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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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"Cornelia."

"Siete da Perugia?"

"No, Signore."

"Da Assisi?"

"No, Signore."

"Da Arezzo?"

"No, Signore."

"No, Signore. Io sono da Bellinzona."

"Fa niente," rief er jetzt, schloß sie in die Arme
und drückte der Ueberraschten, die kaum sich sträubte,
einen feurigen Kuß auf die Lippen. Der Wirth sah
verwundert, halb ärgerlich, halb lachend zu dieser
Szene, ließ jedoch geschehen. Man konnte ihm auf
dem Gesichte lesen, daß in seinem Gemüthe zwei
Mächte sich eine ordentliche Schlacht lieferten: das Ge¬
fühl der Zweckwidrigkeit des erst Vorgefallenen, der
Unmuth über so verkehrtes Handeln und über die jetzige
Dreistigkeit auf der einen und auf der andern Seite
der Respekt vor Fremden, die sich eine so großartige
Verschwendung erlaubten, und die Lust am Spaße,
den eine Szene, wie die letzte, denn doch jedem Zu¬
schauer bereiten mußte. A. E. wandte sich jetzt mit
der Geberde eines Mannes, dem etwas Vergessenes
einfällt, plötzlich zu ihm, nahm ihn beiseite, fragte
ihn leise etwas, die Antwort des Wirths, der seine
Stimme zum Flüstern nicht gebildet hatte, verrieth,

Cornelia.“

Siete da Perugia?“

No, Signore.“

Da Assisi?“

No, Signore.“

Da Arezzo?“

No, Signore.“

No, Signore. Io sono da Bellinzona.“

Fa niente,“ rief er jetzt, ſchloß ſie in die Arme
und drückte der Ueberraſchten, die kaum ſich ſträubte,
einen feurigen Kuß auf die Lippen. Der Wirth ſah
verwundert, halb ärgerlich, halb lachend zu dieſer
Szene, ließ jedoch geſchehen. Man konnte ihm auf
dem Geſichte leſen, daß in ſeinem Gemüthe zwei
Mächte ſich eine ordentliche Schlacht lieferten: das Ge¬
fühl der Zweckwidrigkeit des erſt Vorgefallenen, der
Unmuth über ſo verkehrtes Handeln und über die jetzige
Dreiſtigkeit auf der einen und auf der andern Seite
der Reſpekt vor Fremden, die ſich eine ſo großartige
Verſchwendung erlaubten, und die Luſt am Spaße,
den eine Szene, wie die letzte, denn doch jedem Zu¬
ſchauer bereiten mußte. A. E. wandte ſich jetzt mit
der Geberde eines Mannes, dem etwas Vergeſſenes
einfällt, plötzlich zu ihm, nahm ihn beiſeite, fragte
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[119/0132] „Cornelia.“ „Siete da Perugia?“ „No, Signore.“ „Da Assisi?“ „No, Signore.“ „Da Arezzo?“ „No, Signore.“ „No, Signore. Io sono da Bellinzona.“ „Fa niente,“ rief er jetzt, ſchloß ſie in die Arme und drückte der Ueberraſchten, die kaum ſich ſträubte, einen feurigen Kuß auf die Lippen. Der Wirth ſah verwundert, halb ärgerlich, halb lachend zu dieſer Szene, ließ jedoch geſchehen. Man konnte ihm auf dem Geſichte leſen, daß in ſeinem Gemüthe zwei Mächte ſich eine ordentliche Schlacht lieferten: das Ge¬ fühl der Zweckwidrigkeit des erſt Vorgefallenen, der Unmuth über ſo verkehrtes Handeln und über die jetzige Dreiſtigkeit auf der einen und auf der andern Seite der Reſpekt vor Fremden, die ſich eine ſo großartige Verſchwendung erlaubten, und die Luſt am Spaße, den eine Szene, wie die letzte, denn doch jedem Zu¬ ſchauer bereiten mußte. A. E. wandte ſich jetzt mit der Geberde eines Mannes, dem etwas Vergeſſenes einfällt, plötzlich zu ihm, nahm ihn beiſeite, fragte ihn leiſe etwas, die Antwort des Wirths, der ſeine Stimme zum Flüſtern nicht gebildet hatte, verrieth,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/132>, abgerufen am 24.05.2024.