid erregen, im Piratenſchiffe, im perſiſchen Heere
unter weißen Menſchen mitfechten, bei dem Tode des General Wolfe mag
eine Rothhaut trauernd zur Seite kauern: da wirkt Zuſammenſtellung und
Contraſt. In Shakespeares Othello iſt die Hauptperſon (eigentlich ein
Araber) als Mohr dargeſtellt, aber auch gerade dem Seltſamen dieſer Er-
ſcheinung eines der tragiſchen Motive entnommen. Muley Haſſan im Fiesko.
Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 12
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