Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
und Beleuchtung in Gegensatz: wenn durch farblose Lichtreflexe relatives c. Die Luft. §. 254. Die eingreifendste und umfassendste Wirkung der Farbe, insbesondere der1
und Beleuchtung in Gegenſatz: wenn durch farbloſe Lichtreflexe relatives c. Die Luft. §. 254. Die eingreifendſte und umfaſſendſte Wirkung der Farbe, insbeſondere der1 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0067" n="55"/> und Beleuchtung in Gegenſatz: wenn durch farbloſe Lichtreflexe relatives<lb/> Dunkel zu relativem Lichte und durch einwirkende Schatten relatives Licht<lb/> zu relativem Dunkel wird, ſo iſt nun zu erwägen, daß auch die Farbe<lb/> leuchtend oder verdunkelnd wirkt. Eine beleuchtete Stelle kann eine licht-<lb/> arme Farbe, eine dunkle dagegen eine lichtvollere Farbe haben, dadurch<lb/> wird jene relativ dunkel und dieſe relativ hell. Es kann dieß ganz wohl<lb/> eintreten, ohne daß die Geſammtwirkung leidet, denn vorausgeſetzt iſt<lb/> allerdings, daß an den Hauptſtellen, welche durch ihre Bedeutung im<lb/> Ganzen Licht und warme Farbe, Schatten und kältere Farbe fordern,<lb/> die Wirkung nicht geſtört ſei, jene Durchkreuzung aber an der rechten<lb/> Stelle eintrete. Nun wirft alſo z. B. in die dunkle Einziehung einer<lb/> Welle die benachbarte einen grünen, blauen Lichtreflex, in das geſenkte<lb/> und dadurch beſchattete Angeſicht eines Menſchen die leuchtende Haut der<lb/> Bruſt einen warmen Widerſchein: ſo leuchtet Eines farbig in’s Andere,<lb/> die dunkelſte Stelle iſt noch durch Localfarben erwärmt, Alles ſpielt inein-<lb/> ander, ſchießende goldene, bunt befiederte Pfeile bilden ein zauberhaftes<lb/> Gewebe: das „objectloſe Spiel“ der Farbenmagie (Hegel Aeſth. B. 3.<lb/> S. 74). Objectlos will ſagen, daß die einzelne Geſtalt und ihre Charakter-<lb/> farbe in dem Ganzen wie ein flüchtiger Klang aufgeht. Man meine nicht,<lb/> nur in der Kunſt gebe es ſolches „Farbenconcert“, worin, wie im Hell-<lb/> dunkel (§. 245) Licht- und Schattenſpiele, ſo die Zauber der Farbe zuſammen-<lb/> fließend mit dieſen eine relative Selbſtändigkeit annehmen. Was die großen<lb/> Coloriſten mit dem beſten Stoffe noch vorzunehmen haben, geht uns hier<lb/> noch nicht an, ſie haben jedenfalls den Zauber des Farbenlebens in der<lb/> Natur belauſcht. Welcher ganz ſchlimme Widerſpruch allerdings entſteht,<lb/> wenn in einem Kunſtwerke der Gehalt der Idee verlangt, daß die Indi-<lb/> viduen im Vordergrunde der Bedeutung ſtehen, und ſtatt deſſen ein<lb/> zudringlicher Farbenreiz die ganze Aufmerkſamkeit auf ſich abzieht, dieß<lb/> leuchtet ebenſo ein, wie das, was §. 244 Anm. 2 über das doppelte Licht<lb/> geſagt iſt. Davon iſt in der Kunſtlehre mehr zu ſagen; von der Natur<lb/> hoffen wir vorläufig, daß der gute Zufall es an Erſcheinungen nicht fehlen<lb/> laſſen werde, wo der Farbenzauber zum Gegenſtande paßt.</hi> </p> </div> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">c.</hi><lb/><hi rendition="#g">Die Luft</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head>§. 254.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die eingreifendſte und umfaſſendſte Wirkung der Farbe, insbeſondere der<note place="right">1</note><lb/> über ein Ganzes verbreitete Ton, entſteht durch die Brechungen des Lichts in<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0067]
und Beleuchtung in Gegenſatz: wenn durch farbloſe Lichtreflexe relatives
Dunkel zu relativem Lichte und durch einwirkende Schatten relatives Licht
zu relativem Dunkel wird, ſo iſt nun zu erwägen, daß auch die Farbe
leuchtend oder verdunkelnd wirkt. Eine beleuchtete Stelle kann eine licht-
arme Farbe, eine dunkle dagegen eine lichtvollere Farbe haben, dadurch
wird jene relativ dunkel und dieſe relativ hell. Es kann dieß ganz wohl
eintreten, ohne daß die Geſammtwirkung leidet, denn vorausgeſetzt iſt
allerdings, daß an den Hauptſtellen, welche durch ihre Bedeutung im
Ganzen Licht und warme Farbe, Schatten und kältere Farbe fordern,
die Wirkung nicht geſtört ſei, jene Durchkreuzung aber an der rechten
Stelle eintrete. Nun wirft alſo z. B. in die dunkle Einziehung einer
Welle die benachbarte einen grünen, blauen Lichtreflex, in das geſenkte
und dadurch beſchattete Angeſicht eines Menſchen die leuchtende Haut der
Bruſt einen warmen Widerſchein: ſo leuchtet Eines farbig in’s Andere,
die dunkelſte Stelle iſt noch durch Localfarben erwärmt, Alles ſpielt inein-
ander, ſchießende goldene, bunt befiederte Pfeile bilden ein zauberhaftes
Gewebe: das „objectloſe Spiel“ der Farbenmagie (Hegel Aeſth. B. 3.
S. 74). Objectlos will ſagen, daß die einzelne Geſtalt und ihre Charakter-
farbe in dem Ganzen wie ein flüchtiger Klang aufgeht. Man meine nicht,
nur in der Kunſt gebe es ſolches „Farbenconcert“, worin, wie im Hell-
dunkel (§. 245) Licht- und Schattenſpiele, ſo die Zauber der Farbe zuſammen-
fließend mit dieſen eine relative Selbſtändigkeit annehmen. Was die großen
Coloriſten mit dem beſten Stoffe noch vorzunehmen haben, geht uns hier
noch nicht an, ſie haben jedenfalls den Zauber des Farbenlebens in der
Natur belauſcht. Welcher ganz ſchlimme Widerſpruch allerdings entſteht,
wenn in einem Kunſtwerke der Gehalt der Idee verlangt, daß die Indi-
viduen im Vordergrunde der Bedeutung ſtehen, und ſtatt deſſen ein
zudringlicher Farbenreiz die ganze Aufmerkſamkeit auf ſich abzieht, dieß
leuchtet ebenſo ein, wie das, was §. 244 Anm. 2 über das doppelte Licht
geſagt iſt. Davon iſt in der Kunſtlehre mehr zu ſagen; von der Natur
hoffen wir vorläufig, daß der gute Zufall es an Erſcheinungen nicht fehlen
laſſen werde, wo der Farbenzauber zum Gegenſtande paßt.
c.
Die Luft.
§. 254.
Die eingreifendſte und umfaſſendſte Wirkung der Farbe, insbeſondere der
über ein Ganzes verbreitete Ton, entſteht durch die Brechungen des Lichts in
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