Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
Th. 1, S. 485) in das komische Gebiet übertritt, wird sie die Posse, den §. 403. Ein zweiter Theilungsgrund ist durch die verschiedenen Reiche des Natur-1 1. Schon hier erhalten wir eine der Grundlagen der verschiedenen
Th. 1, S. 485) in das komiſche Gebiet übertritt, wird ſie die Poſſe, den §. 403. Ein zweiter Theilungsgrund iſt durch die verſchiedenen Reiche des Natur-1 1. Schon hier erhalten wir eine der Grundlagen der verſchiedenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0087" n="373"/> Th. 1, S. 485) in das komiſche Gebiet übertritt, wird ſie die Poſſe, den<lb/> bildlichen Witz, den naiven Humor ſich aneignen. Die erhabene Phan-<lb/> taſie hat ſelten Sinn für das einfach Schöne; Schiller z. B. iſt unglücklich<lb/> im ächten weiblichen Ideal; zum Komiſchen hat ſie zwar nur „einen<lb/> Schritt“, allein keineswegs vollzieht ſie ihn darum immer ſelbſt, nicht jeder<lb/> erhaben Geſtimmte vermag ſich ſelbſt zugleich zu ironiſiren, häufig über-<lb/> läßt er dieß, wie Klopſtock ganz, Schiller zum Theil (denn einigen Ueber-<lb/> gang zum Komiſchen hat er allerdings ſehr glücklich vollzogen) der Phan-<lb/> taſie eines Andern. Doch ſie kann es und dann wird ſie, wenn mehr<lb/> auf das objectiv Erhabene eingeſchränkt, dieſelben Sphären des Komiſchen<lb/> aufſuchen, wie die einfach ſchöne Phantaſie, wenn mehr auf das Erha-<lb/> bene des Subjects, den Witz, insbeſondere den abſtracten nebſt der<lb/> Ironie und den gebrochenen Humor, wenn aber mehr auf das Tragiſche,<lb/> den freien Humor lieben. Die komiſche Phantaſie wird ſehr wenig Sinn<lb/> für die ruhige und einfache Schönheit haben, doch eher noch, wenn ſie<lb/> von der burlesken Art iſt, den bildlichen Witz und den naiven Humor<lb/> anbaut. Sinn für das Erhabene ſetzt ſie aber entſchieden voraus, denn<lb/> das iſt ihr Stoff und Ausgang und das ſoll ſie mitten im Lachen noch<lb/> verehren, doch am wenigſten wird ſie dieſen vorausgeſetzten Sinn beſitzen,<lb/> wenn ſie auf den Witz, der lieblos das getroffene Subject ſtehen läßt,<lb/> beſchränkt iſt. Der Humor aber wird vollen Sinn für das Erhabene<lb/> hegen, der naive für ein handgreiflich vorliegendes, der gebrochene für<lb/> das mehr innerlich Erhabene des Subjects und die negative, zerſtörende<lb/> Seite des Tragiſchen, der freie für das Erhabene des Subjects und das<lb/> ganze Tragiſche.</hi> </p> </div><lb/> <div n="6"> <head>§. 403.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Ein zweiter Theilungsgrund iſt durch die verſchiedenen Reiche des Natur-<note place="right">1</note><lb/> ſchönen gegeben: <hi rendition="#g">landſchaftliche, thieriſche, menſchliche</hi> und zwar<lb/> entweder <hi rendition="#g">allgemein menſchliche</hi> oder <hi rendition="#g">geſchichtliche Phantaſie</hi>. Auch<lb/> dieſe Arten verzweigen ſich zu einer reichen Reihe von Unterarten, die den<lb/> engeren Kreiſen dieſer Reiche zugetheilt ſind. Eine dreifache Reihe neuer<note place="right">2</note><lb/> Verbindungen entſteht hier theils dadurch, daß die einzelne Art und Unterart<lb/> in die andere übergreift, theils durch die Vereinigung der Arten des vorhergehen-<lb/> den §. mit den vorliegenden, theils durch die Uebergriffe der ſo verbundenen<lb/> Arten und Unterarten ineinander. Auch hier umfaßt je die reichere Phantaſie<lb/> mehr Arten und Unterarten.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Schon hier erhalten wir eine der Grundlagen der verſchiedenen<lb/> Künſte und Kunſtzweige, was im vorh. §. noch nicht ebenſo oder nur<lb/> in ſchwacher Andeutung der Fall war, denn die Grundformen des Schönen<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [373/0087]
Th. 1, S. 485) in das komiſche Gebiet übertritt, wird ſie die Poſſe, den
bildlichen Witz, den naiven Humor ſich aneignen. Die erhabene Phan-
taſie hat ſelten Sinn für das einfach Schöne; Schiller z. B. iſt unglücklich
im ächten weiblichen Ideal; zum Komiſchen hat ſie zwar nur „einen
Schritt“, allein keineswegs vollzieht ſie ihn darum immer ſelbſt, nicht jeder
erhaben Geſtimmte vermag ſich ſelbſt zugleich zu ironiſiren, häufig über-
läßt er dieß, wie Klopſtock ganz, Schiller zum Theil (denn einigen Ueber-
gang zum Komiſchen hat er allerdings ſehr glücklich vollzogen) der Phan-
taſie eines Andern. Doch ſie kann es und dann wird ſie, wenn mehr
auf das objectiv Erhabene eingeſchränkt, dieſelben Sphären des Komiſchen
aufſuchen, wie die einfach ſchöne Phantaſie, wenn mehr auf das Erha-
bene des Subjects, den Witz, insbeſondere den abſtracten nebſt der
Ironie und den gebrochenen Humor, wenn aber mehr auf das Tragiſche,
den freien Humor lieben. Die komiſche Phantaſie wird ſehr wenig Sinn
für die ruhige und einfache Schönheit haben, doch eher noch, wenn ſie
von der burlesken Art iſt, den bildlichen Witz und den naiven Humor
anbaut. Sinn für das Erhabene ſetzt ſie aber entſchieden voraus, denn
das iſt ihr Stoff und Ausgang und das ſoll ſie mitten im Lachen noch
verehren, doch am wenigſten wird ſie dieſen vorausgeſetzten Sinn beſitzen,
wenn ſie auf den Witz, der lieblos das getroffene Subject ſtehen läßt,
beſchränkt iſt. Der Humor aber wird vollen Sinn für das Erhabene
hegen, der naive für ein handgreiflich vorliegendes, der gebrochene für
das mehr innerlich Erhabene des Subjects und die negative, zerſtörende
Seite des Tragiſchen, der freie für das Erhabene des Subjects und das
ganze Tragiſche.
§. 403.
Ein zweiter Theilungsgrund iſt durch die verſchiedenen Reiche des Natur-
ſchönen gegeben: landſchaftliche, thieriſche, menſchliche und zwar
entweder allgemein menſchliche oder geſchichtliche Phantaſie. Auch
dieſe Arten verzweigen ſich zu einer reichen Reihe von Unterarten, die den
engeren Kreiſen dieſer Reiche zugetheilt ſind. Eine dreifache Reihe neuer
Verbindungen entſteht hier theils dadurch, daß die einzelne Art und Unterart
in die andere übergreift, theils durch die Vereinigung der Arten des vorhergehen-
den §. mit den vorliegenden, theils durch die Uebergriffe der ſo verbundenen
Arten und Unterarten ineinander. Auch hier umfaßt je die reichere Phantaſie
mehr Arten und Unterarten.
1. Schon hier erhalten wir eine der Grundlagen der verſchiedenen
Künſte und Kunſtzweige, was im vorh. §. noch nicht ebenſo oder nur
in ſchwacher Andeutung der Fall war, denn die Grundformen des Schönen
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