Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
andere Seite der ausdrücklichen Oeffentlichkeit ist diejenige, worin die
andere Seite der ausdrücklichen Oeffentlichkeit iſt diejenige, worin die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0103" n="263"/> andere Seite der ausdrücklichen Oeffentlichkeit iſt diejenige, worin die<lb/> Geſammtperſon in freiem Selbſtgenuſſe rein darſtellend die Fülle ihrer<lb/> Kräfte ſich ſelber zeigt. Dieß iſt die wahre Bedeutung des Volksfeſtes.<lb/> Es knüpft ſich unmittelbar an die öffentlichen Plätze, denn wenn auch<lb/> die größeren Spiele, nachdem ſie ſich reicher ausgebildet, nicht mehr hier<lb/> abgehalten wurden, ſondern Stadium, Hippodrom oder Circus, ebenſo<lb/> die Turnierplätze und Felder für die andern Spiele des Mittelalters ſich<lb/> außerhalb der Städte verlegten, ſo ging doch immer der Feſtzug von<lb/> hier aus und zeigte damit an, daß da, wo das Ganze als politiſche<lb/> Einheit ſein Leben concentrirte, auch die Blüthe dieſes Lebens, die Schön-<lb/> heit und Freude vor Allem ſich entfalten müſſe. Griechenland hatte außer-<lb/> dem ſeine Orte für die großen Spiele der Haupt-Nationalfeſte: Olympia,<lb/> Delphi, Iſthmus, Nemea. Die Theater ſind nun wieder beizuziehen, ſie<lb/> gehören zu dieſer architektoniſchen Gruppe, denn ihre Leiſtungen waren<lb/> einſt und ſollen ſein weſentlicher Theil des Feſtes. Auf den großen Ver-<lb/> ſammlungs- und Feſträumen ſtehen nun aber naturgemäß auch die Denk-<lb/> male für die großen Männer des Staats, der Wiſſenſchaft, Kunſt und,<lb/> wo gleichmäßige Entwicklung der menſchlichen Kräfte in ihrem unendlichen<lb/> Werth erkannt iſt, für die Sieger in den Feſtſpielen. Lebendige und<lb/> Todte werden dieſer Ehre gewürdigt. Anlagen von Begräbniß-Orten,<lb/> Gräberſtraßen, Kirchhöfen und Erfindung von eigentlichen Grab-Monu-<lb/> menten, deren Grundcharakter immer eine, die Grabkammer weithin ver-<lb/> kündigende Erhöhung ſein wird, iſt eine beſondere Aufgabe der Baukunſt;<lb/> aber die Ehre, welche der um das Oeffentliche verdienten Perſönlichkeit,<lb/> namentlich durch Aufſtellung der Bildſäule, auf dem belebten öffentlichen<lb/> Platz erwieſen wird, führt uns durch die verewigende Kraft des Todes<lb/> zu einem Cultus (Heroen-, Heiligen-Verehrung), dem nun die Architektur<lb/> an ebenſolchen Stellen ſeinen Raum: Altar, Heroon, Kapelle hinzuſtellen<lb/> hat, und ſo auf dem in §. 556 dargeſtellten Uebergange zum Tempel<lb/> zurück. Haben doch Völker, die ihre großen Männer ehren, ſie häufig<lb/> im Haupttempel ſelbſt begraben, ihnen hier ihr Ehrendenkmal geſetzt und<lb/> ſo Kirchen zu National-Heiligthümern umgeſchaffen (Weſtmünſterabtei,<lb/> S. Croce in Florenz). Beſondere Ruhmeshallen ſind ein abſtracter Ge-<lb/> danke (Walhalla u. ſ. w. in Baiern). Die Haupt-Tempel ſind nun zu<lb/> aller Zeit den öffentlichen Plätzen nahe geſtanden, nicht blos äußerer<lb/> Zwecke, ſondern der innern Bedeutung wegen, denn die ausdrückliche<lb/> Erinnerung und Bethätigung der Gemeinſamkeit iſt der Uebergang zur<lb/> Erinnerung des Unendlichen. Abgeſondertere Tempel hatten im Alterthum<lb/> ihren heiligen Bezirk, Peribolos (Aule, Temenos, Herkos) mit heiligen<lb/> Quellen, Bäumen, Hainen, Inſchriftſäulen, Sieges- und Heldenmalen,<lb/> Schatzhäuſern und Wohnungen für Prieſter und Tempeldiener. Pracht-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [263/0103]
andere Seite der ausdrücklichen Oeffentlichkeit iſt diejenige, worin die
Geſammtperſon in freiem Selbſtgenuſſe rein darſtellend die Fülle ihrer
Kräfte ſich ſelber zeigt. Dieß iſt die wahre Bedeutung des Volksfeſtes.
Es knüpft ſich unmittelbar an die öffentlichen Plätze, denn wenn auch
die größeren Spiele, nachdem ſie ſich reicher ausgebildet, nicht mehr hier
abgehalten wurden, ſondern Stadium, Hippodrom oder Circus, ebenſo
die Turnierplätze und Felder für die andern Spiele des Mittelalters ſich
außerhalb der Städte verlegten, ſo ging doch immer der Feſtzug von
hier aus und zeigte damit an, daß da, wo das Ganze als politiſche
Einheit ſein Leben concentrirte, auch die Blüthe dieſes Lebens, die Schön-
heit und Freude vor Allem ſich entfalten müſſe. Griechenland hatte außer-
dem ſeine Orte für die großen Spiele der Haupt-Nationalfeſte: Olympia,
Delphi, Iſthmus, Nemea. Die Theater ſind nun wieder beizuziehen, ſie
gehören zu dieſer architektoniſchen Gruppe, denn ihre Leiſtungen waren
einſt und ſollen ſein weſentlicher Theil des Feſtes. Auf den großen Ver-
ſammlungs- und Feſträumen ſtehen nun aber naturgemäß auch die Denk-
male für die großen Männer des Staats, der Wiſſenſchaft, Kunſt und,
wo gleichmäßige Entwicklung der menſchlichen Kräfte in ihrem unendlichen
Werth erkannt iſt, für die Sieger in den Feſtſpielen. Lebendige und
Todte werden dieſer Ehre gewürdigt. Anlagen von Begräbniß-Orten,
Gräberſtraßen, Kirchhöfen und Erfindung von eigentlichen Grab-Monu-
menten, deren Grundcharakter immer eine, die Grabkammer weithin ver-
kündigende Erhöhung ſein wird, iſt eine beſondere Aufgabe der Baukunſt;
aber die Ehre, welche der um das Oeffentliche verdienten Perſönlichkeit,
namentlich durch Aufſtellung der Bildſäule, auf dem belebten öffentlichen
Platz erwieſen wird, führt uns durch die verewigende Kraft des Todes
zu einem Cultus (Heroen-, Heiligen-Verehrung), dem nun die Architektur
an ebenſolchen Stellen ſeinen Raum: Altar, Heroon, Kapelle hinzuſtellen
hat, und ſo auf dem in §. 556 dargeſtellten Uebergange zum Tempel
zurück. Haben doch Völker, die ihre großen Männer ehren, ſie häufig
im Haupttempel ſelbſt begraben, ihnen hier ihr Ehrendenkmal geſetzt und
ſo Kirchen zu National-Heiligthümern umgeſchaffen (Weſtmünſterabtei,
S. Croce in Florenz). Beſondere Ruhmeshallen ſind ein abſtracter Ge-
danke (Walhalla u. ſ. w. in Baiern). Die Haupt-Tempel ſind nun zu
aller Zeit den öffentlichen Plätzen nahe geſtanden, nicht blos äußerer
Zwecke, ſondern der innern Bedeutung wegen, denn die ausdrückliche
Erinnerung und Bethätigung der Gemeinſamkeit iſt der Uebergang zur
Erinnerung des Unendlichen. Abgeſondertere Tempel hatten im Alterthum
ihren heiligen Bezirk, Peribolos (Aule, Temenos, Herkos) mit heiligen
Quellen, Bäumen, Hainen, Inſchriftſäulen, Sieges- und Heldenmalen,
Schatzhäuſern und Wohnungen für Prieſter und Tempeldiener. Pracht-
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