Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.
rische) Gestalt Anwendung fand, so gilt sie in der Malerei auch für ihren 2. Daß die Malerei die reinere Schönheit der Form darum nicht
riſche) Geſtalt Anwendung fand, ſo gilt ſie in der Malerei auch für ihren 2. Daß die Malerei die reinere Schönheit der Form darum nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0087" n="579"/> riſche) Geſtalt Anwendung fand, ſo gilt ſie in der Malerei auch für ihren<lb/> ungleich erweiterten Stoffkreis, wie dieß ſchon aus unſerer allgemeinen<lb/> Beleuchtung hervorgeht und ſogleich bei der Sphäre des Landſchaftlichen<lb/> ſich beſtimmter zeigen wird.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Daß die Malerei die reinere Schönheit der Form darum nicht<lb/> ausſchließt, noch vermeidet, weil ſie in irgend einem Maaße durch die<lb/> Reibung des Mißverhältniſſes den Funken des Geiſtes entlockt, mußte<lb/> ſchon mehrfach ausgeſprochen werden. Es geht daraus hervor, daß auch<lb/> im rein maleriſchen Style noch das Plaſtiſche ſein eingeſchränktes Recht<lb/> hat; allein damit iſt noch nicht in’s Klare geſetzt, daß die reinere, pla-<lb/> ſtiſch aufgefaßte Schönheit auch für ſich zum ſelbſtändigen Styl ſich aus-<lb/> bilden werde, es iſt das Verhältniß der zwei Prinzipien, um die es ſich<lb/> handelt, noch nicht in ſeiner vollen Beſtimmtheit dargeſtellt. Ein deutli-<lb/> cheres Licht fiel auf dieſen weſentlichen Punct durch §. 662 und 674;<lb/> im erſten ſahen wir die plaſtiſche Auffaſſungsweiſe mit der Zeichnung ſich<lb/> verbinden und es entſprang uns bereits die natürliche Folge, daß es in<lb/> der Malerei eine Richtung geben werde, die ſich als directer Idealiſmus<lb/> prinzipiell auf dieſe Seite wirft; der Satz, daß dieſe Richtung nur rela-<lb/> tiv berechtigt ſei, enthielt auch die Möglichkeit, daß ſie dieſe Stellung ein-<lb/> geſchränkter Berechtigung vergeſſe; im zweiten §. kamen wir eben her<lb/> von der Betrachtung einer über ſeine Grenze hinaus geſteigerten Farben-<lb/> gebung (§. 673), wir ſahen nun, wie an die Farbe das Prinzip des in-<lb/> directen Idealiſmus ſich anſchließt, gaben ihm ſein Recht, ſtellten ihm<lb/> ſeine Schranken und fanden den Grund jener Ueberſteigerung in einem<lb/> Kampfe gegen den directen Idealiſmus der plaſtiſchen Auffaſſung und den<lb/> Froſt, den er in ſeiner Einſeitigkeit mit ſich führt. Dieß Alles iſt jetzt<lb/> zuſammenzufaſſen und dahin zu beſtimmen: wie die Malerei ihrem Be-<lb/> griffe nach zwei Prinzipien enthält, das eine herrſchend, das andere nur<lb/> relativ gültig, ſo bewegt ſie ſich als lebendige Kunſt nothwendig in einem<lb/> Gegenſatze von zwei Stylrichtungen, die wir nun als die naturaliſtiſche<lb/> und individualiſirende oder ächt maleriſche und als die mehr plaſtiſche<lb/> bezeichnen. Ein wahrer lebensfähiger und lebenzeugender Gegenſatz iſt<lb/> aber nur da, wo in jedem Glied auch das entgegengeſetzte enthalten iſt;<lb/> alſo muß jede der beiden Richtungen in einem gewiſſen Maaße die andere<lb/> in ſich aufnehmen; die zweite iſt hierin natürlich zu größerer Entäußerung<lb/> verpflichtet, weil ſie die nur relativ berechtigte, die andere die vollberech-<lb/> tigte iſt. Dieſes Verhältniß der Gegenſeitigkeit iſt nothwendig ein beweg-<lb/> tes: jeder von beiden Stylen iſt in beſtändiger Verſuchung, das Recht<lb/> des andern zu verkennen, jeder von beiden wird durch die Lebenskraft<lb/> des andern wieder in ſeine Grenzen gewieſen. Der ächt maleriſche treibt<lb/> zur Bewegung, zur Lebenswärme, Realität, zu der Tiefe des Inner-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [579/0087]
riſche) Geſtalt Anwendung fand, ſo gilt ſie in der Malerei auch für ihren
ungleich erweiterten Stoffkreis, wie dieß ſchon aus unſerer allgemeinen
Beleuchtung hervorgeht und ſogleich bei der Sphäre des Landſchaftlichen
ſich beſtimmter zeigen wird.
2. Daß die Malerei die reinere Schönheit der Form darum nicht
ausſchließt, noch vermeidet, weil ſie in irgend einem Maaße durch die
Reibung des Mißverhältniſſes den Funken des Geiſtes entlockt, mußte
ſchon mehrfach ausgeſprochen werden. Es geht daraus hervor, daß auch
im rein maleriſchen Style noch das Plaſtiſche ſein eingeſchränktes Recht
hat; allein damit iſt noch nicht in’s Klare geſetzt, daß die reinere, pla-
ſtiſch aufgefaßte Schönheit auch für ſich zum ſelbſtändigen Styl ſich aus-
bilden werde, es iſt das Verhältniß der zwei Prinzipien, um die es ſich
handelt, noch nicht in ſeiner vollen Beſtimmtheit dargeſtellt. Ein deutli-
cheres Licht fiel auf dieſen weſentlichen Punct durch §. 662 und 674;
im erſten ſahen wir die plaſtiſche Auffaſſungsweiſe mit der Zeichnung ſich
verbinden und es entſprang uns bereits die natürliche Folge, daß es in
der Malerei eine Richtung geben werde, die ſich als directer Idealiſmus
prinzipiell auf dieſe Seite wirft; der Satz, daß dieſe Richtung nur rela-
tiv berechtigt ſei, enthielt auch die Möglichkeit, daß ſie dieſe Stellung ein-
geſchränkter Berechtigung vergeſſe; im zweiten §. kamen wir eben her
von der Betrachtung einer über ſeine Grenze hinaus geſteigerten Farben-
gebung (§. 673), wir ſahen nun, wie an die Farbe das Prinzip des in-
directen Idealiſmus ſich anſchließt, gaben ihm ſein Recht, ſtellten ihm
ſeine Schranken und fanden den Grund jener Ueberſteigerung in einem
Kampfe gegen den directen Idealiſmus der plaſtiſchen Auffaſſung und den
Froſt, den er in ſeiner Einſeitigkeit mit ſich führt. Dieß Alles iſt jetzt
zuſammenzufaſſen und dahin zu beſtimmen: wie die Malerei ihrem Be-
griffe nach zwei Prinzipien enthält, das eine herrſchend, das andere nur
relativ gültig, ſo bewegt ſie ſich als lebendige Kunſt nothwendig in einem
Gegenſatze von zwei Stylrichtungen, die wir nun als die naturaliſtiſche
und individualiſirende oder ächt maleriſche und als die mehr plaſtiſche
bezeichnen. Ein wahrer lebensfähiger und lebenzeugender Gegenſatz iſt
aber nur da, wo in jedem Glied auch das entgegengeſetzte enthalten iſt;
alſo muß jede der beiden Richtungen in einem gewiſſen Maaße die andere
in ſich aufnehmen; die zweite iſt hierin natürlich zu größerer Entäußerung
verpflichtet, weil ſie die nur relativ berechtigte, die andere die vollberech-
tigte iſt. Dieſes Verhältniß der Gegenſeitigkeit iſt nothwendig ein beweg-
tes: jeder von beiden Stylen iſt in beſtändiger Verſuchung, das Recht
des andern zu verkennen, jeder von beiden wird durch die Lebenskraft
des andern wieder in ſeine Grenzen gewieſen. Der ächt maleriſche treibt
zur Bewegung, zur Lebenswärme, Realität, zu der Tiefe des Inner-
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