Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
lich schließt sich die cyklische Composition als Skizze an die Poesie oder bewegt 1. Die Malerei auf Tafel und Leinwand hat ihre cyklischen Zusam- 2. Am leichtesten entfaltet sich natürlich die Skizze zu einem Ganzen 42*
lich ſchließt ſich die cykliſche Compoſition als Skizze an die Poeſie oder bewegt 1. Die Malerei auf Tafel und Leinwand hat ihre cykliſchen Zuſam- 2. Am leichteſten entfaltet ſich natürlich die Skizze zu einem Ganzen 42*
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lich ſchließt ſich die cykliſche Compoſition als Skizze an die Poeſie oder bewegt
ſich in frei dichtender Erfindung: mit der Herrſchaft des Moments der Zeich-
nung ergibt ſich hier entweder die plaſtiſche Stylrichtung oder bei Vorwiegen
des Maleriſchen eine Neigung zu ſcharf charakteriſtiſchem Contur.
1. Die Malerei auf Tafel und Leinwand hat ihre cykliſchen Zuſam-
menſtellungen in kleineren Diptychen, Triptychen, in großen Altarwerken
(man denke z. B. an die Fülle der Gedanken-Entwicklung im van Eycki-
ſchen Hochaltare zu Gent); auch in nicht kirchlichen Bildern wird hie und
da eine Feldertheilung auf Einer Fläche angeordnet. Hier herrſcht denn
eine geometriſche Diſpoſition im einfachen oder mehrfachen Gegenüberſtellen
und Ueberordnen; das Einzelne kann trotz der Trennung der Felder in
innigerem Zuſammenhang ſtehen, als in Fresken-Cyklen, die über weite
Räume ſich ausbreiten. Eine freiere Art der Verbindung ergibt ſich, wenn
fortlaufende architektoniſche Räume mit Bilder-Reihen geſchmückt werden,
die von einer gemeinſamen Idee getragen ſind; das Symmetriſche macht
dem Succeſſiven Platz, das der Succeſſion der Geſchichte entſpricht, aus
welcher hier naturgemäß die Idee genommen wird, wie im Muſeum von
Verſailles, dieſem großen Gedanken Louis Philipps. Dabei hat ſich die
Oelmalerei allerdings zu hüten, daß ſie nicht ihrerſeits durch den Drang
der umfaſſenden Aufgabe gejagt in das Freskenartige und Fauſtmäßige
gerathe.
2. Am leichteſten entfaltet ſich natürlich die Skizze zu einem Ganzen
in einer Reihe von Bildern oder in Zuſammenſtellungen auf Blättern,
die in Felder getheilt, etwa durch Arabesken zuſammengehalten ſind. Hier
ergießt ſich denn die Erfindung weit hinaus über das urſprüngliche ein-
fache Verhältniß zu einem in der Anſchauung oder Ueberlieferung gege-
benen Stoffe; auch wenn ſie den Text einer Dichtung oder eines proſai-
ſchen Werks begleitet, iſt ihr das Wort häufig nur ein erſter Anſtoß,
ein dünner Stab, den ſie mit quellenden Erfindungen umrankt; ſie kann
ſich auch an eine beliebte Zeit-Idee wie an einen poetiſchen Text halten
und ſie in immer neuen Wendungen ausführen; ein beliebter Stoff dieſer
Art waren ſeiner Zeit die Todtentänze; ſie kann aber endlich der Dich-
tung und Schrift überhaupt ihr Geſchäft abnehmen und ſelber ein Ganzes
dichten wie z. B. Genelli in dem geiſtreichen „Leben einer Hexe“. Es
ſtehen hier eigentlich Erſcheinungen vor uns, worin die Kunſt, für die
vervielfältigende Technik thätig, in das Gebiet des blos Anhängenden hin-
übergeht, allein ſehr ſelbſtthätige Kräfte äußern ſich auf demſelben, ſelbſt
ein Cornelius hat auf ihm vornehmlich zuerſt ſeine Kraft erprobt. Wir
haben geſehen, daß es vornehmlich die mehr auf das Moment der Erfin-
dung beſchränkten Talente ſind, die auf ihm verweilen, aber es kann ſich
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