Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
jene Wechselergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem 2. Zuerst mußte die gewaltsamere oder gemäßigtere Kraft der Er- 3. Die an sich ruhigere geschichtete Gebirgsform verändert ihre Gestalt
jene Wechſelergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem 2. Zuerſt mußte die gewaltſamere oder gemäßigtere Kraft der Er- 3. Die an ſich ruhigere geſchichtete Gebirgsform verändert ihre Geſtalt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0081" n="69"/> jene Wechſelergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem<lb/> Runden und Geſchwungenen; aber ſie werden bei der Entſtehung desſelben<lb/> immer im Spiele ſein. Einer der herrlichſten Berge der Welt iſt der<lb/> Pelegrino bei Palermo; nachdem das Auge von ſanfter oder kühner ge-<lb/> ſchwungenen Profilen reizend fortgezogen iſt, geben ſteile Felsabſtürze die<lb/> Kraft und Erſchütterung, ohne welche das Runde weichlich wird, dann<lb/> aber leiten zarte Bogenlinien das Rauhe und Jähe wieder beruhigend<lb/> weiter.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Zuerſt mußte die gewaltſamere oder gemäßigtere Kraft der Er-<lb/> hebung durch Feuer als Urſache eines weicheren Charakters im Urgebirge<lb/> hervorgehoben werden. Bei geringerer Höhe erſcheinen darum die ſanftrund-<lb/> lichen Kuppen des Grauits und ähnliche Formen, weil das Feuer weniger<lb/> gewaltſam gewirkt hat. Die im engeren Sinne ſo genannten vulcaniſchen<lb/> Geſteine, welche als ſpätere Bildungen des Feuers denen des Urgebirgs<lb/> als den plutoniſchen entgegengeſetzt werden, finden am paſſendſten hier<lb/> ihre Stellen, denn ſie zeigen meiſt die runderen Formen. Der Baſalt<lb/> bildet abgeſtumpfte Kegel, die priſmatiſchen Säulen dagegen, in welchen<lb/> er theilweiſe, z. B. in der berühmten Fingalshöhle auf Staffa auftritt,<lb/> erinnern ſchon an die regelmäßigen kryſtalliſchen Formen; der Trachyt<lb/> ſetzt kuppelförmige Bergmaſſen zuſammen, der Dolerit erſcheint kegelförmig<lb/> u. ſ. w. Die jetzt noch thätigen Vulkane ſind Kegelberge, abgeſtumpft,<lb/> wo ſich keine Spitze aus dem Krater hervorgearbeitet hat. Die wilden<lb/> Trümmerhaufen von Felsblöcken, der oft in die wildeſten Formen zerriſſene<lb/> Lava-Wall, die Riſſe, die vom Krater aus durch die Bergwände laufen,<lb/> geben zu den runden Linien, die vielleicht nirgends reizender als am<lb/> Veſuv ſich in die Ebene ſchwingen, die Energie des Furchtbaren, welche<lb/> freilich in ihrer höchſten Gewalt im Ausbruche erſcheint.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3. Die an ſich ruhigere geſchichtete Gebirgsform verändert ihre Geſtalt<lb/> bei ſtarker Aufrichtung der Schichten durch gewaltſame Hebungen, ſie<lb/> berſten und ragen in zerriſſenen Profilen empor, welche noch durch die<lb/> verwitternden Einflüſſe von Luft und Waſſer zu ſägenartigen Zacken,<lb/> Nadeln u. ſ. w. ſich ausbilden. Die Einflüſſe der Verwitterung ſteigen<lb/> und fallen, je nachdem ein Geſtein mehr oder weniger verwitterbare<lb/> Mineralſubſtanzen enthält, je nach Beſchaffenheit der Luft, der Stärke,<lb/> Schwäche, Seltenheit oder Häufigkeit der Regengüſſe. Ebenſo kommt es<lb/> bei Felſen am Meere auf den Anprall der Waſſer an, wie ſie ihre Form<lb/> verändern: am ſteilen Fels aufſchäumend wird die Welle das Geſtein anders<lb/> umwandeln, als wenn es flach auffallend allmählig abſchwemmt und<lb/> abrundet; ein Gang an klippiger Meeresküſte zeigt, welcher Reichthum<lb/> äſthetiſcher Reize in dieſen Erſcheinungen liegt. Die Verwitterung ſetzt<lb/> an tieferen Stellen der Gebirge als Schutt an, was ſie den Gipfeln<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0081]
jene Wechſelergänzung des Schroffen, Wilden, Flachen, Geraden mit dem
Runden und Geſchwungenen; aber ſie werden bei der Entſtehung desſelben
immer im Spiele ſein. Einer der herrlichſten Berge der Welt iſt der
Pelegrino bei Palermo; nachdem das Auge von ſanfter oder kühner ge-
ſchwungenen Profilen reizend fortgezogen iſt, geben ſteile Felsabſtürze die
Kraft und Erſchütterung, ohne welche das Runde weichlich wird, dann
aber leiten zarte Bogenlinien das Rauhe und Jähe wieder beruhigend
weiter.
2. Zuerſt mußte die gewaltſamere oder gemäßigtere Kraft der Er-
hebung durch Feuer als Urſache eines weicheren Charakters im Urgebirge
hervorgehoben werden. Bei geringerer Höhe erſcheinen darum die ſanftrund-
lichen Kuppen des Grauits und ähnliche Formen, weil das Feuer weniger
gewaltſam gewirkt hat. Die im engeren Sinne ſo genannten vulcaniſchen
Geſteine, welche als ſpätere Bildungen des Feuers denen des Urgebirgs
als den plutoniſchen entgegengeſetzt werden, finden am paſſendſten hier
ihre Stellen, denn ſie zeigen meiſt die runderen Formen. Der Baſalt
bildet abgeſtumpfte Kegel, die priſmatiſchen Säulen dagegen, in welchen
er theilweiſe, z. B. in der berühmten Fingalshöhle auf Staffa auftritt,
erinnern ſchon an die regelmäßigen kryſtalliſchen Formen; der Trachyt
ſetzt kuppelförmige Bergmaſſen zuſammen, der Dolerit erſcheint kegelförmig
u. ſ. w. Die jetzt noch thätigen Vulkane ſind Kegelberge, abgeſtumpft,
wo ſich keine Spitze aus dem Krater hervorgearbeitet hat. Die wilden
Trümmerhaufen von Felsblöcken, der oft in die wildeſten Formen zerriſſene
Lava-Wall, die Riſſe, die vom Krater aus durch die Bergwände laufen,
geben zu den runden Linien, die vielleicht nirgends reizender als am
Veſuv ſich in die Ebene ſchwingen, die Energie des Furchtbaren, welche
freilich in ihrer höchſten Gewalt im Ausbruche erſcheint.
3. Die an ſich ruhigere geſchichtete Gebirgsform verändert ihre Geſtalt
bei ſtarker Aufrichtung der Schichten durch gewaltſame Hebungen, ſie
berſten und ragen in zerriſſenen Profilen empor, welche noch durch die
verwitternden Einflüſſe von Luft und Waſſer zu ſägenartigen Zacken,
Nadeln u. ſ. w. ſich ausbilden. Die Einflüſſe der Verwitterung ſteigen
und fallen, je nachdem ein Geſtein mehr oder weniger verwitterbare
Mineralſubſtanzen enthält, je nach Beſchaffenheit der Luft, der Stärke,
Schwäche, Seltenheit oder Häufigkeit der Regengüſſe. Ebenſo kommt es
bei Felſen am Meere auf den Anprall der Waſſer an, wie ſie ihre Form
verändern: am ſteilen Fels aufſchäumend wird die Welle das Geſtein anders
umwandeln, als wenn es flach auffallend allmählig abſchwemmt und
abrundet; ein Gang an klippiger Meeresküſte zeigt, welcher Reichthum
äſthetiſcher Reize in dieſen Erſcheinungen liegt. Die Verwitterung ſetzt
an tieferen Stellen der Gebirge als Schutt an, was ſie den Gipfeln
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