Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.Anm.), hier ein letzter, voller Schritt in der Entwicklung des innersten Anm.), hier ein letzter, voller Schritt in der Entwicklung des innerſten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <pb facs="#f0206" n="698"/> <hi rendition="#et">Anm.), hier ein letzter, voller Schritt in der Entwicklung des innerſten<lb/> Weſens der Malerei geſchieht, der ein Anfang neuer Blüthe ſein müßte,<lb/> wenn die ganze Kunſt in dieſem Ideal einen Boden hätte, worin ſie volle<lb/> Wurzeln zu treiben vermöchte. Von Eupompos vorbereitet, von Apelles<lb/> zu ihrer Höhe geführt, geht dieſe Schule noch weiter in der Ausbildung<lb/> des Colorits und Ausdrucks, kühne Verkürzungen zeigen eine Verſtärkung<lb/> des Strebens zu Erweiterung der Tiefe, das ſchon in der joniſchen Schule<lb/> eingetreten, größere Gruppen haben nun Raum, ſich auszubreiten, und<lb/> eben mit dem erwachenden Zug in die Tiefe ſteht die Steigerung des<lb/> Colorits bis zur Nachahmung von Blitz und Gewitter im innigſten Zu-<lb/> ſammenhang. Die Anwendung der Enkauſtik liefert dieſem Streben zum<lb/> volleren, realen Scheine das entſprechende Mittel. Doch darf man<lb/> nimmermehr an moderne Vertiefung der Pläne und Durchgeiſtigung der<lb/> Farbe denken. Dieſer neue Fortſchritt ruht auf wiſſenſchaftlichem Be-<lb/> wußtſein; die Malerei gibt ſich theoretiſche Rechenſchaft von ihren Ge-<lb/> ſetzen, wie ſpäter in Italien durch Leonardo da Vinci. Damit hängt nun<lb/> eine wichtige neue Wendung in den Stoffen zuſammen. Die mythiſchen<lb/> und heroiſchen werden nicht aufgegeben, aber neben der ernſten Behand-<lb/> lung derſelben kommt die komiſche, traveſtirende auf — ein Ausdruck der<lb/> Auflöſung dieſes Ideals wie die Komödie vergl. §. 441 — und zugleich<lb/> wird die urſprüngliche Stoffwelt in Thierſtück, Genre, Bildniß, Geſchichte<lb/> ergriffen. Jenes große Moſaik der Alexanderſchlacht in Pompeji iſt ohne<lb/> Zweifel Wiederholung eines Originals aus dieſer Zeit. Nach Alexander<lb/> dem Großen wird das Komiſche und das Sittenbildliche immer beliebter,<lb/> die Barbierſtuben, Schuſterbuden, die Stillleben, die Blumen-, Früchte-<lb/> Stücke, die phantaſtiſchen Decorations-Motive und Arabesken. Nur iſt<lb/> Alles noch von mythiſchem Faden durchzogen, Genien verkaufen die Schuhe<lb/> u. ſ. w., auch darf man nicht an eine intenſiv äſthetiſche Behandlung<lb/> denken, welche gemüthlichen Sinn und belauſchte Lebenstiefe in dieſe Dinge<lb/> legte. Nach <hi rendition="#g">Rom</hi> übergeſiedelt findet die Malerei in dem Naturell des<lb/> herrſchenden Volks mehr Sinn und Talent, als die Plaſtik. Das Tragiſche<lb/> wird nicht ohne Erfolg auf’s Neue angebaut, aber Scherz, Sittenbild,<lb/> Porträt, kleine Thierſtücke u. dgl. bleiben die Hauptſache; dieß entſpricht<lb/> auch dem ſtärkern Zuge des römiſchen Charakters zur Aufnahme der ur-<lb/> ſprünglichen Stoffwelt (vergl. §. 445). Ein ſpielender, von dem, was<lb/> die neuere Zeit unter dieſer Gattung verſteht, weit entfernter Anſatz zur<lb/> Landſchaftmalerei tritt (namentlich durch Ludius) unter ſtarkem Wider-<lb/> ſpruche der Kunſtrichter als neuer Zweig hinzu. Unaufhaltſam aber dringt<lb/> der Verfall, der ſchon in Griechenland nach Alexander eingeriſſen, vor-<lb/> wärts; rohe Stylloſigkeit, Luxusdienſt, überhand nehmende Pornographie,<lb/> Schnellmalerei ſind Symptome der nahen Auflöſung. Es beſtätigt ſich<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [698/0206]
Anm.), hier ein letzter, voller Schritt in der Entwicklung des innerſten
Weſens der Malerei geſchieht, der ein Anfang neuer Blüthe ſein müßte,
wenn die ganze Kunſt in dieſem Ideal einen Boden hätte, worin ſie volle
Wurzeln zu treiben vermöchte. Von Eupompos vorbereitet, von Apelles
zu ihrer Höhe geführt, geht dieſe Schule noch weiter in der Ausbildung
des Colorits und Ausdrucks, kühne Verkürzungen zeigen eine Verſtärkung
des Strebens zu Erweiterung der Tiefe, das ſchon in der joniſchen Schule
eingetreten, größere Gruppen haben nun Raum, ſich auszubreiten, und
eben mit dem erwachenden Zug in die Tiefe ſteht die Steigerung des
Colorits bis zur Nachahmung von Blitz und Gewitter im innigſten Zu-
ſammenhang. Die Anwendung der Enkauſtik liefert dieſem Streben zum
volleren, realen Scheine das entſprechende Mittel. Doch darf man
nimmermehr an moderne Vertiefung der Pläne und Durchgeiſtigung der
Farbe denken. Dieſer neue Fortſchritt ruht auf wiſſenſchaftlichem Be-
wußtſein; die Malerei gibt ſich theoretiſche Rechenſchaft von ihren Ge-
ſetzen, wie ſpäter in Italien durch Leonardo da Vinci. Damit hängt nun
eine wichtige neue Wendung in den Stoffen zuſammen. Die mythiſchen
und heroiſchen werden nicht aufgegeben, aber neben der ernſten Behand-
lung derſelben kommt die komiſche, traveſtirende auf — ein Ausdruck der
Auflöſung dieſes Ideals wie die Komödie vergl. §. 441 — und zugleich
wird die urſprüngliche Stoffwelt in Thierſtück, Genre, Bildniß, Geſchichte
ergriffen. Jenes große Moſaik der Alexanderſchlacht in Pompeji iſt ohne
Zweifel Wiederholung eines Originals aus dieſer Zeit. Nach Alexander
dem Großen wird das Komiſche und das Sittenbildliche immer beliebter,
die Barbierſtuben, Schuſterbuden, die Stillleben, die Blumen-, Früchte-
Stücke, die phantaſtiſchen Decorations-Motive und Arabesken. Nur iſt
Alles noch von mythiſchem Faden durchzogen, Genien verkaufen die Schuhe
u. ſ. w., auch darf man nicht an eine intenſiv äſthetiſche Behandlung
denken, welche gemüthlichen Sinn und belauſchte Lebenstiefe in dieſe Dinge
legte. Nach Rom übergeſiedelt findet die Malerei in dem Naturell des
herrſchenden Volks mehr Sinn und Talent, als die Plaſtik. Das Tragiſche
wird nicht ohne Erfolg auf’s Neue angebaut, aber Scherz, Sittenbild,
Porträt, kleine Thierſtücke u. dgl. bleiben die Hauptſache; dieß entſpricht
auch dem ſtärkern Zuge des römiſchen Charakters zur Aufnahme der ur-
ſprünglichen Stoffwelt (vergl. §. 445). Ein ſpielender, von dem, was
die neuere Zeit unter dieſer Gattung verſteht, weit entfernter Anſatz zur
Landſchaftmalerei tritt (namentlich durch Ludius) unter ſtarkem Wider-
ſpruche der Kunſtrichter als neuer Zweig hinzu. Unaufhaltſam aber dringt
der Verfall, der ſchon in Griechenland nach Alexander eingeriſſen, vor-
wärts; rohe Stylloſigkeit, Luxusdienſt, überhand nehmende Pornographie,
Schnellmalerei ſind Symptome der nahen Auflöſung. Es beſtätigt ſich
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