Allein das Straffe und Geschwungene zerfließt überall mitten im Ansatz wieder in breiige Weichheit und Schlaffheit und wie die Glieder der ein- zelnen Gestalt teigig und gelenklos in jede unmögliche Stellung sich ver- biegen, als könnten sie auch weggeworfen werden, so bauscht sich auch das Ganze der Erfindungen in tolle und freche Verwirrung auf, worin namentlich die Symbolik des Zeugens die häßlichsten, die Trübheit der Ascese mit dem Ueberschwang der Zahl die abgeschmacktesten Bilder er- zeugt. Beispiele geben namentlich die Heldengedichte Ramayana und Mahabharata.
2. Die Grundlage der persischen Religion ist allerdings einfache, noch nicht symbolische Anschauung des Positiven und Guten im Lichte, des Ne- gativen und Bösen in der Finsterniß; Ormuzd ist das Fruchtende und Lebenschaffende im Lichte u. s. w. Allein es gibt keine Religion, welche nicht auch den Ansatz zur Personbildung nimmt, und die persische ist ge- rade darin besonders stark, wie sich aus dem ethisch persönlicheren Cha- rakter des Volkes schon schließen läßt. Geister sind es, welche im Lichte und in der Finsterniß wohnen, diese Geister haben wieder ihre Geister, die Amschaspand, Ferwer, Ized und Dew, ja jedes wirklich Lebendige hat wieder seinen Dämon. Zwischen jene unmittelbare Anschauung und diese Personification ist eine sparsame, verglichen mit der indischen Ueppigkeit und Zuchtlosigkeit keusche Symbolwelt gestellt, es sind nament- lich Thiere, natürliche und wunderbare, Stier, Pferd, Einhorn, Löwe, Adler, Greif, worin die einzelnen Momente der Weltkräfte angeschaut werden. In der hellen Deutlichkeit dieses Gestirndienstes nun spielt das ursprüngliche dunkle Allwesen (Zeruane Akerene) nicht mehr die Rolle, wie in Indien. Die concrete Welt leuchtet in ruhiger Pracht, in den vollen Umrissen des Lichts, in der scharfen Absetzung gegen das Dunkel. Eben diese Helle und Bestimmtheit aber drückt auch die ausgebildete Phan- tasiewelt der Personification in den Hintergrund, die Geister sind eine dünne, durchsichtige Gestaltenbildung, die nach keiner vollen Verkörperung strebt; die Götter werden nicht abgebildet, nur die wenigen Symbole. Spielt nun das dunkle Urwesen kaum eine Rolle, so tritt dagegen in dieser scharfen Anschauung des Concreten, des wirklichen Lebens, das aus seinem Schooße hervorgegangen, der offene Gegensatz um so voller und als das Bestimmende hervor: die persische Religion ist vorzugsweise dualistisch. Schon darin, im Kampfe des Ormuzd und Ariman, drückt sich die Span- nung des Sollens, der Standpunkt des Willens aus. Dieser Kampf ist aber wesentlich ein Kampf des Guten und Bösen. Zwar darf man kei- neswegs die reine Idee des Ethischen darin suchen; Naturreligion ist auch die persische, das Gute ist Förderung des Lebens, des Seins, das Böse ist das Schädliche, das Zerstörende in der Natur. Der Mensch soll mit
Allein das Straffe und Geſchwungene zerfließt überall mitten im Anſatz wieder in breiige Weichheit und Schlaffheit und wie die Glieder der ein- zelnen Geſtalt teigig und gelenklos in jede unmögliche Stellung ſich ver- biegen, als könnten ſie auch weggeworfen werden, ſo bauſcht ſich auch das Ganze der Erfindungen in tolle und freche Verwirrung auf, worin namentlich die Symbolik des Zeugens die häßlichſten, die Trübheit der Aſceſe mit dem Ueberſchwang der Zahl die abgeſchmackteſten Bilder er- zeugt. Beiſpiele geben namentlich die Heldengedichte Ramayana und Mahabharata.
2. Die Grundlage der perſiſchen Religion iſt allerdings einfache, noch nicht ſymboliſche Anſchauung des Poſitiven und Guten im Lichte, des Ne- gativen und Böſen in der Finſterniß; Ormuzd iſt das Fruchtende und Lebenſchaffende im Lichte u. ſ. w. Allein es gibt keine Religion, welche nicht auch den Anſatz zur Perſonbildung nimmt, und die perſiſche iſt ge- rade darin beſonders ſtark, wie ſich aus dem ethiſch perſönlicheren Cha- rakter des Volkes ſchon ſchließen läßt. Geiſter ſind es, welche im Lichte und in der Finſterniß wohnen, dieſe Geiſter haben wieder ihre Geiſter, die Amſchaſpand, Ferwer, Ized und Dew, ja jedes wirklich Lebendige hat wieder ſeinen Dämon. Zwiſchen jene unmittelbare Anſchauung und dieſe Perſonification iſt eine ſparſame, verglichen mit der indiſchen Ueppigkeit und Zuchtloſigkeit keuſche Symbolwelt geſtellt, es ſind nament- lich Thiere, natürliche und wunderbare, Stier, Pferd, Einhorn, Löwe, Adler, Greif, worin die einzelnen Momente der Weltkräfte angeſchaut werden. In der hellen Deutlichkeit dieſes Geſtirndienſtes nun ſpielt das urſprüngliche dunkle Allweſen (Zeruane Akerene) nicht mehr die Rolle, wie in Indien. Die concrete Welt leuchtet in ruhiger Pracht, in den vollen Umriſſen des Lichts, in der ſcharfen Abſetzung gegen das Dunkel. Eben dieſe Helle und Beſtimmtheit aber drückt auch die ausgebildete Phan- taſiewelt der Perſonification in den Hintergrund, die Geiſter ſind eine dünne, durchſichtige Geſtaltenbildung, die nach keiner vollen Verkörperung ſtrebt; die Götter werden nicht abgebildet, nur die wenigen Symbole. Spielt nun das dunkle Urweſen kaum eine Rolle, ſo tritt dagegen in dieſer ſcharfen Anſchauung des Concreten, des wirklichen Lebens, das aus ſeinem Schooße hervorgegangen, der offene Gegenſatz um ſo voller und als das Beſtimmende hervor: die perſiſche Religion iſt vorzugsweiſe dualiſtiſch. Schon darin, im Kampfe des Ormuzd und Ariman, drückt ſich die Span- nung des Sollens, der Standpunkt des Willens aus. Dieſer Kampf iſt aber weſentlich ein Kampf des Guten und Böſen. Zwar darf man kei- neswegs die reine Idee des Ethiſchen darin ſuchen; Naturreligion iſt auch die perſiſche, das Gute iſt Förderung des Lebens, des Seins, das Böſe iſt das Schädliche, das Zerſtörende in der Natur. Der Menſch ſoll mit
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wieder in breiige Weichheit und Schlaffheit und wie die Glieder der ein-
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biegen, als könnten ſie auch weggeworfen werden, ſo bauſcht ſich auch
das Ganze der Erfindungen in tolle und freche Verwirrung auf, worin
namentlich die Symbolik des Zeugens die häßlichſten, die Trübheit der
Aſceſe mit dem Ueberſchwang der Zahl die abgeſchmackteſten Bilder er-
zeugt. Beiſpiele geben namentlich die Heldengedichte Ramayana und
Mahabharata.
2. Die Grundlage der perſiſchen Religion iſt allerdings einfache, noch
nicht ſymboliſche Anſchauung des Poſitiven und Guten im Lichte, des Ne-
gativen und Böſen in der Finſterniß; Ormuzd iſt das Fruchtende und
Lebenſchaffende im Lichte u. ſ. w. Allein es gibt keine Religion, welche
nicht auch den Anſatz zur Perſonbildung nimmt, und die perſiſche iſt ge-
rade darin beſonders ſtark, wie ſich aus dem ethiſch perſönlicheren Cha-
rakter des Volkes ſchon ſchließen läßt. Geiſter ſind es, welche im Lichte
und in der Finſterniß wohnen, dieſe Geiſter haben wieder ihre Geiſter,
die Amſchaſpand, Ferwer, Ized und Dew, ja jedes wirklich Lebendige
hat wieder ſeinen Dämon. Zwiſchen jene unmittelbare Anſchauung
und dieſe Perſonification iſt eine ſparſame, verglichen mit der indiſchen
Ueppigkeit und Zuchtloſigkeit keuſche Symbolwelt geſtellt, es ſind nament-
lich Thiere, natürliche und wunderbare, Stier, Pferd, Einhorn, Löwe,
Adler, Greif, worin die einzelnen Momente der Weltkräfte angeſchaut
werden. In der hellen Deutlichkeit dieſes Geſtirndienſtes nun ſpielt das
urſprüngliche dunkle Allweſen (Zeruane Akerene) nicht mehr die Rolle,
wie in Indien. Die concrete Welt leuchtet in ruhiger Pracht, in den
vollen Umriſſen des Lichts, in der ſcharfen Abſetzung gegen das Dunkel.
Eben dieſe Helle und Beſtimmtheit aber drückt auch die ausgebildete Phan-
taſiewelt der Perſonification in den Hintergrund, die Geiſter ſind eine
dünne, durchſichtige Geſtaltenbildung, die nach keiner vollen Verkörperung
ſtrebt; die Götter werden nicht abgebildet, nur die wenigen Symbole.
Spielt nun das dunkle Urweſen kaum eine Rolle, ſo tritt dagegen in
dieſer ſcharfen Anſchauung des Concreten, des wirklichen Lebens, das aus
ſeinem Schooße hervorgegangen, der offene Gegenſatz um ſo voller und als
das Beſtimmende hervor: die perſiſche Religion iſt vorzugsweiſe dualiſtiſch.
Schon darin, im Kampfe des Ormuzd und Ariman, drückt ſich die Span-
nung des Sollens, der Standpunkt des Willens aus. Dieſer Kampf iſt
aber weſentlich ein Kampf des Guten und Böſen. Zwar darf man kei-
neswegs die reine Idee des Ethiſchen darin ſuchen; Naturreligion iſt auch
die perſiſche, das Gute iſt Förderung des Lebens, des Seins, das Böſe
iſt das Schädliche, das Zerſtörende in der Natur. Der Menſch ſoll mit
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0202_1848/149>, abgerufen am 16.02.2025.
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