war der feierliche Akt vollendet und wie wir uns zurück¬ wenden, steht bei jenen Zweien eine dritte Gestalt, ein hohes, bildschönes Mädchen, mit großen, dunklen, von Freude leuchtenden Augen, in die Hände klatschend und lachend, wie Kinder im höchsten Jubel lachen. Schwarze Locken, von silberner Nadel gehalten, fielen um ihr braunes Antlitz, gefüllt und stolz geschwungen stieg der Nacken und hielt aufrecht das Haupt mit seinem reinen Profil empor; man sah wieder eine Wölbung des Brustbaus, wie sie in unsern nördlichen Ländern so selten ist: frei, kräftig, ein wohlgebildeter Raum für das Organ des Athmens.
Wie ich sie näher ansah, tauchte mir erst von ferne, dann deutlicher eine Erinnerung auf. Um diese schönen Augen spielte etwas Weiches, man konnte nicht sagen, in welchen Formen der Augenhöhle und ihrer Umgebung es lag, nicht wenig trugen die großen Lider und die langen Wimpern dazu bei; nach kurzem Suchen kam mein Gedächtniß bei der Dame an, die ich erst gestern in Bürglen gesehen hatte. Die Aehn¬ lichkeit in diesem Zuge war so stark, daß man leicht das Unähnliche in Gedanken ausschied; man konnte sagen: es war diese Erscheinung aus Blond in Schwarz und Braun, aus dem fein Schlanken in's Vollere, aus dem zart Durchgebildeten in's kräftig Volksmäßige übersetzt.
A. E. stand erstaunt, in Schauen verloren. "Come vi chiamate?" fragte er.
war der feierliche Akt vollendet und wie wir uns zurück¬ wenden, ſteht bei jenen Zweien eine dritte Geſtalt, ein hohes, bildſchönes Mädchen, mit großen, dunklen, von Freude leuchtenden Augen, in die Hände klatſchend und lachend, wie Kinder im höchſten Jubel lachen. Schwarze Locken, von ſilberner Nadel gehalten, fielen um ihr braunes Antlitz, gefüllt und ſtolz geſchwungen ſtieg der Nacken und hielt aufrecht das Haupt mit ſeinem reinen Profil empor; man ſah wieder eine Wölbung des Bruſtbaus, wie ſie in unſern nördlichen Ländern ſo ſelten iſt: frei, kräftig, ein wohlgebildeter Raum für das Organ des Athmens.
Wie ich ſie näher anſah, tauchte mir erſt von ferne, dann deutlicher eine Erinnerung auf. Um dieſe ſchönen Augen ſpielte etwas Weiches, man konnte nicht ſagen, in welchen Formen der Augenhöhle und ihrer Umgebung es lag, nicht wenig trugen die großen Lider und die langen Wimpern dazu bei; nach kurzem Suchen kam mein Gedächtniß bei der Dame an, die ich erſt geſtern in Bürglen geſehen hatte. Die Aehn¬ lichkeit in dieſem Zuge war ſo ſtark, daß man leicht das Unähnliche in Gedanken ausſchied; man konnte ſagen: es war dieſe Erſcheinung aus Blond in Schwarz und Braun, aus dem fein Schlanken in's Vollere, aus dem zart Durchgebildeten in's kräftig Volksmäßige überſetzt.
A. E. ſtand erſtaunt, in Schauen verloren. „Come vi chiamate?“ fragte er.
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war der feierliche Akt vollendet und wie wir uns zurück¬
wenden, ſteht bei jenen Zweien eine dritte Geſtalt,
ein hohes, bildſchönes Mädchen, mit großen, dunklen,
von Freude leuchtenden Augen, in die Hände klatſchend
und lachend, wie Kinder im höchſten Jubel lachen.
Schwarze Locken, von ſilberner Nadel gehalten, fielen
um ihr braunes Antlitz, gefüllt und ſtolz geſchwungen
ſtieg der Nacken und hielt aufrecht das Haupt mit
ſeinem reinen Profil empor; man ſah wieder eine
Wölbung des Bruſtbaus, wie ſie in unſern nördlichen
Ländern ſo ſelten iſt: frei, kräftig, ein wohlgebildeter
Raum für das Organ des Athmens.
Wie ich ſie näher anſah, tauchte mir erſt von
ferne, dann deutlicher eine Erinnerung auf. Um
dieſe ſchönen Augen ſpielte etwas Weiches, man konnte
nicht ſagen, in welchen Formen der Augenhöhle und
ihrer Umgebung es lag, nicht wenig trugen die großen
Lider und die langen Wimpern dazu bei; nach kurzem
Suchen kam mein Gedächtniß bei der Dame an, die
ich erſt geſtern in Bürglen geſehen hatte. Die Aehn¬
lichkeit in dieſem Zuge war ſo ſtark, daß man leicht
das Unähnliche in Gedanken ausſchied; man konnte
ſagen: es war dieſe Erſcheinung aus Blond in Schwarz
und Braun, aus dem fein Schlanken in's Vollere, aus dem
zart Durchgebildeten in's kräftig Volksmäßige überſetzt.
A. E. ſtand erſtaunt, in Schauen verloren. „Come
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/131>, abgerufen am 22.12.2024.
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