Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
dreizehnten, erreicht aber ihre Höhe allerdings erst im Anfang des fünf- Vischer's Aesthetik. 3. Band. 48
dreizehnten, erreicht aber ihre Höhe allerdings erſt im Anfang des fünf- Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 48
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dreizehnten, erreicht aber ihre Höhe allerdings erſt im Anfang des fünf-
zehnten. Verfolgt man nun dieſe Linie, deren zweiter Abſchnitt am reinſten
in der Kölner-Schule ſich darſtellt, bis zu dem Dombilde des Meiſters
Stephan, ſo glaubt man, es fehle nur ein Schritt, um eine Blüthe zu
erzeugen, in welcher das Plaſtiſche und das Maleriſche ähnlich wie
in Italien, nur mit mäßig erhöhterer Wärme des letzteren Elements, ſich
verbinden werde. Da iſt noch nichts von dem Eckigen, das wir gewohnt
ſind als identiſch mit der nordiſchen Malerei anzuſehen; weiche Linie,
Welle und Rundung der Form, fließendes Gewand iſt aus der antiken
Ueberlieferung mit zartem und harmoniſchem Gefühle bewahrt und für das
neue Bedürfniß verwendet. Dieſes geht auf den innigſten Ausdruck einer
kindlich frommen Seele ohne jenen Bruch und Widerſtand des Eigen-
willens, von dem zu §. 726 die Rede geweſen; die reinſte Holdſeligkeit,
Seelengrazie, nur naiver, deutſch herzlicher, als im entſprechenden ita-
lieniſchen Style, legt ſich mit lieblichem Neigen und Beugen in dieſe har-
moniſchen Linien. Es iſt das im beſten Sinn ſentimentale, „frauenhafte“
Ideal des Mittelalters; Hotho nennt treffend dieſe ſüße Bildung einen
Styl der Seelenplaſtik. Die Farbe iſt voll Licht und Schmelz, zur in-
dividuellen Beſtimmtheit nationaler Geſichtszüge ein noch leichter Anſatz
und ebenſo ſchon die Neigung zu liebevoller Aufnahme des Anhängenden
und Umgebenden ſichtbar. Nach der Innigkeit des Ausdrucks betrachtet,
iſt nun dieſer Styl ächt maleriſch, wie der ſieneſiſche, dem er entſpricht;
nach der Weichheit und Rundung der Form aber iſt er zugleich plaſtiſch
und die letztere Seite kehrt ſich, wenn man ihn als Glied in der deutſchen
Kunſtgeſchichte faßt, hervor, weil hier ſofort das Maleriſche in der äußerſten
Schärfe eintritt. In dieſem Sinne des Plaſtiſchen iſt er denn auch idealiſtiſch
zu nennen, weil er den tieferen Griff in die Realität, die ſchärferen
Sonderzüge der Lebensbedingungen ſcheut und ſeine Geſtalten wie luftige,
reine Weſen in eine ideale Atmoſphäre hineinſtellt. Hier liegt denn auch ſein
tiefer Mangel; die Schönheit der Farbe iſt da, aber es fehlt ihre modellirende
Kraft, die Tiefe des Schattens, das Verſtändniß der Formenaufzeigenden
Bedeutung des Lichts. Es fehlt aber auch in der Zeichnung das Ver-
ſtändniß der Form nach der Seite der Kraft und Beſtimmtheit, es fehlt
das Männliche, insbeſondere iſt das Bein nicht verſtanden. Aller ſpe-
zifiſch fromme Styl kommt mit dieſem Bewegungsorgane nicht zurecht, wie
es noch heute bei allen ſpezifiſch Frommen mit dem Setzen der Beine
wunderlich beſtellt iſt. Stände nun dieſem Styl in organiſchem Gegenſatz
eine Schule wie die des Giotto gegenüber, plaſtiſch im Streben nach Be-
ſtimmtheit der Zeichnung, maleriſch in der Entfaltung des Affects, der
Bewegung, ſo öffnete ſich die Ausſicht, daß die Gegenſätze in befruchtender
Wechſelwirkung fortſchreiten werden; vermöge jenes ſeelenvollen Ausdrucks
Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 48
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