Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.vor; so enthält die Sakontala einige kurze Scenen fast in Shakespeares komi- 2. Es ist falsch, wenn Hegel das Erhabene erst mit der symbolischen 3. So wirkt der Dualismus als Symbolik; dazu kommt aber noch vor; ſo enthält die Sakontala einige kurze Scenen faſt in Shakespeares komi- 2. Es iſt falſch, wenn Hegel das Erhabene erſt mit der ſymboliſchen 3. So wirkt der Dualismus als Symbolik; dazu kommt aber noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <pb facs="#f0144" n="430"/> <hi rendition="#et">vor; ſo enthält die Sakontala einige kurze Scenen faſt in Shakespeares komi-<lb/> ſcher Manier, Duſchmanta hat ſogar einen Hofnarren; aber dieſes Ele-<lb/> ment hat nur einen ſchmalen Spielraum da, wo die Götterwelt einen<lb/> Augenblick vergeſſen wird. Die maaßloſe Sinnlichkeit des Gottesdienſts<lb/> mag wohl auch ihre ungeheuern Obſcönitäten mitunter komiſch gewendet<lb/> haben, doch erſt da ſie ſchon aufhörten heilig zu ſein, wie denn die Zoten<lb/> algieriſcher Theaterpoſſen noch heute an den Lingamdienſt erinnern. Ferner<lb/> trat das Komiſche in der Fabel hervor, dieſe gehört aber ihrem Begriff<lb/> nach ebenfalls an das Ende dieſes Ideals und wir können die ganze Form<lb/> der Phantaſie, wozu ſie gehört, erſt am Schluße der Phantaſie des Alter-<lb/> thums überhaupt einführen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Es iſt falſch, wenn Hegel das Erhabene erſt mit der ſymboliſchen<lb/> Kunſtform (theils überhaupt, theils insbeſondere mit der moſaiſchen Re-<lb/> ligion) einführt. Jede geſchichtliche Hauptſtufe der Phantaſie hat ihre<lb/><choice><sic>Erhabenbeit</sic><corr>Erhabenheit</corr></choice>; die orientaliſche unterſcheidet ſich allerdings dadurch, daß ſie das<lb/> Erhabene zu ihrem Hauptſtandpunkte macht, allein es iſt nicht das Erha-<lb/> bene überhaupt, ſondern es iſt ein unreif Erhabenes, wie alle ihre Formen.<lb/> Sie ſetzt das Bild negativ gegen die Idee, aber nur in der Weiſe des<lb/> Symbols. Die Idee iſt nicht als Geiſt gefaßt, daher nicht als Perſön-<lb/> lichkeit, daher hat ſie nicht ihren menſchlichen Leib, den ſie immanent einwoh-<lb/> nend auf ächt erhabene Weiſe beherrſchen könnte. Wohl tritt menſchliche Ge-<lb/> ſtalt auf, aber ſie ſinkt ja wieder in’s Symboliſche, ebenſo Thier- und Pflan-<lb/> zengeſtalt. Da nun dieſe Leiber und ſo alle Gebilde hier nicht ſich ſelbſt<lb/> bedeuten, ſo treibt die Phantaſie, was Hegel nicht bloß als Zug der indi-<lb/> ſchen (a. a. O. S. 436) hätte anführen ſollen, ihr Bild in’s <hi rendition="#g">Maaßloſe</hi><lb/> auf, wie z. B. das Zeugungsglied, das Weltei, häuft Zahlen, Glieder<lb/> in’s Ungeheure. Das Aeußerſte dieſer Auftreibungen erſchien noch ſpät im<lb/> Talmud. Als Häufung koſtbaren Schmucks wirkt dieſe Maaßloſigkeit<lb/> im Sinne des <hi rendition="#g">Prachtvollen</hi> (vergl. §. 98) und eine beſondere Wen-<lb/> dung nimmt dieß in der dichtenden Form. Die Grundlage wird auch<lb/> hier, wie geſagt, immer der Standpunkt der bildenden Phantaſie ſein,<lb/> das Geiſtige ſelbſt wird in der Form bauender Naturkräfte erſcheinen.<lb/> Hier beſonders aber wird der Weg des Prächtigen eingeſchlagen werden,<lb/> das Unzulängliche des Symbols auszufüllen, und zwar durch die Verglei-<lb/> chung (vergl. §. 405). Das Subject, das verglichen wird, iſt ſymboliſch<lb/> dunkel; um das Dunkel aufzuhellen wird nun Bild um Bild herbeige-<lb/> bracht und prachtvoll gehäuft. Noch heute iſt Ueberfluß der Vergleichungen<lb/> in der Dichtung ein Beweis unzulänglicher Phantaſie, welche eine fehlende<lb/> Qualität durch Quantität zu erſetzen ſucht.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">3. So wirkt der Dualismus als Symbolik; dazu kommt aber noch<lb/> der Dualismus in der erdichteten Stoffwelt. Das Urweſen iſt leer, die<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [430/0144]
vor; ſo enthält die Sakontala einige kurze Scenen faſt in Shakespeares komi-
ſcher Manier, Duſchmanta hat ſogar einen Hofnarren; aber dieſes Ele-
ment hat nur einen ſchmalen Spielraum da, wo die Götterwelt einen
Augenblick vergeſſen wird. Die maaßloſe Sinnlichkeit des Gottesdienſts
mag wohl auch ihre ungeheuern Obſcönitäten mitunter komiſch gewendet
haben, doch erſt da ſie ſchon aufhörten heilig zu ſein, wie denn die Zoten
algieriſcher Theaterpoſſen noch heute an den Lingamdienſt erinnern. Ferner
trat das Komiſche in der Fabel hervor, dieſe gehört aber ihrem Begriff
nach ebenfalls an das Ende dieſes Ideals und wir können die ganze Form
der Phantaſie, wozu ſie gehört, erſt am Schluße der Phantaſie des Alter-
thums überhaupt einführen.
2. Es iſt falſch, wenn Hegel das Erhabene erſt mit der ſymboliſchen
Kunſtform (theils überhaupt, theils insbeſondere mit der moſaiſchen Re-
ligion) einführt. Jede geſchichtliche Hauptſtufe der Phantaſie hat ihre
Erhabenheit; die orientaliſche unterſcheidet ſich allerdings dadurch, daß ſie das
Erhabene zu ihrem Hauptſtandpunkte macht, allein es iſt nicht das Erha-
bene überhaupt, ſondern es iſt ein unreif Erhabenes, wie alle ihre Formen.
Sie ſetzt das Bild negativ gegen die Idee, aber nur in der Weiſe des
Symbols. Die Idee iſt nicht als Geiſt gefaßt, daher nicht als Perſön-
lichkeit, daher hat ſie nicht ihren menſchlichen Leib, den ſie immanent einwoh-
nend auf ächt erhabene Weiſe beherrſchen könnte. Wohl tritt menſchliche Ge-
ſtalt auf, aber ſie ſinkt ja wieder in’s Symboliſche, ebenſo Thier- und Pflan-
zengeſtalt. Da nun dieſe Leiber und ſo alle Gebilde hier nicht ſich ſelbſt
bedeuten, ſo treibt die Phantaſie, was Hegel nicht bloß als Zug der indi-
ſchen (a. a. O. S. 436) hätte anführen ſollen, ihr Bild in’s Maaßloſe
auf, wie z. B. das Zeugungsglied, das Weltei, häuft Zahlen, Glieder
in’s Ungeheure. Das Aeußerſte dieſer Auftreibungen erſchien noch ſpät im
Talmud. Als Häufung koſtbaren Schmucks wirkt dieſe Maaßloſigkeit
im Sinne des Prachtvollen (vergl. §. 98) und eine beſondere Wen-
dung nimmt dieß in der dichtenden Form. Die Grundlage wird auch
hier, wie geſagt, immer der Standpunkt der bildenden Phantaſie ſein,
das Geiſtige ſelbſt wird in der Form bauender Naturkräfte erſcheinen.
Hier beſonders aber wird der Weg des Prächtigen eingeſchlagen werden,
das Unzulängliche des Symbols auszufüllen, und zwar durch die Verglei-
chung (vergl. §. 405). Das Subject, das verglichen wird, iſt ſymboliſch
dunkel; um das Dunkel aufzuhellen wird nun Bild um Bild herbeige-
bracht und prachtvoll gehäuft. Noch heute iſt Ueberfluß der Vergleichungen
in der Dichtung ein Beweis unzulänglicher Phantaſie, welche eine fehlende
Qualität durch Quantität zu erſetzen ſucht.
3. So wirkt der Dualismus als Symbolik; dazu kommt aber noch
der Dualismus in der erdichteten Stoffwelt. Das Urweſen iſt leer, die
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