Plastik hatten und haben, zum bestimmenden zu erheben, d. h. die historische Behandlung von der logischen zu trennen. Die Losreißung der Malerei von der Architektur und Plastik, mit denen sie doch schlechthin als bildende Kunst zusammengehört, ist Beweis, wie die Bevorzugung des historischen Standpuncts hier die Verletzung der Logik zur Folge haben muß. Will man aber einmal historisch eintheilen, so wäre die Poesie als die im strengsten Sinn moderne Kunst aufzustellen, was freilich mit dem bei Hegel zu sehr herrschenden religionsphilosophischen Standpuncte so wenig vereinbar ist, als überhaupt die Aufstellung eines modernen Ideals, denn dieses ruht auf keiner besondern Religionsform. Es muß also jede Kunst zuerst allgemein behandelt, d. h. in ihrem Wesen dargestellt, dann in ihre Zweige auseinandergelegt werden und als weitere Unter- eintheilung muß die Geschichte derselben, wie sie sich gemäß der Geschichte des Ideals gestaltet hat, also mit der Eintheilung in classisch, romantisch, modern in ihren Grundzügen nachfolgen. Dabei ist nun freilich unver- meidlich, daß die logische Reihe in der nachfolgenden historischen Behandlung vielfach alterirt wird; so muß z. B. in der Malerei die Landschaft dort als integrirender Zweig auftreten, während sie als solcher in der ganzen älteren Kunstgeschichte noch gar nicht existirte. Dieß ist jedoch die gerin- gere Schwierigkeit, denn die logische Theilung legt ihrem Schema mit Fug eine überschauende Vergleichung und Verbindung des in der Geschichte ungleich Fortschreitenden zu Grunde. Ungleich schwieriger wird die Durch- kreuzung des Logischen mit dem Historischen durch den Zutritt der zweiten Stoffwelt, wie er durch das geschichtliche Verhältniß der besondern zur allgemeinen Phantasie gegeben ist: die Künste treiben Zweige, in welchen derselbe Stoff, der in der Kunst der Aufklärung einfach wunderlos in ge- wissen Zweigen niedergelegt wird, eine mythische Darstellung findet. Dadurch entsteht dieselbe logische Verwirrung wie in der Staatslehre durch die Existenz mythischer Stände (des Adels und Clerus) neben den rationell auf den Unterschied der Thätigkeit begründeten, eine Verwirrung, die freilich in beiden Gebieten auch sehr zur praktischen geworden ist. Es zeigen sich nun die Folgen des in §. 418 aufgezeigten Widerspruchs in dem Gebiete der verwirklichten Phantasie, der Kunst. Theilweise nämlich wird durch den mythischen Zweig der entsprechende wunderlos natürliche verdrängt: so gibt es keine eigentlich historische Malerei, so lang aller Geschichtsgehalt in der heiligen Sage zusammengezogen angeschaut wird: nachdem aber jene sich gebildet, sollte es consequent keine Mythen- malerei mehr geben, allein diese überlebt ihren Tod, dauert neben der rein historischen Malerei fort, durch die sie eigentlich aufgehoben ist, und daraus entsteht eine unvermeidliche Confusion: das unkritische Bewußt- sein wirft beide Formen getrost in der Kategorie Historienmalerei zu-
Plaſtik hatten und haben, zum beſtimmenden zu erheben, d. h. die hiſtoriſche Behandlung von der logiſchen zu trennen. Die Losreißung der Malerei von der Architektur und Plaſtik, mit denen ſie doch ſchlechthin als bildende Kunſt zuſammengehört, iſt Beweis, wie die Bevorzugung des hiſtoriſchen Standpuncts hier die Verletzung der Logik zur Folge haben muß. Will man aber einmal hiſtoriſch eintheilen, ſo wäre die Poeſie als die im ſtrengſten Sinn moderne Kunſt aufzuſtellen, was freilich mit dem bei Hegel zu ſehr herrſchenden religionsphiloſophiſchen Standpuncte ſo wenig vereinbar iſt, als überhaupt die Aufſtellung eines modernen Ideals, denn dieſes ruht auf keiner beſondern Religionsform. Es muß alſo jede Kunſt zuerſt allgemein behandelt, d. h. in ihrem Weſen dargeſtellt, dann in ihre Zweige auseinandergelegt werden und als weitere Unter- eintheilung muß die Geſchichte derſelben, wie ſie ſich gemäß der Geſchichte des Ideals geſtaltet hat, alſo mit der Eintheilung in claſſiſch, romantiſch, modern in ihren Grundzügen nachfolgen. Dabei iſt nun freilich unver- meidlich, daß die logiſche Reihe in der nachfolgenden hiſtoriſchen Behandlung vielfach alterirt wird; ſo muß z. B. in der Malerei die Landſchaft dort als integrirender Zweig auftreten, während ſie als ſolcher in der ganzen älteren Kunſtgeſchichte noch gar nicht exiſtirte. Dieß iſt jedoch die gerin- gere Schwierigkeit, denn die logiſche Theilung legt ihrem Schema mit Fug eine überſchauende Vergleichung und Verbindung des in der Geſchichte ungleich Fortſchreitenden zu Grunde. Ungleich ſchwieriger wird die Durch- kreuzung des Logiſchen mit dem Hiſtoriſchen durch den Zutritt der zweiten Stoffwelt, wie er durch das geſchichtliche Verhältniß der beſondern zur allgemeinen Phantaſie gegeben iſt: die Künſte treiben Zweige, in welchen derſelbe Stoff, der in der Kunſt der Aufklärung einfach wunderlos in ge- wiſſen Zweigen niedergelegt wird, eine mythiſche Darſtellung findet. Dadurch entſteht dieſelbe logiſche Verwirrung wie in der Staatslehre durch die Exiſtenz mythiſcher Stände (des Adels und Clerus) neben den rationell auf den Unterſchied der Thätigkeit begründeten, eine Verwirrung, die freilich in beiden Gebieten auch ſehr zur praktiſchen geworden iſt. Es zeigen ſich nun die Folgen des in §. 418 aufgezeigten Widerſpruchs in dem Gebiete der verwirklichten Phantaſie, der Kunſt. Theilweiſe nämlich wird durch den mythiſchen Zweig der entſprechende wunderlos natürliche verdrängt: ſo gibt es keine eigentlich hiſtoriſche Malerei, ſo lang aller Geſchichtsgehalt in der heiligen Sage zuſammengezogen angeſchaut wird: nachdem aber jene ſich gebildet, ſollte es conſequent keine Mythen- malerei mehr geben, allein dieſe überlebt ihren Tod, dauert neben der rein hiſtoriſchen Malerei fort, durch die ſie eigentlich aufgehoben iſt, und daraus entſteht eine unvermeidliche Confuſion: das unkritiſche Bewußt- ſein wirft beide Formen getroſt in der Kategorie Hiſtorienmalerei zu-
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Plaſtik hatten und haben, zum beſtimmenden zu erheben, d. h. die hiſtoriſche
Behandlung von der logiſchen zu trennen. Die Losreißung der Malerei
von der Architektur und Plaſtik, mit denen ſie doch ſchlechthin als bildende
Kunſt zuſammengehört, iſt Beweis, wie die Bevorzugung des hiſtoriſchen
Standpuncts hier die Verletzung der Logik zur Folge haben muß. Will
man aber einmal hiſtoriſch eintheilen, ſo wäre die Poeſie als die im
ſtrengſten Sinn moderne Kunſt aufzuſtellen, was freilich mit dem bei
Hegel zu ſehr herrſchenden religionsphiloſophiſchen Standpuncte ſo wenig
vereinbar iſt, als überhaupt die Aufſtellung eines modernen Ideals,
denn dieſes ruht auf keiner beſondern Religionsform. Es muß alſo
jede Kunſt zuerſt allgemein behandelt, d. h. in ihrem Weſen dargeſtellt,
dann in ihre Zweige auseinandergelegt werden und als weitere Unter-
eintheilung muß die Geſchichte derſelben, wie ſie ſich gemäß der Geſchichte
des Ideals geſtaltet hat, alſo mit der Eintheilung in claſſiſch, romantiſch,
modern in ihren Grundzügen nachfolgen. Dabei iſt nun freilich unver-
meidlich, daß die logiſche Reihe in der nachfolgenden hiſtoriſchen Behandlung
vielfach alterirt wird; ſo muß z. B. in der Malerei die Landſchaft dort
als integrirender Zweig auftreten, während ſie als ſolcher in der ganzen
älteren Kunſtgeſchichte noch gar nicht exiſtirte. Dieß iſt jedoch die gerin-
gere Schwierigkeit, denn die logiſche Theilung legt ihrem Schema mit
Fug eine überſchauende Vergleichung und Verbindung des in der Geſchichte
ungleich Fortſchreitenden zu Grunde. Ungleich ſchwieriger wird die Durch-
kreuzung des Logiſchen mit dem Hiſtoriſchen durch den Zutritt der zweiten
Stoffwelt, wie er durch das geſchichtliche Verhältniß der beſondern zur
allgemeinen Phantaſie gegeben iſt: die Künſte treiben Zweige, in welchen
derſelbe Stoff, der in der Kunſt der Aufklärung einfach wunderlos in ge-
wiſſen Zweigen niedergelegt wird, eine mythiſche Darſtellung findet.
Dadurch entſteht dieſelbe logiſche Verwirrung wie in der Staatslehre durch
die Exiſtenz mythiſcher Stände (des Adels und Clerus) neben den rationell
auf den Unterſchied der Thätigkeit begründeten, eine Verwirrung, die
freilich in beiden Gebieten auch ſehr zur praktiſchen geworden iſt. Es
zeigen ſich nun die Folgen des in §. 418 aufgezeigten Widerſpruchs in
dem Gebiete der verwirklichten Phantaſie, der Kunſt. Theilweiſe
nämlich wird durch den mythiſchen Zweig der entſprechende wunderlos
natürliche verdrängt: ſo gibt es keine eigentlich hiſtoriſche Malerei, ſo lang
aller Geſchichtsgehalt in der heiligen Sage zuſammengezogen angeſchaut
wird: nachdem aber jene ſich gebildet, ſollte es conſequent keine Mythen-
malerei mehr geben, allein dieſe überlebt ihren Tod, dauert neben der
rein hiſtoriſchen Malerei fort, durch die ſie eigentlich aufgehoben iſt, und
daraus entſteht eine unvermeidliche Confuſion: das unkritiſche Bewußt-
ſein wirft beide Formen getroſt in der Kategorie Hiſtorienmalerei zu-
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0301_1851/171>, abgerufen am 17.02.2025.
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