Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
jedem Einzelnen mit Bestimmtheit seinen Ort an. Es bricht sich aber 38*
jedem Einzelnen mit Beſtimmtheit ſeinen Ort an. Es bricht ſich aber 38*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0079" n="571"/> jedem Einzelnen mit Beſtimmtheit ſeinen Ort an. Es bricht ſich aber<lb/> durch ihre Verbindungen mit Licht und Dunkel die Farbe nicht nur in<lb/> der noch einfacheren Weiſe, daß ſie eine Miſchung von zwei Farben dar-<lb/> ſtellt; es treten auch zwei Farben ſo in Verbindung, daß ſie in der Mi-<lb/> ſchung doch zugleich relativ ihre Selbſtändigkeit behaupten, durcheinander-<lb/> ſchimmern. Dieß, das Gebiet des farbig Durchſichtigen, iſt bereits eine<lb/> verwickeltere Erſcheinung. Eine Annäherung an das Durchſichtige liegt<lb/> überall in den Gebieten der feinſten organiſch verkochten Farbe, insbeſon-<lb/> dere der menſchlichen Haut, die nach den Schwierigkeiten ihrer Behand-<lb/> lung ſchon beſprochen iſt. In gedämpfter Weiſe zeigt ſich das Durchſich-<lb/> tige auch an todten, künſtlichen Stoffen wie Sammt u. drgl.; davon iſt<lb/> ebenfalls ſchon die Rede geweſen. Es kann nun allerdings zum farbig Durch-<lb/> ſichtigen auch der nicht geſchloſſene, über Alles ergoſſene Körper der Luft<lb/> gezogen werden, dann gehört die Luftperſpective auch in dieſen Zuſam-<lb/> menhang. Man hat aber bei dem Durchſichtigen namentlich die Körper<lb/> im Auge, die zugleich glänzen und ſpiegeln, und obwohl die Stoffe, an<lb/> denen dieſe Erſcheinung haftet, abgeſehen vom menſchlichen Auge, das in<lb/> dieſen Zuſammenhang der verbreiteten Wirkungen nicht gehört, an ſich<lb/> nur unorganiſch ſind, ſo wird doch die künſtleriſch läuternde Nachbildung<lb/> dieſes Gebiets geheimnißvoller Reize (vergl. §. 243 und 250, <hi rendition="#sub">2.</hi>) von<lb/> der tiefſten Wichtigkeit, weil namentlich das farbig Durchſichtige und<lb/> Glänzende es iſt, von dem die Widerſcheine und die Zauber des Hell-<lb/> dunkels ausgehen, hiemit aber der feinſte Theil der in Rede ſtehenden<lb/> Verhältniſſe, nämlich ein Herüber und Hinüber, eine Kreuzung, nicht mehr<lb/> nur des Lichts und Schattens, ſondern des farbigen Lichts und farbigen<lb/> Schattens, beginnt. Es iſt hier nicht blos an einzelne, locale Wirkungen<lb/> dieſer Kräfte zu denken, nicht blos einige beſonders glänzende Körper<lb/> werfen das Licht weiter, in jedem lebendigen Bilde webt dieſes Geheim-<lb/> niß durch das Ganze; ſelbſt das verbreitete allgemeine Licht einer Land-<lb/> ſchaft iſt nicht blos Wirkung der Strahlen an ſich, ſondern auch der Rück-<lb/> wirkung der beſtrahlten Luftſchichte des Himmels. Zugleich bewegen ſich<lb/> aber allerdings farbige Strahlennetze von einzelnen Körpern der genann-<lb/> ten Art mit geſammelterer Wirkung aus, und nicht nur von dieſen, auch<lb/> das gedämpfter Durchſichtige, ja alles lichtvoll Farbige wirft einen Stich.<lb/> Gehen ſo Reflexe und Stiche von unendlich vielen Puncten aus, ſo drin-<lb/> gen ſie auch nach allen Seiten hin, denn nicht nur den ſpiegelnden Ober-<lb/> flächen, ſondern allen Körpern theilt der Widerſchein in irgend einem<lb/> Grade etwas von der Farbe des beleuchteten Körpers mit, wie denn z. B.<lb/> von der blauen, beleuchteten Luftſchichte des Himmels ein zartes Spiel<lb/> bläulicher Reflexe ausſtrömt und das Incarnat ſeine röthlichen, gelblichen,<lb/> grünlichen Lichter wirft. Nun aber mag von ſolchem reflectirtem Licht</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">38*</fw><lb/> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [571/0079]
jedem Einzelnen mit Beſtimmtheit ſeinen Ort an. Es bricht ſich aber
durch ihre Verbindungen mit Licht und Dunkel die Farbe nicht nur in
der noch einfacheren Weiſe, daß ſie eine Miſchung von zwei Farben dar-
ſtellt; es treten auch zwei Farben ſo in Verbindung, daß ſie in der Mi-
ſchung doch zugleich relativ ihre Selbſtändigkeit behaupten, durcheinander-
ſchimmern. Dieß, das Gebiet des farbig Durchſichtigen, iſt bereits eine
verwickeltere Erſcheinung. Eine Annäherung an das Durchſichtige liegt
überall in den Gebieten der feinſten organiſch verkochten Farbe, insbeſon-
dere der menſchlichen Haut, die nach den Schwierigkeiten ihrer Behand-
lung ſchon beſprochen iſt. In gedämpfter Weiſe zeigt ſich das Durchſich-
tige auch an todten, künſtlichen Stoffen wie Sammt u. drgl.; davon iſt
ebenfalls ſchon die Rede geweſen. Es kann nun allerdings zum farbig Durch-
ſichtigen auch der nicht geſchloſſene, über Alles ergoſſene Körper der Luft
gezogen werden, dann gehört die Luftperſpective auch in dieſen Zuſam-
menhang. Man hat aber bei dem Durchſichtigen namentlich die Körper
im Auge, die zugleich glänzen und ſpiegeln, und obwohl die Stoffe, an
denen dieſe Erſcheinung haftet, abgeſehen vom menſchlichen Auge, das in
dieſen Zuſammenhang der verbreiteten Wirkungen nicht gehört, an ſich
nur unorganiſch ſind, ſo wird doch die künſtleriſch läuternde Nachbildung
dieſes Gebiets geheimnißvoller Reize (vergl. §. 243 und 250, 2.) von
der tiefſten Wichtigkeit, weil namentlich das farbig Durchſichtige und
Glänzende es iſt, von dem die Widerſcheine und die Zauber des Hell-
dunkels ausgehen, hiemit aber der feinſte Theil der in Rede ſtehenden
Verhältniſſe, nämlich ein Herüber und Hinüber, eine Kreuzung, nicht mehr
nur des Lichts und Schattens, ſondern des farbigen Lichts und farbigen
Schattens, beginnt. Es iſt hier nicht blos an einzelne, locale Wirkungen
dieſer Kräfte zu denken, nicht blos einige beſonders glänzende Körper
werfen das Licht weiter, in jedem lebendigen Bilde webt dieſes Geheim-
niß durch das Ganze; ſelbſt das verbreitete allgemeine Licht einer Land-
ſchaft iſt nicht blos Wirkung der Strahlen an ſich, ſondern auch der Rück-
wirkung der beſtrahlten Luftſchichte des Himmels. Zugleich bewegen ſich
aber allerdings farbige Strahlennetze von einzelnen Körpern der genann-
ten Art mit geſammelterer Wirkung aus, und nicht nur von dieſen, auch
das gedämpfter Durchſichtige, ja alles lichtvoll Farbige wirft einen Stich.
Gehen ſo Reflexe und Stiche von unendlich vielen Puncten aus, ſo drin-
gen ſie auch nach allen Seiten hin, denn nicht nur den ſpiegelnden Ober-
flächen, ſondern allen Körpern theilt der Widerſchein in irgend einem
Grade etwas von der Farbe des beleuchteten Körpers mit, wie denn z. B.
von der blauen, beleuchteten Luftſchichte des Himmels ein zartes Spiel
bläulicher Reflexe ausſtrömt und das Incarnat ſeine röthlichen, gelblichen,
grünlichen Lichter wirft. Nun aber mag von ſolchem reflectirtem Licht
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