Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten Verfahrens, der Tropus, zieht vergleichend eine Erscheinung aus einer andern Sphäre herbei; verschweigt sie diesen Act und scheint das Verglichene identisch zu setzen, so ist sie eigentliche Uebertragung, Metapher; entlehnt diese ihr Bild aus dem beseelten Leben, so fällt sie in ihrer höchsten Lebendigkeit mit der Personification zusammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes ist im ernsten Gebiete (über den Unterschied des komischen vergl. §. 199) der Charakter des ächten Bildes.
In den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen eigenen Körper hat, mit dem vorliegenden Subjecte, dem ebenfalls eigene Erscheinungsform zukommt, zusammengebracht, so daß wir diese zwei ver- mittelst einer Eigenschaft, die beiden gemein ist, in Einheit zusammenfassen sollen; jenes Verfahren ist, auch wo es die Momente eines Ganzen, eines Ordnungsverhältnisses vertauscht, einfacher, bleibt in der Sache, erwärmt und beseelt sie von innen heraus; dieses ist zwiefältig, unruhiger, macht einen Sprung, ist äußerlicher und daher gewaltsamer. Die eigentlichen Tropen, von denen es hier sich handelt, sind ebendarum weniger poetisch. Was zu §. 850 von Bedeckung poetischer Blößen durch Glanz des Aus- drucks gesagt ist, gilt namentlich diesem bildlichen Verfahren im engeren Sinne des Worts. Es versteht sich, daß darum die ächte Poesie auf das Bild nicht kann verzichten wollen. Es ist vermöge seiner springenden Natur colorirter, als jene andern Formen, und viele Stellen fordern die buntere Farbe; der Geist in wärmerer Bewegung, sei sie eine sanftere und beschauliche oder feurige und wilde, fühlt den natürlichen Drang, seinen Gegenstand, damit er in seinem Werth nachdrücklicher erscheine, nicht nur in einfacher, sondern in doppelter Beleuchtung, sozusagen im Sonnen- und Kerzenlichte zugleich zu zeigen; der Vergleichungspunct, der das innerste Wesen des Gegenstands mit verdoppeltem Accente betont, ist das farbigere Kerzenlicht. In diesem Drange liegt aber noch ein Tieferes: einerseits weidet sich in solchem Umherschauen nach vergleichbarem Stoff aus andern Sphären die Phantasie an ihrer eigenen Schönheit, jedoch in der ächten Dichtung niemals selbstsüchtig, sondern in dem guten Sinne, daß durch die Freiheit, durch das ideale Ueberschweben, worin sie sich genießt, die innige Vertiefung in das bestimmte Object, dem die Vergleichung gilt, nicht gestört wird; es ist eine Befreiung von stoffartigem Festkleben, eine Lösung in der Beschränkung, deren Natur besonders da einleuchtet, wo sie der Dichter einer poetischen Person als ihren eigenen Act beilegt, so daß wir Zeugen eines objectiven Schauspiels sind, worin der Mensch von seiner Leidenschaft sich befreit, indem er alle Bilder-
§. 852.
Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten Verfahrens, der Tropus, zieht vergleichend eine Erſcheinung aus einer andern Sphäre herbei; verſchweigt ſie dieſen Act und ſcheint das Verglichene identiſch zu ſetzen, ſo iſt ſie eigentliche Uebertragung, Metapher; entlehnt dieſe ihr Bild aus dem beſeelten Leben, ſo fällt ſie in ihrer höchſten Lebendigkeit mit der Perſonification zuſammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes iſt im ernſten Gebiete (über den Unterſchied des komiſchen vergl. §. 199) der Charakter des ächten Bildes.
In den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen eigenen Körper hat, mit dem vorliegenden Subjecte, dem ebenfalls eigene Erſcheinungsform zukommt, zuſammengebracht, ſo daß wir dieſe zwei ver- mittelſt einer Eigenſchaft, die beiden gemein iſt, in Einheit zuſammenfaſſen ſollen; jenes Verfahren iſt, auch wo es die Momente eines Ganzen, eines Ordnungsverhältniſſes vertauſcht, einfacher, bleibt in der Sache, erwärmt und beſeelt ſie von innen heraus; dieſes iſt zwiefältig, unruhiger, macht einen Sprung, iſt äußerlicher und daher gewaltſamer. Die eigentlichen Tropen, von denen es hier ſich handelt, ſind ebendarum weniger poetiſch. Was zu §. 850 von Bedeckung poetiſcher Blößen durch Glanz des Aus- drucks geſagt iſt, gilt namentlich dieſem bildlichen Verfahren im engeren Sinne des Worts. Es verſteht ſich, daß darum die ächte Poeſie auf das Bild nicht kann verzichten wollen. Es iſt vermöge ſeiner ſpringenden Natur colorirter, als jene andern Formen, und viele Stellen fordern die buntere Farbe; der Geiſt in wärmerer Bewegung, ſei ſie eine ſanftere und beſchauliche oder feurige und wilde, fühlt den natürlichen Drang, ſeinen Gegenſtand, damit er in ſeinem Werth nachdrücklicher erſcheine, nicht nur in einfacher, ſondern in doppelter Beleuchtung, ſozuſagen im Sonnen- und Kerzenlichte zugleich zu zeigen; der Vergleichungspunct, der das innerſte Weſen des Gegenſtands mit verdoppeltem Accente betont, iſt das farbigere Kerzenlicht. In dieſem Drange liegt aber noch ein Tieferes: einerſeits weidet ſich in ſolchem Umherſchauen nach vergleichbarem Stoff aus andern Sphären die Phantaſie an ihrer eigenen Schönheit, jedoch in der ächten Dichtung niemals ſelbſtſüchtig, ſondern in dem guten Sinne, daß durch die Freiheit, durch das ideale Ueberſchweben, worin ſie ſich genießt, die innige Vertiefung in das beſtimmte Object, dem die Vergleichung gilt, nicht geſtört wird; es iſt eine Befreiung von ſtoffartigem Feſtkleben, eine Löſung in der Beſchränkung, deren Natur beſonders da einleuchtet, wo ſie der Dichter einer poetiſchen Perſon als ihren eigenen Act beilegt, ſo daß wir Zeugen eines objectiven Schauſpiels ſind, worin der Menſch von ſeiner Leidenſchaft ſich befreit, indem er alle Bilder-
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§. 852.
Die andere, mehr äußerliche, aber farbenreichere Hauptform des indirecten
Verfahrens, der Tropus, zieht vergleichend eine Erſcheinung aus einer
andern Sphäre herbei; verſchweigt ſie dieſen Act und ſcheint das Verglichene
identiſch zu ſetzen, ſo iſt ſie eigentliche Uebertragung, Metapher; entlehnt
dieſe ihr Bild aus dem beſeelten Leben, ſo fällt ſie in ihrer höchſten Lebendigkeit
mit der Perſonification zuſammen. Schlagende Kraft des Vergleichungspunctes
iſt im ernſten Gebiete (über den Unterſchied des komiſchen vergl. §. 199) der
Charakter des ächten Bildes.
In den bisher aufgeführten Formen wird nicht ein Fremdes, das einen
eigenen Körper hat, mit dem vorliegenden Subjecte, dem ebenfalls eigene
Erſcheinungsform zukommt, zuſammengebracht, ſo daß wir dieſe zwei ver-
mittelſt einer Eigenſchaft, die beiden gemein iſt, in Einheit zuſammenfaſſen
ſollen; jenes Verfahren iſt, auch wo es die Momente eines Ganzen, eines
Ordnungsverhältniſſes vertauſcht, einfacher, bleibt in der Sache, erwärmt
und beſeelt ſie von innen heraus; dieſes iſt zwiefältig, unruhiger, macht
einen Sprung, iſt äußerlicher und daher gewaltſamer. Die eigentlichen
Tropen, von denen es hier ſich handelt, ſind ebendarum weniger poetiſch.
Was zu §. 850 von Bedeckung poetiſcher Blößen durch Glanz des Aus-
drucks geſagt iſt, gilt namentlich dieſem bildlichen Verfahren im engeren
Sinne des Worts. Es verſteht ſich, daß darum die ächte Poeſie auf das
Bild nicht kann verzichten wollen. Es iſt vermöge ſeiner ſpringenden Natur
colorirter, als jene andern Formen, und viele Stellen fordern die buntere
Farbe; der Geiſt in wärmerer Bewegung, ſei ſie eine ſanftere und beſchauliche
oder feurige und wilde, fühlt den natürlichen Drang, ſeinen Gegenſtand,
damit er in ſeinem Werth nachdrücklicher erſcheine, nicht nur in einfacher,
ſondern in doppelter Beleuchtung, ſozuſagen im Sonnen- und Kerzenlichte
zugleich zu zeigen; der Vergleichungspunct, der das innerſte Weſen des
Gegenſtands mit verdoppeltem Accente betont, iſt das farbigere Kerzenlicht.
In dieſem Drange liegt aber noch ein Tieferes: einerſeits weidet ſich in
ſolchem Umherſchauen nach vergleichbarem Stoff aus andern Sphären die
Phantaſie an ihrer eigenen Schönheit, jedoch in der ächten Dichtung niemals
ſelbſtſüchtig, ſondern in dem guten Sinne, daß durch die Freiheit, durch das ideale
Ueberſchweben, worin ſie ſich genießt, die innige Vertiefung in das beſtimmte
Object, dem die Vergleichung gilt, nicht geſtört wird; es iſt eine Befreiung
von ſtoffartigem Feſtkleben, eine Löſung in der Beſchränkung, deren Natur
beſonders da einleuchtet, wo ſie der Dichter einer poetiſchen Perſon als ihren
eigenen Act beilegt, ſo daß wir Zeugen eines objectiven Schauſpiels ſind,
worin der Menſch von ſeiner Leidenſchaft ſich befreit, indem er alle Bilder-
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,5. Stuttgart, 1857, S. 1226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030205_1857/90>, abgerufen am 24.11.2024.
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