Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
daß freilich die Kugel im Aufspringen nicht verweilt, wie das in Stein, §. 551. Wenn alle Kunst objectiv ist, wie das Naturschöne (§. 489), so ist es In aller Kunst stellt sich die Objectivität des Naturschönen, die in 12*
daß freilich die Kugel im Aufſpringen nicht verweilt, wie das in Stein, §. 551. Wenn alle Kunſt objectiv iſt, wie das Naturſchöne (§. 489), ſo iſt es In aller Kunſt ſtellt ſich die Objectivität des Naturſchönen, die in 12*
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daß freilich die Kugel im Aufſpringen nicht verweilt, wie das in Stein,
Erz u. ſ. w. verfeſtete Bild des Künſtlergeiſtes.
§. 551.
Wenn alle Kunſt objectiv iſt, wie das Naturſchöne (§. 489), ſo iſt es
die bildende im engeren Sinn dieſes Prozeſſes, der ebenſoſehr als eine Ver-
ſenkung des Geiſtes in den greiflichen Stoff, wie auch als eine klar ſcheidende
Gegenüberſtellung gegen denſelben erſcheint und nach erfolgter ſchwerer und dem
Handwerke verwandterer, lange techniſche Uebung fordernder Bewältigung in
ihm einen feſten Niederſchlag des innern Bildes zurückläßt, welcher, getrennt
von ſeinem Urheber, wie ein Naturſchönes vom Zuſchauer vorgefunden wird.
In aller Kunſt ſtellt ſich die Objectivität des Naturſchönen, die in
das ſubjective Leben der Phantaſie aufgeſogen war, als eine geiſtig un-
geſchaffene, als eine Geburt des Geiſtes wieder her; die Phantaſie war
das Grab des Naturſchönen und iſt zugleich der verborgen nährende
Mutterſchooß, woraus es als dieſe neue Geſtalt wieder an das Licht tritt.
Innerhalb der Reihe der Künſte aber kehrt in der bildenden Kunſt die
Bedeutung im engeren Sinne wieder, die das Naturſchöne im ganzen
Syſtem hatte: zunächſt, wenn wir vom Subjecte des Künſtlers ausgehen,
in dem Sinne, daß deſſen Stimmung und Element ſinnlicher iſt, als in
den andern Kunſtformen. Der Geiſt des bildenden Künſtlers geht auf
das Körperliche in der doppelten Richtung, daß er anſchauend alle Er-
ſcheinung von dieſer Seite faßt, nur im räumlich Ausgeſprochenen, Knochen-
feſten, in Fleiſch und Blut zu Haus iſt, und daß er ausführend in Stein,
Holz, Erde, Farbſtoffen mit meſſendem, taſtendem, fühlendem Finger um-
wühlt, hämmert, meiſſelt, rührt, reibt und ſtreicht. Seine Perſönlichkeit
gibt ſich auch im Umgang als grundverſchieden von der des Muſikers
und Dichters kund: derber, ſaftiger, handwerksmäßiger, naiver, gelegent-
lich cyniſcher; und ſo muß man ſich die ganzen Völker denken, deren
Geiſt zur bildenden Kunſt vorzugsweiſe berufen war. Es iſt kein Wider-
ſpruch, wenn dieſe Verſenkung ebenſoſehr als eine Gegenüberſtellung
beſtimmt wird, was perſönlich gewendet allerdings ſogleich dahin lauten
muß, daß der bildende Künſtler klarer, bewußter erſcheinen wird, als
der Muſiker. Unter der Verſenkung in das Sinnliche nämlich kann hier
natürlich nicht das dumpfe Verwachſenſein der Kindheits-Zuſtände des
Geiſtes gemeint ſein; es iſt eine Naturſtimmung, die aber innerhalb ihrer
ſcharfe Diremtion zwiſchen Object und Subject iſt, und zwar ebenfalls
in dem doppelten Sinne, daß nur der vom naturſchönen Gegenſtande
zurückgetretene Geiſt ſich dieſen klar gegenüberſieht und daß ebenderſelbe
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