Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
sätze sich theilenden und mischenden Temperaments zusammenfaßt. Diese in Das Temperament wurde als einer der Punkte, worin sich die
ſätze ſich theilenden und miſchenden Temperaments zuſammenfaßt. Dieſe in Das Temperament wurde als einer der Punkte, worin ſich die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0193" n="181"/> ſätze ſich theilenden und miſchenden <hi rendition="#g">Temperaments</hi> zuſammenfaßt. Dieſe in<lb/> der Complexion des Nerven- und Blutlebens beruhende Art der Grundſtimmung<lb/> der Perſönlichkeit iſt der Schooß des beſonderen <hi rendition="#g">Naturells</hi>, d. h. der Form,<lb/> in welcher die ſämmtlichen theoretiſchen und praktiſchen Anlagen (§. 319) zu<lb/> eigenthümlicher Einheit verbunden als beſondere Diſpoſition hervortreten, und<lb/> gibt jedem Volke ſeinen, für die Aeſthetik höchſt wichtigen, Naturton. Alle<lb/> Bewegungen der Geſtalt, wie der Klang der Stimme, die Sprache und<lb/> ſämmtliche Formen des ſittlichen Lebens ſind ein Ausdruck dieſer urſprünglichen<lb/> Naturbeſtimmtheit der Nationalität.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Das Temperament wurde als einer der Punkte, worin ſich die<lb/> Racen unterſcheiden, bereits erwähnt; von der kaukaſiſchen durfte ein<lb/> ſchönes Gleichgewicht der Temperamentsgegenſätze ausgeſagt werden; in<lb/> den Völkergruppen dieſer Race treten die Gegenſätze auf dem Grunde<lb/> einer Allſeitigkeit und Miſchung, welche die Ausartung in Einem derſelben<lb/> nicht zuläßt, wieder hervor. Der ganze Unterſchied der geiſtigen Organi-<lb/> ſation der Völker nach allen Richtungen des Seelenlebens wird im §.<lb/> gewiß nicht mit Unrecht weſentlich im Temperamente zuſammengefaßt.<lb/> Es kann jedoch an dieſer Stelle die Sache nicht weiter verfolgt, es<lb/> können die Temperamente nicht aufgezählt, noch weniger kann dargeſtellt<lb/> werden, wie ſie ſich an die wichtigſten Völker vertheilen. Wollten wir<lb/> dieß thun, ſo müßten wir hier, da der Ausdruck der eigenthümlichen<lb/> Organiſation im Aeußern für die Aeſthetik von größter Wichtigkeit iſt, auch<lb/> eine Phyſiognomik, eine Mimik, eine Phonognomik der Völker geben,<lb/> wie denn der Schluß des §. dieſe Aeußerungsformen erwähnt. Im<lb/> Weiteren geben wir dann zu der wirklichen Geſchichte der äſthetiſch<lb/> bedeutendſten Völker über und da iſt mit dem Uebrigen allerdings auch<lb/> ihr Temperament zu bezeichnen. Seine eigentliche Wichtigkeit erhält<lb/> jedoch das Temperament erſt im Individuum, wo es ſich zum Charakter<lb/> umbildet. Hier gilt es zuerſt nur, die äſthetiſchen Hauptbedingungen auf-<lb/> zuſtellen und zu ſagen, daß die Nationalität äſthetiſch nur wirkt, ſofern<lb/> ſich mit dem höheren Gehalte ihres ſittlichen Charakters, von dem wir<lb/> noch nicht reden, dieſe ganze Nerven- und Blut-Atmoſphäre, von welcher<lb/> er umwebt iſt, mitausſpricht. Greifen wir in die Kunſt vor, ſo heißt<lb/> dieß, kein Künſtler, kein dramatiſcher Dichter z. B., wiſſe Charaktere<lb/> aufzuführen, der nicht als Element ihres individuellen Gepräges die<lb/> Nationalität und als Element der Nationalität dieſe ihre Naturwurzel,<lb/> dieſen Ton ihrer Heimathluft und ihrer Erde, der ſich geheimnißvoll in<lb/> ihr Blut und ihre Nerven übergetragen hat, in ſeiner Friſche mitgibt.<lb/> Man denke z. B. an die Niederländer und Spanier in Göthes<lb/> Egmont.</hi> </p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0193]
ſätze ſich theilenden und miſchenden Temperaments zuſammenfaßt. Dieſe in
der Complexion des Nerven- und Blutlebens beruhende Art der Grundſtimmung
der Perſönlichkeit iſt der Schooß des beſonderen Naturells, d. h. der Form,
in welcher die ſämmtlichen theoretiſchen und praktiſchen Anlagen (§. 319) zu
eigenthümlicher Einheit verbunden als beſondere Diſpoſition hervortreten, und
gibt jedem Volke ſeinen, für die Aeſthetik höchſt wichtigen, Naturton. Alle
Bewegungen der Geſtalt, wie der Klang der Stimme, die Sprache und
ſämmtliche Formen des ſittlichen Lebens ſind ein Ausdruck dieſer urſprünglichen
Naturbeſtimmtheit der Nationalität.
Das Temperament wurde als einer der Punkte, worin ſich die
Racen unterſcheiden, bereits erwähnt; von der kaukaſiſchen durfte ein
ſchönes Gleichgewicht der Temperamentsgegenſätze ausgeſagt werden; in
den Völkergruppen dieſer Race treten die Gegenſätze auf dem Grunde
einer Allſeitigkeit und Miſchung, welche die Ausartung in Einem derſelben
nicht zuläßt, wieder hervor. Der ganze Unterſchied der geiſtigen Organi-
ſation der Völker nach allen Richtungen des Seelenlebens wird im §.
gewiß nicht mit Unrecht weſentlich im Temperamente zuſammengefaßt.
Es kann jedoch an dieſer Stelle die Sache nicht weiter verfolgt, es
können die Temperamente nicht aufgezählt, noch weniger kann dargeſtellt
werden, wie ſie ſich an die wichtigſten Völker vertheilen. Wollten wir
dieß thun, ſo müßten wir hier, da der Ausdruck der eigenthümlichen
Organiſation im Aeußern für die Aeſthetik von größter Wichtigkeit iſt, auch
eine Phyſiognomik, eine Mimik, eine Phonognomik der Völker geben,
wie denn der Schluß des §. dieſe Aeußerungsformen erwähnt. Im
Weiteren geben wir dann zu der wirklichen Geſchichte der äſthetiſch
bedeutendſten Völker über und da iſt mit dem Uebrigen allerdings auch
ihr Temperament zu bezeichnen. Seine eigentliche Wichtigkeit erhält
jedoch das Temperament erſt im Individuum, wo es ſich zum Charakter
umbildet. Hier gilt es zuerſt nur, die äſthetiſchen Hauptbedingungen auf-
zuſtellen und zu ſagen, daß die Nationalität äſthetiſch nur wirkt, ſofern
ſich mit dem höheren Gehalte ihres ſittlichen Charakters, von dem wir
noch nicht reden, dieſe ganze Nerven- und Blut-Atmoſphäre, von welcher
er umwebt iſt, mitausſpricht. Greifen wir in die Kunſt vor, ſo heißt
dieß, kein Künſtler, kein dramatiſcher Dichter z. B., wiſſe Charaktere
aufzuführen, der nicht als Element ihres individuellen Gepräges die
Nationalität und als Element der Nationalität dieſe ihre Naturwurzel,
dieſen Ton ihrer Heimathluft und ihrer Erde, der ſich geheimnißvoll in
ihr Blut und ihre Nerven übergetragen hat, in ſeiner Friſche mitgibt.
Man denke z. B. an die Niederländer und Spanier in Göthes
Egmont.
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