Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
im Mannesalter zum sittlich praktischen wird, zu gründen und dadurch das §. 336. Wenn in dem Werden des Charakters die schaltenden Mächte über die 1. Hegel unterscheidet drei Formen: erstens die Situation der
im Mannesalter zum ſittlich praktiſchen wird, zu gründen und dadurch das §. 336. Wenn in dem Werden des Charakters die ſchaltenden Mächte über die 1. Hegel unterſcheidet drei Formen: erſtens die Situation der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0214" n="202"/> im Mannesalter zum ſittlich praktiſchen wird, zu gründen und dadurch das<lb/> Jugendleben auf Univerſitäten zu erhöhen.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 336.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Wenn in dem Werden des Charakters die ſchaltenden Mächte über die<lb/> Thätigkeit des Individuums, die nur erſt ein Streben iſt, überwiegen, ſo iſt<lb/> dagegen der reife Charakter berufen, die Welt durch ſtetiges Wirken, aber<lb/><note place="left">1.</note>auch durch die einzelne große Entſcheidung der That zu bewegen. Die nähere<lb/> umgebende Welt bietet ſich ihm in einer beſtimmten, mit noch unbewegt ruhenden<lb/> Gegenſtänden des harmloſeren Thuns, worin der Charakter allerdings noch<lb/> nicht als ſolcher ſich ausſpricht, aber auch des ernſten Wirkens, mit Zünd-<lb/><note place="left">2.</note>ſtoffen der That erfüllten Lage dar: <hi rendition="#g">Situation</hi>. Dieſe Stoffe erfaſſen auf<lb/> einem beſtimmten Punkte die innere Welt der Triebe, welche im Charakter zur<lb/> Einheit vertieft ſind, und werden, wenn der angeregte Trieb von ihm als ein<lb/> ſolcher anerkannt wird, dem Folge gegeben werden muß, zu <hi rendition="#g">Motiven</hi> des<lb/> Handelns.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. <hi rendition="#g">Hegel</hi> unterſcheidet drei Formen: erſtens die Situation der<lb/> Situationsloſigkeit; er führt als Beiſpiel die ſelbſtgenügſame Ruhe des<lb/> unbewegten Götterbilds an. Dieß gehört in die Kunſt, hier iſt der Gott<lb/> die ganze Welt, eine Form, die uns noch ferne liegt; aber die ruhig<lb/> in ſich webende und gründende Erſcheinung einer vollen Perſönlichkeit,<lb/> die wohl in einer Umgebung auftritt, aber vermöge ihrer geſättigten<lb/> Selbſtändigkeit ſich zu ihr nur verhält, wie zum Schemel ihrer Füße:<lb/> dieß wäre einer der Stoffe, die wir hier anzuführen hätten. Man kann<lb/> dieß allerdings Situation (der Situationsloſigkeit) nennen, aber es liegt<lb/> keine Forderung in der Sache, den Namen hier als weſentlich gegebenen<lb/> anzuwenden. Zweitens die beſtimmte Situation in ihrer Harmloſigkeit:<lb/> eine Bewegung, ein Einlaſſen in den umgebenden Zuſtand, doch ohne<lb/> Kampf. Hieher gehört — nach unſerer Anordnung, welche den Götter-<lb/> kreis, wie geſagt, hier noch ausſchließt — jedes menſchliche Thun, wie<lb/> es ſich für das ſogenannte Genre als Stoff eignet: Reiter, die vor einer<lb/> Schenke halten, Mädchen einen Brief empfangend u. ſ. w. Die Umgebung<lb/> bietet hier eine Lage dar, welche wohl zu einem Thun, aber nicht zu<lb/> einer πρᾶξις σπȣδαία auffordert. Dieſen Sinn des Wortes Situation<lb/> haben wir in der Beſtimmung des §. neben dem ſtrengeren ausgedrückt,<lb/> aber auch hinzugeſetzt, daß ſich in einer ſolchen Situation noch nicht der<lb/> Charakter als ſolcher äußert, es bewegt ſich in ihr vielmehr nur das<lb/> Individuum als Träger der Sitte, der Volksweiſe, in ſeinen Bedürf-<lb/> niſſen u. ſ. w., kurz in Sphären, worin der Menſch entweder aus der<lb/> Natur, der er ſelbſt noch angehört, ſich erſt herausarbeitet, oder, einem<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0214]
im Mannesalter zum ſittlich praktiſchen wird, zu gründen und dadurch das
Jugendleben auf Univerſitäten zu erhöhen.
§. 336.
Wenn in dem Werden des Charakters die ſchaltenden Mächte über die
Thätigkeit des Individuums, die nur erſt ein Streben iſt, überwiegen, ſo iſt
dagegen der reife Charakter berufen, die Welt durch ſtetiges Wirken, aber
auch durch die einzelne große Entſcheidung der That zu bewegen. Die nähere
umgebende Welt bietet ſich ihm in einer beſtimmten, mit noch unbewegt ruhenden
Gegenſtänden des harmloſeren Thuns, worin der Charakter allerdings noch
nicht als ſolcher ſich ausſpricht, aber auch des ernſten Wirkens, mit Zünd-
ſtoffen der That erfüllten Lage dar: Situation. Dieſe Stoffe erfaſſen auf
einem beſtimmten Punkte die innere Welt der Triebe, welche im Charakter zur
Einheit vertieft ſind, und werden, wenn der angeregte Trieb von ihm als ein
ſolcher anerkannt wird, dem Folge gegeben werden muß, zu Motiven des
Handelns.
1. Hegel unterſcheidet drei Formen: erſtens die Situation der
Situationsloſigkeit; er führt als Beiſpiel die ſelbſtgenügſame Ruhe des
unbewegten Götterbilds an. Dieß gehört in die Kunſt, hier iſt der Gott
die ganze Welt, eine Form, die uns noch ferne liegt; aber die ruhig
in ſich webende und gründende Erſcheinung einer vollen Perſönlichkeit,
die wohl in einer Umgebung auftritt, aber vermöge ihrer geſättigten
Selbſtändigkeit ſich zu ihr nur verhält, wie zum Schemel ihrer Füße:
dieß wäre einer der Stoffe, die wir hier anzuführen hätten. Man kann
dieß allerdings Situation (der Situationsloſigkeit) nennen, aber es liegt
keine Forderung in der Sache, den Namen hier als weſentlich gegebenen
anzuwenden. Zweitens die beſtimmte Situation in ihrer Harmloſigkeit:
eine Bewegung, ein Einlaſſen in den umgebenden Zuſtand, doch ohne
Kampf. Hieher gehört — nach unſerer Anordnung, welche den Götter-
kreis, wie geſagt, hier noch ausſchließt — jedes menſchliche Thun, wie
es ſich für das ſogenannte Genre als Stoff eignet: Reiter, die vor einer
Schenke halten, Mädchen einen Brief empfangend u. ſ. w. Die Umgebung
bietet hier eine Lage dar, welche wohl zu einem Thun, aber nicht zu
einer πρᾶξις σπȣδαία auffordert. Dieſen Sinn des Wortes Situation
haben wir in der Beſtimmung des §. neben dem ſtrengeren ausgedrückt,
aber auch hinzugeſetzt, daß ſich in einer ſolchen Situation noch nicht der
Charakter als ſolcher äußert, es bewegt ſich in ihr vielmehr nur das
Individuum als Träger der Sitte, der Volksweiſe, in ſeinen Bedürf-
niſſen u. ſ. w., kurz in Sphären, worin der Menſch entweder aus der
Natur, der er ſelbſt noch angehört, ſich erſt herausarbeitet, oder, einem
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