Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
spectivischen Eindruck. Dazu trat der Schmuck. Dieses Ganze nämlich §. 588. 1. Von der andern Seite strebt der jetzt im byzantinischen Reich herr-
ſpectiviſchen Eindruck. Dazu trat der Schmuck. Dieſes Ganze nämlich §. 588. 1. Von der andern Seite ſtrebt der jetzt im byzantiniſchen Reich herr- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0140" n="300"/> ſpectiviſchen Eindruck. Dazu trat der Schmuck. Dieſes Ganze nämlich<lb/> mit ſeinen antiken Säulen, plaſtiſch unverzierten Flächen, in Beziehung<lb/> auf die Kunſtform (im engeren Sinn) außer den Reminiſcenzen und<lb/> wirklichen Bruchſtücken, die es vom claſſiſchen Bau herübernimmt, einfach<lb/> bis zum Rohen, umgibt ſich doch mit maleriſcher Zierde: buntem Mar-<lb/> mor, Moſaikfußböden und Moſaikbildern, Goldgrund. Die Gegenſtände<lb/> der Bilder nun vollenden den perſpectiviſch hinleitenden Charakter, denn an<lb/> der Mauerfläche über den Säulen liebt man Scenen, welche die Kämpfe<lb/> der erſten Kirche und ihre Vorbereitung im Alten Teſtament darſtellen,<lb/> am Triumphbogen die myſtiſchen Allegorien des Evangeliums, der durch<lb/> Gottes Wort erquickten Seele, Chriſtus als Lamm u. dgl., während die<lb/> Altarniſche die wirkliche menſchliche Geſtalt des Erlöſers in rieſigen Ver-<lb/> hältniſſen darſtellt: alſo ein Weg vom Kampfe zur Herrlichkeit, von der<lb/> Geſchichte durch das Sinnbild zum leibhaftigen Ideal. — Was die Glie-<lb/> derung der Höherichtung betrifft, ſo iſt ein Fortſchritt über die römiſche<lb/> Baſilika im Aeußern dann erwieſen, wenn dieſe zwei Walmendächer hatte,<lb/> denn das Giebeldach der chriſtlichen iſt Fa<hi rendition="#aq">ç</hi>ade-bildend und überhaupt eine<lb/> belebtere Organiſation. Im Uebrigen verkündet dieſer Innenbau ſeine<lb/> Bedeutung nach außen architektoniſch nur durch die Vorhalle am Eingang,<lb/> zu welcher der frühere ſäulenumſtellte Vorhof (Atrium) mit dem Brunnen<lb/> (<hi rendition="#aq">cantharus</hi>) einſchmolz, nachdem die Aufgabe verſchwunden war, eine<lb/> Menge von Katechumenen, Büßenden, Profanen vom Heiligthum abzu-<lb/> ſondern. Dieſer Vorhof, der ſelbſt wieder eine Vorhalle hatte, war<lb/> wirklich etwas Aegyptiſirendes. — Noch iſt die Anlage von Krypten unter<lb/> der Tribune zu erwähnen als merkwürdiger Beitrag zur Erweiſung jenes<lb/> mehrbeſprochenen Zuſammenhangs zwiſchen Grab und Tempel, denn ſie<lb/> ſind Stätten für die Gebeine der Heiligen und aus den Katakomben her-<lb/> vorgegangen. Hier war Wölbung nöthig, hier pflanzt ſich als unter-<lb/> irdiſcher Keim das Kreuzgewölbe fort, um ſeiner Zeit am Tageslichte<lb/> ſeine neue Entwicklung zu feiern.</hi> </p> </div><lb/> <div n="8"> <head>§. 588.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Von der andern Seite ſtrebt der jetzt im byzantiniſchen Reich herr-<lb/> ſchende <hi rendition="#g">runde Kuppelbau</hi>, der zugleich eine ſtärkere Höherichtung ausſpricht,<lb/> in verſchiedenen Formen nach Tilgung ſeiner Einſeitigkeit durch reichere Glie-<lb/> derung, Verbindung mit dem <hi rendition="#g">Viereck</hi> und mit der <hi rendition="#g">Längerichtung</hi>, wobei<lb/> er mit der Kuppel das Tonnen- und Kreuzgewölbe vereinigt; aber ſeine cen-<lb/> trale Natur geräth dabei in Widerſpruch mit dem neuen Einheitspuncte des<lb/> chriſtlichen Gottesdienſtes, welcher das Perſpectiviſche (§. 587) bedingt. Dieſen<lb/><note place="left">2.</note>Styl nehmen die <hi rendition="#g">Muhamedaner</hi> (vergl. §. 461) auf und bilden ihn zu<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0140]
ſpectiviſchen Eindruck. Dazu trat der Schmuck. Dieſes Ganze nämlich
mit ſeinen antiken Säulen, plaſtiſch unverzierten Flächen, in Beziehung
auf die Kunſtform (im engeren Sinn) außer den Reminiſcenzen und
wirklichen Bruchſtücken, die es vom claſſiſchen Bau herübernimmt, einfach
bis zum Rohen, umgibt ſich doch mit maleriſcher Zierde: buntem Mar-
mor, Moſaikfußböden und Moſaikbildern, Goldgrund. Die Gegenſtände
der Bilder nun vollenden den perſpectiviſch hinleitenden Charakter, denn an
der Mauerfläche über den Säulen liebt man Scenen, welche die Kämpfe
der erſten Kirche und ihre Vorbereitung im Alten Teſtament darſtellen,
am Triumphbogen die myſtiſchen Allegorien des Evangeliums, der durch
Gottes Wort erquickten Seele, Chriſtus als Lamm u. dgl., während die
Altarniſche die wirkliche menſchliche Geſtalt des Erlöſers in rieſigen Ver-
hältniſſen darſtellt: alſo ein Weg vom Kampfe zur Herrlichkeit, von der
Geſchichte durch das Sinnbild zum leibhaftigen Ideal. — Was die Glie-
derung der Höherichtung betrifft, ſo iſt ein Fortſchritt über die römiſche
Baſilika im Aeußern dann erwieſen, wenn dieſe zwei Walmendächer hatte,
denn das Giebeldach der chriſtlichen iſt Façade-bildend und überhaupt eine
belebtere Organiſation. Im Uebrigen verkündet dieſer Innenbau ſeine
Bedeutung nach außen architektoniſch nur durch die Vorhalle am Eingang,
zu welcher der frühere ſäulenumſtellte Vorhof (Atrium) mit dem Brunnen
(cantharus) einſchmolz, nachdem die Aufgabe verſchwunden war, eine
Menge von Katechumenen, Büßenden, Profanen vom Heiligthum abzu-
ſondern. Dieſer Vorhof, der ſelbſt wieder eine Vorhalle hatte, war
wirklich etwas Aegyptiſirendes. — Noch iſt die Anlage von Krypten unter
der Tribune zu erwähnen als merkwürdiger Beitrag zur Erweiſung jenes
mehrbeſprochenen Zuſammenhangs zwiſchen Grab und Tempel, denn ſie
ſind Stätten für die Gebeine der Heiligen und aus den Katakomben her-
vorgegangen. Hier war Wölbung nöthig, hier pflanzt ſich als unter-
irdiſcher Keim das Kreuzgewölbe fort, um ſeiner Zeit am Tageslichte
ſeine neue Entwicklung zu feiern.
§. 588.
Von der andern Seite ſtrebt der jetzt im byzantiniſchen Reich herr-
ſchende runde Kuppelbau, der zugleich eine ſtärkere Höherichtung ausſpricht,
in verſchiedenen Formen nach Tilgung ſeiner Einſeitigkeit durch reichere Glie-
derung, Verbindung mit dem Viereck und mit der Längerichtung, wobei
er mit der Kuppel das Tonnen- und Kreuzgewölbe vereinigt; aber ſeine cen-
trale Natur geräth dabei in Widerſpruch mit dem neuen Einheitspuncte des
chriſtlichen Gottesdienſtes, welcher das Perſpectiviſche (§. 587) bedingt. Dieſen
Styl nehmen die Muhamedaner (vergl. §. 461) auf und bilden ihn zu
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