Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
Schooß, worein die Strahlen des farbigen Lichtes schießen und worin ihre Demungeachtet legt die griechische Malerei einen Kreislauf zurück, Vischer's Aesthetik. 3. Band. 46
Schooß, worein die Strahlen des farbigen Lichtes ſchießen und worin ihre Demungeachtet legt die griechiſche Malerei einen Kreislauf zurück, Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 46
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Schooß, worein die Strahlen des farbigen Lichtes ſchießen und worin ihre
erſte Einfachheit in ein neues, reflectirteres Leben übergeht. Dieß führt
denn auf die Behandlung des geiſtigen Ausdrucks der Figur zurück: an
das blickloſe Statuen-Auge gewöhnt, wird man hier durch ein glühendes
Herausleuchten inneren Seelenlebens überraſcht, das ſelbſt bis zu ſo ge-
gemiſchten Empfindungen wie der Kampf einer Medea fortſchreitet, welche,
die Hand am Schwert, zwiſchen Rachegeiſt und Mutterliebe noch getheilt
erſcheint: zugleich ein ächtes Beiſpiel dramatiſcher Spannung. Und doch
fehlt der Ausdruck jener vertieften Reſonanz im Innern, der im Weſen
und Geiſte der Malerei liegt; er muß fehlen, weil jene Welt der Inner-
lichkeit nicht entwickelt iſt, auf welcher er ruht (vergl. §. 682). Ebendarum
kann auch die Eigenheit des Individuums nicht bis zu der Spitze geführt
ſein, welche das generelle Maaß der Plaſtik in eine unendliche Welt
ſelbſtändiger Charakter-Monaden theilt.
Demungeachtet legt die griechiſche Malerei einen Kreislauf zurück,
welcher dieſelben organiſchen Stufen nach Styl und Stoff darſtellt, die
wir in der erſten großen Periode der neueren Malerei bis zum Schluſſe
des Mittelalters finden. Zugleich begegnen wir im Weſentlichen den
großen Hauptformen der Styl-Entwicklung, die in §. 531 aufgeſtellt und
in der Geſchichte der Plaſtik (§. 640 ff.) nachgewieſen ſind. Auf den
alterthümlich ſtrengen und harten folgt auch hier der hohe oder erhaben
ſchöne Styl, ihn vertritt die attiſche Schule, an ihrer Spitze Polygnot,
der „Ethographos“, der nur die großen, würdigen Stoffe der ernſten
Götterwelt und Heldenſage behandelt. Der anmuthige, reizende, rührende
Styl, wie ihn darauf die joniſche Schule, Zeuxis, Parrhaſius, Timanthes
ausbildet, entſpricht der Wendung der Plaſtik, die in Skopas und Praxi-
teles ſich darſtellt. Dieſer Styl iſt aber zugleich ein weſentlicher Fort-
ſchritt im ſpezifiſch Maleriſchen und hier drängt ſich denn die intereſſante
Beobachtung auf, daß die alte Malerei, ſo ſtreng plaſtiſch ſie auch iſt,
doch in ihrem Gange ſelbſt auch den Gegenſatz der zwei Style, freilich
in ſchattenhafter Zartheit, kennt und ihn ſucceſſiv ausbildet. Apollodorus
hatte in der Schattengebung vorgearbeitet; die Modellirung verſteht jetzt
den Schein völliger Rundung zu geben, das Colorit erfüllt ſich mit den
Unterſchieden der Töne und Uebergänge, der Geſichtsausdruck belebt ſich,
es wird Illuſion erzielt. Die Stoffe ſind noch Mythus und Heldenſage,
aber in jenem Gebiete wirft ſich der Zug nach Anmuth auf das weibliche
Ideal, in dieſem die ſubjectiver bewegte, Erſchütterung ſuchende Stimmung
auf die tragiſchen Momente. Dieſer Styl nun erreicht eine weitere Fortbil-
dung durch die Sikyoniſche Schule, die dem entſpricht, was in der Bildner-
kunſt die Lyſippiſche war, aber mit dem Unterſchiede, daß, wenn dort die
Sculptur an einer zweideutigen Gränze angekommen iſt (vergl. §. 641
Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 46
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