Welt wird von innen bestimmt, der Wille spannt sich zur straffen, ent- scheidenden That; die That setzt aber immer einen Boden voraus, wo Andere anders wollen und anders handeln, also einen Zustand, worin weltbestimmende Prinzipien bereit sind, in Conflict zu treten, und sie eben ist es, die diesen Conflict hervorruft. Wir haben jedoch ebendort bereits gezeigt, daß die Malerei als eine zwar dem Ausdruck nach bewegte, der wirklichen Grundform nach aber an den Raum gefesselte, sprachlose Kunst, obwohl sie zu dem Dramatischen mehr, als die Sculptur, berufen sei, dennoch diesen feurigeren Geist in der beruhigenden Fluth des Epischen kühlen müsse (vergl. auch Hotho a. a. O. Vorl. 7). Spezieller sahen wir die dramatische Bewegung gehemmt durch das Gewicht der Mitauf- nahme der Umgebung, der hiedurch bedingten Ausführlichkeit in der Dar- stellung von Culturformen u. s. w., eines Gebiets, das der scharf durch- schneidenden Natur der aus innern Tiefen steigenden Handlung noth- wendig den Raum verengt. Diese Schwierigkeiten hindern jedoch nicht, daß in der Malerei ein Zweig sich bilde, der in Vergleichung mit den andern, also relativ, dramatisch ist; nur werden wir allerdings sogleich sehen, daß auch das durch die Natur der Kunstform also beschränkte Dra- matische sich nur auf einem Umwege, worin das Epische mit seiner Breite noch einmal, dann auch das Lyrische wieder hervortritt, zu Leben und Recht gelangt.
2. Daß der Hauptstoff aller geschichtlichen Darstellung die großen Momente, die Silberblicke sind, worin die Seele der Geschichte, die Frei- heit, die zur concreten Verwirklichung ringt, heller durchbricht, wo dieser ihr Nerv sich blos legt, ist schon zu §. 341 gesagt, der jene Darstellung der geschichtlichen Schönheit eröffnet, wodurch wir der Kunstlehre umfassend vorgearbeitet haben. Es sind demnach vorzüglich die Krisen der Geschichte, die Kämpfe nach innen und außen, insbesondere die Revolutionen, nach welchen der Geschichtsmaler greift. Natürlich steht ihm auch frei, die Seitenverzweigungen der Geschichte, ihre untergeordneteren, weniger be- rühmten Gruppen zu erfassen, die Privatschicksale sind nicht ausgeschlossen, wenn sie nur mit dem geschichtlich Bedeutenden in Zusammenhang stehen, und ein Ulrich Hutten bei Erasmus in Basel und von ihm abgewichen ist ein im besten Sinn historischer Stoff. Nur was dem von der Sonne der Ueberlieferung matter beschienenen, von der Cultur entfernten Boden angehört, daher auch nicht geläufig ist und zu viel belehrende Notiz voraussetzt, muß der Geschichtsmaler liegen lassen.
Die verschiedenen Sphären des Stoffes an sich haben auch hier sich nicht zu einer stehend gewordenen Eintheilung fixirt, aber es muß, wie in den andern Zweigen, von der Wissenschaft ein unterscheidender Blick dar- über hingeworfen werden. Ueberschaut man nun jenen, im ersten Abschnitt
Welt wird von innen beſtimmt, der Wille ſpannt ſich zur ſtraffen, ent- ſcheidenden That; die That ſetzt aber immer einen Boden voraus, wo Andere anders wollen und anders handeln, alſo einen Zuſtand, worin weltbeſtimmende Prinzipien bereit ſind, in Conflict zu treten, und ſie eben iſt es, die dieſen Conflict hervorruft. Wir haben jedoch ebendort bereits gezeigt, daß die Malerei als eine zwar dem Ausdruck nach bewegte, der wirklichen Grundform nach aber an den Raum gefeſſelte, ſprachloſe Kunſt, obwohl ſie zu dem Dramatiſchen mehr, als die Sculptur, berufen ſei, dennoch dieſen feurigeren Geiſt in der beruhigenden Fluth des Epiſchen kühlen müſſe (vergl. auch Hotho a. a. O. Vorl. 7). Spezieller ſahen wir die dramatiſche Bewegung gehemmt durch das Gewicht der Mitauf- nahme der Umgebung, der hiedurch bedingten Ausführlichkeit in der Dar- ſtellung von Culturformen u. ſ. w., eines Gebiets, das der ſcharf durch- ſchneidenden Natur der aus innern Tiefen ſteigenden Handlung noth- wendig den Raum verengt. Dieſe Schwierigkeiten hindern jedoch nicht, daß in der Malerei ein Zweig ſich bilde, der in Vergleichung mit den andern, alſo relativ, dramatiſch iſt; nur werden wir allerdings ſogleich ſehen, daß auch das durch die Natur der Kunſtform alſo beſchränkte Dra- matiſche ſich nur auf einem Umwege, worin das Epiſche mit ſeiner Breite noch einmal, dann auch das Lyriſche wieder hervortritt, zu Leben und Recht gelangt.
2. Daß der Hauptſtoff aller geſchichtlichen Darſtellung die großen Momente, die Silberblicke ſind, worin die Seele der Geſchichte, die Frei- heit, die zur concreten Verwirklichung ringt, heller durchbricht, wo dieſer ihr Nerv ſich blos legt, iſt ſchon zu §. 341 geſagt, der jene Darſtellung der geſchichtlichen Schönheit eröffnet, wodurch wir der Kunſtlehre umfaſſend vorgearbeitet haben. Es ſind demnach vorzüglich die Kriſen der Geſchichte, die Kämpfe nach innen und außen, insbeſondere die Revolutionen, nach welchen der Geſchichtsmaler greift. Natürlich ſteht ihm auch frei, die Seitenverzweigungen der Geſchichte, ihre untergeordneteren, weniger be- rühmten Gruppen zu erfaſſen, die Privatſchickſale ſind nicht ausgeſchloſſen, wenn ſie nur mit dem geſchichtlich Bedeutenden in Zuſammenhang ſtehen, und ein Ulrich Hutten bei Eraſmus in Baſel und von ihm abgewichen iſt ein im beſten Sinn hiſtoriſcher Stoff. Nur was dem von der Sonne der Ueberlieferung matter beſchienenen, von der Cultur entfernten Boden angehört, daher auch nicht geläufig iſt und zu viel belehrende Notiz vorausſetzt, muß der Geſchichtsmaler liegen laſſen.
Die verſchiedenen Sphären des Stoffes an ſich haben auch hier ſich nicht zu einer ſtehend gewordenen Eintheilung fixirt, aber es muß, wie in den andern Zweigen, von der Wiſſenſchaft ein unterſcheidender Blick dar- über hingeworfen werden. Ueberſchaut man nun jenen, im erſten Abſchnitt
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weltbeſtimmende Prinzipien bereit ſind, in Conflict zu treten, und ſie eben
iſt es, die dieſen Conflict hervorruft. Wir haben jedoch ebendort bereits
gezeigt, daß die Malerei als eine zwar dem Ausdruck nach bewegte, der
wirklichen Grundform nach aber an den Raum gefeſſelte, ſprachloſe Kunſt,
obwohl ſie zu dem Dramatiſchen mehr, als die Sculptur, berufen ſei,
dennoch dieſen feurigeren Geiſt in der beruhigenden Fluth des Epiſchen
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wir die dramatiſche Bewegung gehemmt durch das Gewicht der Mitauf-
nahme der Umgebung, der hiedurch bedingten Ausführlichkeit in der Dar-
ſtellung von Culturformen u. ſ. w., eines Gebiets, das der ſcharf durch-
ſchneidenden Natur der aus innern Tiefen ſteigenden Handlung noth-
wendig den Raum verengt. Dieſe Schwierigkeiten hindern jedoch nicht,
daß in der Malerei ein Zweig ſich bilde, der in Vergleichung mit den
andern, alſo relativ, dramatiſch iſt; nur werden wir allerdings ſogleich
ſehen, daß auch das durch die Natur der Kunſtform alſo beſchränkte Dra-
matiſche ſich nur auf einem Umwege, worin das Epiſche mit ſeiner Breite
noch einmal, dann auch das Lyriſche wieder hervortritt, zu Leben und
Recht gelangt.
2. Daß der Hauptſtoff aller geſchichtlichen Darſtellung die großen
Momente, die Silberblicke ſind, worin die Seele der Geſchichte, die Frei-
heit, die zur concreten Verwirklichung ringt, heller durchbricht, wo dieſer
ihr Nerv ſich blos legt, iſt ſchon zu §. 341 geſagt, der jene Darſtellung
der geſchichtlichen Schönheit eröffnet, wodurch wir der Kunſtlehre umfaſſend
vorgearbeitet haben. Es ſind demnach vorzüglich die Kriſen der Geſchichte,
die Kämpfe nach innen und außen, insbeſondere die Revolutionen, nach
welchen der Geſchichtsmaler greift. Natürlich ſteht ihm auch frei, die
Seitenverzweigungen der Geſchichte, ihre untergeordneteren, weniger be-
rühmten Gruppen zu erfaſſen, die Privatſchickſale ſind nicht ausgeſchloſſen,
wenn ſie nur mit dem geſchichtlich Bedeutenden in Zuſammenhang ſtehen,
und ein Ulrich Hutten bei Eraſmus in Baſel und von ihm abgewichen
iſt ein im beſten Sinn hiſtoriſcher Stoff. Nur was dem von der Sonne
der Ueberlieferung matter beſchienenen, von der Cultur entfernten Boden
angehört, daher auch nicht geläufig iſt und zu viel belehrende Notiz
vorausſetzt, muß der Geſchichtsmaler liegen laſſen.
Die verſchiedenen Sphären des Stoffes an ſich haben auch hier ſich
nicht zu einer ſtehend gewordenen Eintheilung fixirt, aber es muß, wie in
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/188>, abgerufen am 17.07.2024.
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