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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.

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Weisen bricht sich die Localfarbe im Zusammentreffen mit dem einen oder an-
dern derselben, insbesondere, wenn sie an sich schon farbig sind; hieher gehört na-
mentlich die Luftperspective, die nun erst als farbiges Medium in volle Wir-
kung tritt. Auch die Haltung des Ganzen erhält nur durch diese Mittel der
Farbe ihre Vollendung. Verwickelter wird das Wechselverhältniß von Farbe
und Licht und Schatten im farbig Durchsichtigen und zugleich Glänzenden; die
feinsten Geheimnisse aber liegen in der Durchkreuzung des farbig Hellen
und farbig Dunkeln: den Reflexwirkungen im Großen und Kleinen, dem Hell-
dunkel. Endlich gelangt erst durch die Farbe und diese ihre Verhältnisse der
Ton mit den ihm untergeordneten Localtönen zu seiner wahren, in §. 667 ihm
zuerkannten Bedeutung und wird unter allen genannten Momenten das wichtigste
zur Bewirkung der Harmonie.

Wo von den unendlichen Uebergängen der Farbe die Rede war,
mußte die nunmehr ausdrücklich eingeführte Verbindung der Farbe mit den
Lichtverhältnissen nothwendig theilweise vorausgenommen werden: wir sahen
die Farbe im Uebergang zum Schatten sich brechen. Dieß ist das We-
sentliche im Zusammentritt der Farbe mit den Lichtverhältnissen, sofern
noch von ungefärbtem Licht und von den einfacheren Fällen die Rede ist.
Das Licht, abgesehen vom Schatten, kommt hier nur nach seiner größeren
oder geringeren Intensität, wie dadurch Localfarben gesteigert oder herab-
gestimmt werden, zur Sprache. Eine neue Welt von Brechungen erfährt
nun die Localfarbe durch farbiges Licht mit dem entsprechenden Schatten;
anders erscheinen alle Farben im bläulich kühlen Morgenlicht, anders im
warmgelben Abendlicht, im Mondlicht, in Feuerbeleuchtung u. s. w. Wir
sehen aber auch bei dieser gemischteren Erscheinung noch von dem ab,
was nachher unter dem Begriffe der Kreuzung eingeführt wird. Farbig
wird das Licht durch seine Verbindung mit der Luft und dieß führt uns
wieder auf die Luftperspective, die natürlich nun erst in ihrem ganzen
Wesen zur Darstellung kommt: jener nach dem Entfernungsgrade sich ver-
dichtende Schleier ist nun als ein farbiger wiederzugeben, der über alle
Localfarben sein, je nach der Reinheit oder Unreinheit, Freiheit oder Ge-
schlossenheit der Luft in's Blaue, Graue, Bräunliche wachsendes Netz zieht;
das Feine und Schwierige liegt namentlich in jener wolligen Auflockerung,
welche in dieser zarten Hülle die Umrisse erfahren; die Zeichnung wird
dadurch erst vollends in das Ganze der malerischen Mittel als ein Mo-
ment aufgehoben. Mit der Luftperspective wird denn auch die Haltung
überhaupt erst durch die Farbe vollendet; die Farbe erst gibt dem in Licht
und Schatten derb gegenwärtigen Vordergrunde die letzten "Drucker", daß
er energisch die andern Gründe zurücktreibt, sie erst dem zweiten Plane
seine mittlere Kraft, dem Hintergrunde sein zartes Verhauchen und weist

Weiſen bricht ſich die Localfarbe im Zuſammentreffen mit dem einen oder an-
dern derſelben, insbeſondere, wenn ſie an ſich ſchon farbig ſind; hieher gehört na-
mentlich die Luftperſpective, die nun erſt als farbiges Medium in volle Wir-
kung tritt. Auch die Haltung des Ganzen erhält nur durch dieſe Mittel der
Farbe ihre Vollendung. Verwickelter wird das Wechſelverhältniß von Farbe
und Licht und Schatten im farbig Durchſichtigen und zugleich Glänzenden; die
feinſten Geheimniſſe aber liegen in der Durchkreuzung des farbig Hellen
und farbig Dunkeln: den Reflexwirkungen im Großen und Kleinen, dem Hell-
dunkel. Endlich gelangt erſt durch die Farbe und dieſe ihre Verhältniſſe der
Ton mit den ihm untergeordneten Localtönen zu ſeiner wahren, in §. 667 ihm
zuerkannten Bedeutung und wird unter allen genannten Momenten das wichtigſte
zur Bewirkung der Harmonie.

Wo von den unendlichen Uebergängen der Farbe die Rede war,
mußte die nunmehr ausdrücklich eingeführte Verbindung der Farbe mit den
Lichtverhältniſſen nothwendig theilweiſe vorausgenommen werden: wir ſahen
die Farbe im Uebergang zum Schatten ſich brechen. Dieß iſt das We-
ſentliche im Zuſammentritt der Farbe mit den Lichtverhältniſſen, ſofern
noch von ungefärbtem Licht und von den einfacheren Fällen die Rede iſt.
Das Licht, abgeſehen vom Schatten, kommt hier nur nach ſeiner größeren
oder geringeren Intenſität, wie dadurch Localfarben geſteigert oder herab-
geſtimmt werden, zur Sprache. Eine neue Welt von Brechungen erfährt
nun die Localfarbe durch farbiges Licht mit dem entſprechenden Schatten;
anders erſcheinen alle Farben im bläulich kühlen Morgenlicht, anders im
warmgelben Abendlicht, im Mondlicht, in Feuerbeleuchtung u. ſ. w. Wir
ſehen aber auch bei dieſer gemiſchteren Erſcheinung noch von dem ab,
was nachher unter dem Begriffe der Kreuzung eingeführt wird. Farbig
wird das Licht durch ſeine Verbindung mit der Luft und dieß führt uns
wieder auf die Luftperſpective, die natürlich nun erſt in ihrem ganzen
Weſen zur Darſtellung kommt: jener nach dem Entfernungsgrade ſich ver-
dichtende Schleier iſt nun als ein farbiger wiederzugeben, der über alle
Localfarben ſein, je nach der Reinheit oder Unreinheit, Freiheit oder Ge-
ſchloſſenheit der Luft in’s Blaue, Graue, Bräunliche wachſendes Netz zieht;
das Feine und Schwierige liegt namentlich in jener wolligen Auflockerung,
welche in dieſer zarten Hülle die Umriſſe erfahren; die Zeichnung wird
dadurch erſt vollends in das Ganze der maleriſchen Mittel als ein Mo-
ment aufgehoben. Mit der Luftperſpective wird denn auch die Haltung
überhaupt erſt durch die Farbe vollendet; die Farbe erſt gibt dem in Licht
und Schatten derb gegenwärtigen Vordergrunde die letzten „Drucker“, daß
er energiſch die andern Gründe zurücktreibt, ſie erſt dem zweiten Plane
ſeine mittlere Kraft, dem Hintergrunde ſein zartes Verhauchen und weist

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[570/0078] Weiſen bricht ſich die Localfarbe im Zuſammentreffen mit dem einen oder an- dern derſelben, insbeſondere, wenn ſie an ſich ſchon farbig ſind; hieher gehört na- mentlich die Luftperſpective, die nun erſt als farbiges Medium in volle Wir- kung tritt. Auch die Haltung des Ganzen erhält nur durch dieſe Mittel der Farbe ihre Vollendung. Verwickelter wird das Wechſelverhältniß von Farbe und Licht und Schatten im farbig Durchſichtigen und zugleich Glänzenden; die feinſten Geheimniſſe aber liegen in der Durchkreuzung des farbig Hellen und farbig Dunkeln: den Reflexwirkungen im Großen und Kleinen, dem Hell- dunkel. Endlich gelangt erſt durch die Farbe und dieſe ihre Verhältniſſe der Ton mit den ihm untergeordneten Localtönen zu ſeiner wahren, in §. 667 ihm zuerkannten Bedeutung und wird unter allen genannten Momenten das wichtigſte zur Bewirkung der Harmonie. Wo von den unendlichen Uebergängen der Farbe die Rede war, mußte die nunmehr ausdrücklich eingeführte Verbindung der Farbe mit den Lichtverhältniſſen nothwendig theilweiſe vorausgenommen werden: wir ſahen die Farbe im Uebergang zum Schatten ſich brechen. Dieß iſt das We- ſentliche im Zuſammentritt der Farbe mit den Lichtverhältniſſen, ſofern noch von ungefärbtem Licht und von den einfacheren Fällen die Rede iſt. Das Licht, abgeſehen vom Schatten, kommt hier nur nach ſeiner größeren oder geringeren Intenſität, wie dadurch Localfarben geſteigert oder herab- geſtimmt werden, zur Sprache. Eine neue Welt von Brechungen erfährt nun die Localfarbe durch farbiges Licht mit dem entſprechenden Schatten; anders erſcheinen alle Farben im bläulich kühlen Morgenlicht, anders im warmgelben Abendlicht, im Mondlicht, in Feuerbeleuchtung u. ſ. w. Wir ſehen aber auch bei dieſer gemiſchteren Erſcheinung noch von dem ab, was nachher unter dem Begriffe der Kreuzung eingeführt wird. Farbig wird das Licht durch ſeine Verbindung mit der Luft und dieß führt uns wieder auf die Luftperſpective, die natürlich nun erſt in ihrem ganzen Weſen zur Darſtellung kommt: jener nach dem Entfernungsgrade ſich ver- dichtende Schleier iſt nun als ein farbiger wiederzugeben, der über alle Localfarben ſein, je nach der Reinheit oder Unreinheit, Freiheit oder Ge- ſchloſſenheit der Luft in’s Blaue, Graue, Bräunliche wachſendes Netz zieht; das Feine und Schwierige liegt namentlich in jener wolligen Auflockerung, welche in dieſer zarten Hülle die Umriſſe erfahren; die Zeichnung wird dadurch erſt vollends in das Ganze der maleriſchen Mittel als ein Mo- ment aufgehoben. Mit der Luftperſpective wird denn auch die Haltung überhaupt erſt durch die Farbe vollendet; die Farbe erſt gibt dem in Licht und Schatten derb gegenwärtigen Vordergrunde die letzten „Drucker“, daß er energiſch die andern Gründe zurücktreibt, ſie erſt dem zweiten Plane ſeine mittlere Kraft, dem Hintergrunde ſein zartes Verhauchen und weist

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/78>, abgerufen am 26.11.2024.