Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
(vergl. §. 550); diese uneigentliche Sprache ist jedoch bei den übrigen
(vergl. §. 550); dieſe uneigentliche Sprache iſt jedoch bei den übrigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0043" n="203"/> (vergl. §. 550); dieſe uneigentliche Sprache iſt jedoch bei den übrigen<lb/> ſtummen Künſten, die in der concreten Form der Individualität concreten<lb/> Sinn niederlegen können, eine ſehr beſtimmte, bei der Baukunſt aber, die<lb/> nur über abſtracte Formen verfügt, eine unbeſtimmte. Beide Beziehungen<lb/> nun, deren erſte wir mit der geiſtigen Linie, die uns eine zeigende Hand<lb/> nach dem gezeigten Gegenſtande führen heißt, deren zweite wir mit dem<lb/> Bilde dieſer Hand ſelbſt vergleichen, faſſen ſich in dem Begriffe des<lb/> Symboliſchen zuſammen. Wir haben den Begriff des Symbols §. 426<lb/> in der Geſchichte der Phantaſie aufgeführt. Soll nun das Symbol außer<lb/> ſeiner Stelle in der Phantaſie des Alterthums auch bleibende Bedeutung<lb/> behaupten, ſo muß allerdings eine gewiſſe Veränderung in ſeiner Natur vor<lb/> ſich gehen und zwar eine ſo ſtarke, daß es zweifelhaft wird, ob man den<lb/> Namen belaſſen kann, daher wir hier geringen Werth auf dieſe Bezeichnung<lb/> legen. Man ſehe zu, wie oder ob das Weſentliche des Symbols (§. 426,<lb/><hi rendition="#sub">2.</hi>) in einer Zeit ſich behaupten kann, die jener unreifen Vorſtufe, ja auch<lb/> dem Mythiſchen überhaupt entwachſen iſt. Bleiben wird die unbeſtimmte<lb/> Weite der auszudrückenden Idee, denn jedes Zeitalter wird hinter ſeiner<lb/> Welt klar entwickelter Anſchauungen und Gedanken eine Welt dunkler<lb/> Ahnungen zurückbehalten. Verſchwinden aber wird das bewußtloſe Ver-<lb/> wechſeln des Inhalts dieſer Ahnungen mit einem ſinnlichen Objecte. Soll<lb/> nun etwas dem Symboliſchen Aehnliches als Ausdruck für jene dunkle<lb/> Welt allgemeiner Vorſtellung beſtehen, ſo wird es dennoch keineswegs das<lb/><hi rendition="#g">allegoriſche</hi> Verhalten ſein können, was etwa an die Stelle dieſer dunkeln<lb/> Verwechslung träte; denn in der Allegorie iſt der Gedanken-Inhalt ein<lb/> ganz bewußter, man denkt ſich wenigſtens ganz beſtimmt ein Wort, wenn<lb/> auch deſſen Sinn ein ſehr confuſer iſt, und man ſucht abſichtlich hiefür<lb/> eine durch Vergleichungspunkte bezeichnende Form. Es iſt zu §. 444 ge-<lb/> zeigt, wie dieß von der Schönheit völlig abführt; wenn alſo die Baukunſt<lb/> ihren äſthetiſchen Charakter behaupten ſoll, ſo kann von dieſem Verhalten<lb/> gar nicht die Rede ſein. Wir werden allerdings eine Auslegung der Bau-<lb/> kunſt kennen lernen, die nicht ſymboliſch, ſondern allegoriſch zu nennen iſt,<lb/> aber auch jenen Charakter völlig zerſtört. Geht nun die urſprüngliche<lb/> Symbolik nicht in dieſes froſtige bewußte Verbergen eines Gedachten in ein<lb/> äußerlich analoges Bild über und ſoll ſie doch aufhören, das zu ſein, was<lb/> ſie in einem dunkel verwechſelnden Völkergeiſte war, ſo bleibt eben nur<lb/> ein frei äſthetiſches Spiel des Andeutens eines unbeſtimmt Geahnten, das<lb/> ſich neben dem klar Gedachten (der zweckmäßigen Beſtimmung des Ge-<lb/> bäudes) hinzieht, und hiefür haben wir eigentlich keinen Terminus, da<lb/> es im ſtrengen Sinn auch nicht ſymboliſch iſt. Es wird nicht wie der<lb/> Apis, Lotos, wie der ſchwarze Stein der Araber, der Tempel verehrt, als<lb/> wäre er um gewiſſer <hi rendition="#aq">tertia comparationis</hi> (Größe, Zahlenverhältniſſe<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0043]
(vergl. §. 550); dieſe uneigentliche Sprache iſt jedoch bei den übrigen
ſtummen Künſten, die in der concreten Form der Individualität concreten
Sinn niederlegen können, eine ſehr beſtimmte, bei der Baukunſt aber, die
nur über abſtracte Formen verfügt, eine unbeſtimmte. Beide Beziehungen
nun, deren erſte wir mit der geiſtigen Linie, die uns eine zeigende Hand
nach dem gezeigten Gegenſtande führen heißt, deren zweite wir mit dem
Bilde dieſer Hand ſelbſt vergleichen, faſſen ſich in dem Begriffe des
Symboliſchen zuſammen. Wir haben den Begriff des Symbols §. 426
in der Geſchichte der Phantaſie aufgeführt. Soll nun das Symbol außer
ſeiner Stelle in der Phantaſie des Alterthums auch bleibende Bedeutung
behaupten, ſo muß allerdings eine gewiſſe Veränderung in ſeiner Natur vor
ſich gehen und zwar eine ſo ſtarke, daß es zweifelhaft wird, ob man den
Namen belaſſen kann, daher wir hier geringen Werth auf dieſe Bezeichnung
legen. Man ſehe zu, wie oder ob das Weſentliche des Symbols (§. 426,
2.) in einer Zeit ſich behaupten kann, die jener unreifen Vorſtufe, ja auch
dem Mythiſchen überhaupt entwachſen iſt. Bleiben wird die unbeſtimmte
Weite der auszudrückenden Idee, denn jedes Zeitalter wird hinter ſeiner
Welt klar entwickelter Anſchauungen und Gedanken eine Welt dunkler
Ahnungen zurückbehalten. Verſchwinden aber wird das bewußtloſe Ver-
wechſeln des Inhalts dieſer Ahnungen mit einem ſinnlichen Objecte. Soll
nun etwas dem Symboliſchen Aehnliches als Ausdruck für jene dunkle
Welt allgemeiner Vorſtellung beſtehen, ſo wird es dennoch keineswegs das
allegoriſche Verhalten ſein können, was etwa an die Stelle dieſer dunkeln
Verwechslung träte; denn in der Allegorie iſt der Gedanken-Inhalt ein
ganz bewußter, man denkt ſich wenigſtens ganz beſtimmt ein Wort, wenn
auch deſſen Sinn ein ſehr confuſer iſt, und man ſucht abſichtlich hiefür
eine durch Vergleichungspunkte bezeichnende Form. Es iſt zu §. 444 ge-
zeigt, wie dieß von der Schönheit völlig abführt; wenn alſo die Baukunſt
ihren äſthetiſchen Charakter behaupten ſoll, ſo kann von dieſem Verhalten
gar nicht die Rede ſein. Wir werden allerdings eine Auslegung der Bau-
kunſt kennen lernen, die nicht ſymboliſch, ſondern allegoriſch zu nennen iſt,
aber auch jenen Charakter völlig zerſtört. Geht nun die urſprüngliche
Symbolik nicht in dieſes froſtige bewußte Verbergen eines Gedachten in ein
äußerlich analoges Bild über und ſoll ſie doch aufhören, das zu ſein, was
ſie in einem dunkel verwechſelnden Völkergeiſte war, ſo bleibt eben nur
ein frei äſthetiſches Spiel des Andeutens eines unbeſtimmt Geahnten, das
ſich neben dem klar Gedachten (der zweckmäßigen Beſtimmung des Ge-
bäudes) hinzieht, und hiefür haben wir eigentlich keinen Terminus, da
es im ſtrengen Sinn auch nicht ſymboliſch iſt. Es wird nicht wie der
Apis, Lotos, wie der ſchwarze Stein der Araber, der Tempel verehrt, als
wäre er um gewiſſer tertia comparationis (Größe, Zahlenverhältniſſe
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