Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
doch entsprechen, trennt das zu eng Verbundene und leitet durch sanfte §. 693. 1. Zur Ausführung umfassender Ideen in großen cyklischen Tompositionen 1. Der §. holt nach, was bei der Erörterung cyklischer Darstellungen
doch entſprechen, trennt das zu eng Verbundene und leitet durch ſanfte §. 693. 1. Zur Ausführung umfaſſender Ideen in großen cykliſchen Tompoſitionen 1. Der §. holt nach, was bei der Erörterung cykliſcher Darſtellungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0140" n="632"/> doch entſprechen, trennt das zu eng Verbundene und leitet durch ſanfte<lb/> Linien das zu hart Getrennte ineinander über, vermittelt ebenſo das<lb/> Farbenleben und ſchafft hiedurch den einheitlichen Fluß und Guß des Ganzen.</hi> </p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 693.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#b">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Zur Ausführung umfaſſender Ideen in großen <hi rendition="#g">cykliſchen</hi> Tompoſitionen<lb/> entfaltet ſich auch die Malerei vorzüglich durch den Anſchluß an die Baukunſt,<lb/> wodurch ſie ſich zugleich von der Beſchränkung auf einen Zeitmoment relativ<lb/> befreit. Der unbeſtimmtere Anklang gewiſſer Geſetze der räumlichen Anordnung,<lb/> wie er im einzelnen Bild hervortritt, wird zur feſten Bindung einer Vielheit<lb/><note place="left">2.</note>von Bildern. Die engſte Form dieſes Anſchluſſes iſt die Wandmalerei; die<lb/> plaſtiſche Stylrichtung fällt mit ihr naturgemäß zuſammen; die monumentale<lb/> Großartigkeit der Aufgabe fördert mächtig die Kunſt, führt aber auch leicht zu<lb/> den in §. 676 bezeichneten Abwegen.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Der §. holt nach, was bei der Erörterung cykliſcher Darſtellungen<lb/> in der Sculptur noch nicht ausgeſprochen iſt: daß in dieſen die bildende<lb/> Kunſt ihre räumliche Feßlung an Einen Zeitmoment in gewiſſem Sinn<lb/> überwindet, indem ſie vorhergehende und folgende Momente in aufein-<lb/> anderfolgenden, zuſammengeſtellten Bildern darſtellt. Im Anſchluß an<lb/> die Architektur wird nun das Compoſitionsgeſetz wieder einfacher, archi-<lb/> tektoniſcher: das ſymmetriſche Gegenüber, Oben und Unten mit den man-<lb/> cherlei ärmeren oder reicheren Gruppirungen, die nach Anzahl und Be-<lb/> ziehung der Bilder aus dieſem Verhältniß hervorgehen können, iſt durch<lb/> die ſtreng gemeſſene Form der Baukunſt gegeben. Es entſprechen ſich<lb/> nicht nur einzelne Bilder, ſondern auch fortlaufende Bilderreihen; das<lb/> Gegenübergeſtellte und Mittlere iſt ſich an Größe gleich oder verſchieden,<lb/> z. B. ein größeres Mittelbild von kleineren umgeben u. ſ. w. Umfaſſende<lb/> Ideen finden nun den genügenden Raum, ſich auszuleben, der denkende<lb/> Künſtler hat ein großartiges Feld für Gliederung ihrer Momente und<lb/> ſinnreiche Wechſelbeziehung derſelben. In der altchriſtlichen Baſilika boten<lb/> ſich die Mauer-Flächen über den Säulen des Mittelſchiffs als der an-<lb/> gemeſſenſte Raum, um hier, in dieſer Bahn zum Allerheiligſten, die<lb/> großen altteſtamentlichen Vorbilder, Kämpfe und Schickſale darzuſtellen,<lb/> auf denen die chriſtliche Kirche ſich auferbaute, der Triumphbogen deutete<lb/> in großen Symbolen und Allegorien auf das Allerheiligſte, die Tribuna,<lb/> wo nun der Erlöſer ſelbſt in perſönlicher Majeſtät den Blicken entgegen-<lb/> trat. Die Nebenſchiffe, auch die Außenſeiten der Kirche, konnten dieſe<lb/> rhythmiſche Folge in reicher Weiſe weiter ausbilden. Monumentale Bau-<lb/> werke jeder Art, die Kreuzgänge der Klöſter, die Hallen der Begräbniß-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [632/0140]
doch entſprechen, trennt das zu eng Verbundene und leitet durch ſanfte
Linien das zu hart Getrennte ineinander über, vermittelt ebenſo das
Farbenleben und ſchafft hiedurch den einheitlichen Fluß und Guß des Ganzen.
§. 693.
Zur Ausführung umfaſſender Ideen in großen cykliſchen Tompoſitionen
entfaltet ſich auch die Malerei vorzüglich durch den Anſchluß an die Baukunſt,
wodurch ſie ſich zugleich von der Beſchränkung auf einen Zeitmoment relativ
befreit. Der unbeſtimmtere Anklang gewiſſer Geſetze der räumlichen Anordnung,
wie er im einzelnen Bild hervortritt, wird zur feſten Bindung einer Vielheit
von Bildern. Die engſte Form dieſes Anſchluſſes iſt die Wandmalerei; die
plaſtiſche Stylrichtung fällt mit ihr naturgemäß zuſammen; die monumentale
Großartigkeit der Aufgabe fördert mächtig die Kunſt, führt aber auch leicht zu
den in §. 676 bezeichneten Abwegen.
1. Der §. holt nach, was bei der Erörterung cykliſcher Darſtellungen
in der Sculptur noch nicht ausgeſprochen iſt: daß in dieſen die bildende
Kunſt ihre räumliche Feßlung an Einen Zeitmoment in gewiſſem Sinn
überwindet, indem ſie vorhergehende und folgende Momente in aufein-
anderfolgenden, zuſammengeſtellten Bildern darſtellt. Im Anſchluß an
die Architektur wird nun das Compoſitionsgeſetz wieder einfacher, archi-
tektoniſcher: das ſymmetriſche Gegenüber, Oben und Unten mit den man-
cherlei ärmeren oder reicheren Gruppirungen, die nach Anzahl und Be-
ziehung der Bilder aus dieſem Verhältniß hervorgehen können, iſt durch
die ſtreng gemeſſene Form der Baukunſt gegeben. Es entſprechen ſich
nicht nur einzelne Bilder, ſondern auch fortlaufende Bilderreihen; das
Gegenübergeſtellte und Mittlere iſt ſich an Größe gleich oder verſchieden,
z. B. ein größeres Mittelbild von kleineren umgeben u. ſ. w. Umfaſſende
Ideen finden nun den genügenden Raum, ſich auszuleben, der denkende
Künſtler hat ein großartiges Feld für Gliederung ihrer Momente und
ſinnreiche Wechſelbeziehung derſelben. In der altchriſtlichen Baſilika boten
ſich die Mauer-Flächen über den Säulen des Mittelſchiffs als der an-
gemeſſenſte Raum, um hier, in dieſer Bahn zum Allerheiligſten, die
großen altteſtamentlichen Vorbilder, Kämpfe und Schickſale darzuſtellen,
auf denen die chriſtliche Kirche ſich auferbaute, der Triumphbogen deutete
in großen Symbolen und Allegorien auf das Allerheiligſte, die Tribuna,
wo nun der Erlöſer ſelbſt in perſönlicher Majeſtät den Blicken entgegen-
trat. Die Nebenſchiffe, auch die Außenſeiten der Kirche, konnten dieſe
rhythmiſche Folge in reicher Weiſe weiter ausbilden. Monumentale Bau-
werke jeder Art, die Kreuzgänge der Klöſter, die Hallen der Begräbniß-
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